Fintech-Geheimtipp Lemon Markets – auf den Spuren von Trade Republic
Zwei junge Gründer aus Münster bauen zurzeit ein neues Trading-Startup auf. Lemon Markets richtet sich an Entwickler, die ihre Trades automatisieren wollen. Doch dahinter steht ein größerer Plan, viele Geldgeber beobachten die Firma bereits genau.
Lemon Markets gehört zu diesen wenigen neuen Firmen, nach denen deutsche Investoren gerade verzweifelt fahnden: es hat junge Gründer mit Entwickler-Background, die direkt aus der Universität heraus gestartet sind. Und so gab es in Berlin einen wahren Wettlauf um das Fintech von Maximilian Linden und Marcel Katenhusen. Viele Wagniskapitalgeber haben mit den Gründern gesprochen, um das Investment bei dem Geheimtipp aus Münster nicht zu verpassen.
Letztendlich bekamen der bekannte Fintech-Investor Creandum und System One den Zuschlag, sie haben einen Millionenbetrag in die Firma gesteckt, wie Deutsche Startups zuerst berichtete. Das kleine Team baut zurzeit an einem Investment-Tool für Entwickler, die ihre Aktientrades damit automatisieren können. Eine Zielgruppe, die in Europa allerdings nicht sonderlich groß ist.
Inspiriert vom „Market of Lemons“
Die beide Gründer wollen zurzeit nicht reden, doch ihre Geschichte ist bekannt: Im Hörsaal H1 der Universität Münster haben sie die Theorie über den „Market for Lemons“ kennengelernt, erzählten sie der Rheinischen Post. In den USA werden Autos mit Mängeln als „Lemons“ bezeichnet, in der Theorie geht es um eine ungleiche Informationsverteilung – vor dem Kauf eines Gebrauchtwagen lässt sich seine Qualität nicht einfach beurteilen. Die Gründer fanden das Beispiel so einprägsam, dass sie ihr Unternehmen danach benannten. Sie arbeiten nun seit einigen Monaten an einer Software für den Börsenhandel – mit besser verteilten Informationen.
Vor allem Tech-Entwickler sollen mit der Software eigene automatische Handelsstrategien entwerfen können. Wenn beispielsweise der damalige US-Präsident Donald Trump über eine börsennotierte Firma twitterte, sollte es möglich sein, die Stimmung zur Aktie zu analysieren und daraufhin eine automatische Kaufentscheidung zu treffen – alles innerhalb von einer Minute, wie aus einem internen Beispiel der Firma hervorgeht. Vorbild ist eine US-Firma mit dem Namen Alpaca, die aus dem Startup-Programm Y Combinator hervorgegangen ist. Als Vision formulierten die Gründer, dass es in der Zukunft auch möglich sein soll, ohne Code-Kenntnisse eine automatische Handelsstrategie anzulegen.
Einige der Wagniskapitalgeber machte jedoch ein weiterer Anwendungsfall hellhörig. Über seine Schnittstellen plant Lemon Markets anderen Unternehmen ein Trading-Feature anzubieten: „Brokerage-as-a-Service“ nennen sie dies. Darüber kann das Startup sich den Wertpapierhandel anbinden, und die Unternehmen bauen damit ihre eigenen Neobroker. Einen Fintech-Anbieter in diesem Segment gibt es noch nicht. Die Solarisbank hat noch kein Trading-Produkt und Scalable Capital bietet beispielsweise bislang nur seinen Robo-Advisor als White-Label-Lösung an. Den vorliegenden Informationen nach versucht sich Lemon Markets als besonders tech-affines Startup zu positionieren, dazu gehört auch die Entwickler-Community.
Es passt zu dem Trend, dass künftig mehr und mehr branchenfremde Firmen auch Fintech-Dienstleistungen anbieten. „Every Company Will Be a Fintech Company“, überschrieb etwa Angela Strange vom Investor Andreessen Horowitz ihren vielbeachteten Aufsatz. Eine Entwicklung, von der besonders der Investor Creandum überzeugt ist: Das Fintech Swan macht es Unternehmenskunden auf technisch einfache Art und Weise möglich, eine Bankkarte und Finanzprodukte anzubieten, der schwedische Investor ist dort eingestiegen.
Aktienhandel abseits der klassischen Banking-Apps
Fintech-Experten erwarten, dass dieser Trend auch in die Börsenwelt vordringt. Potentielle Kunden sind Neobanken. N26 bereitet beispielsweise gerade eine Trading-Funktion vor, zurzeit spricht die Firma mit potentiellen Partnerunternehmen. In der Zukunft könnte Lemon Markets ein solche Dienstleistung anbieten. Das britische Revolut nutzt für seinen Aktienhandel das US-Startup Drivewealth, das sich auf diesen Dienst spezialisiert hat – und von Investoren mit 100 Millionen Dollar finanziert wurde.
Der Aktienhandel ließe sich auch abseits der klassischen Banking-Apps in Tech-Produkte integrieren. „Das Trading-Feature eignet sich auch als Lockmittel, damit die Kunden die App häufiger öffnen oder als Instrument der günstigen Kundengewinnung“, sagt der Tech-Berater Philipp Klöckner. „Ein Cashback-Programm könnte zum Beispiel ein Feature entwickeln, damit die Ersparnisse automatisch in Aktien investiert werden.“
Die große Frage wird sein, wie Lemon Markets die regulatorische Abwicklung bewerkstelligt. Bislang arbeitet das Startup für die Marktdaten und Trades mit dem Handelsplatz Lang & Schwarz zusammen. Für einen umfassenden Service wird es sich nach Finance-Forward-Informationen erst einmal einen Bankpartner mit entsprechender Lizenz suchen. „Langfristig ergibt das Geschäftsmodell Sinn, wenn man eine eigene Banklizenz besitzt“, sagt Klöckner. Das Broker-Startup Trade Republic hat seinen Launch mehrere Jahre vorbereitet und besitzt eine Wertpapierhandelsbanklizenz. Für Lemon Markets würde sich mit einer eigenen Lizenz die Marge pro Trade vergrößern, deswegen ist davon auszugehen, dass sich auch die junge Firma in der Zukunft um eigene Lizenz bemühen wird.
Zurzeit bereitet die junge Firma seinen öffentlichen Start vor und hat angekündigt, von Münster nach Berlin zu ziehen. Mit Creandum als Investor, der Handelsplattform Lang & Schwarz und einem Trading-Geschäftsmodell besitzt Lemon Markets gleich drei Gemeinsamkeiten mit dem gefeierten Trade Republic. Es befindet sich damit im Blickfeld der europäischen Investorenszene, die jeden Schritt der Firma genau beobachten wird.