Wo steht die Krypto-Branche nach dem Absturz von FTX?
Binance will die Kryptobörse FTX doch nicht kaufen. Der Schaden bleibt – und könnte sogar noch größer werden. Was bedeutet der Fall für die gesamte Branche und wie schauen andere Player auf die Situation?
Es sei durchaus denkbar, irgendwann einmal Goldman Sachs zu kaufen, sagte der FTX-Gründer vor rund einem Jahr. Es schien, als könne er nichts falsch machen. Jetzt steht sein Unternehmen vor dem Kollaps – und könnte die gesamte Krypto-Branche damit in Geiselhaft nehmen.
Nach dem gescheiterten Übernahmeversuch von Binance ist seine Geschichte aber noch nicht vorbei. Den Fall FTX werden verschiedene Instanzen aufarbeiten müssen – Gerichte, Investoren, Anleger und die Politik. FTX sucht laut dem Wall Street Journal nun nach einem Käufer, es fehlen acht Milliarden Dollar.
Bitcoin rauscht ab
Die kurzfristige Reaktion lässt sich bereits an Zahlen ablesen. Am Donnerstag fiel die wichtigste Kryptowährung Bitcoin zeitweise unter die Marke von 16.000 Dollar, im vergangenen Jahr war sie noch bei 68.000 Dollar. Die Marktkapitalisierung des gesamten Kryptomarkts brach seit dem Wochenende von 1,05 Billionen Dollar auf etwa 844 Milliarden ein, wie das Handelsblatt berichtet. Ein Minus von fast 20 Prozent.
Die Branche ist bereits leidgeprüft, doch in eine derartig tiefgreifende Krise ist sie zuvor noch nicht geschlittert. Im Frühjahr ging Terra zu Boden und verbrannte Anlegergelder in Höhe von 50 Milliarden Dollar, kurze Zeit später meldete die Kryptoplattform Celsius Network Insolvenz an. Und jetzt also der Fall FTX.
Eines ist schon klar: Er wird einen Ripple-Effekt nach sich ziehen, der den Markt unter Druck setzt. FTX hat fast 1,9 Milliarden Dollar von 60 prominenten Geldgebern eingesammelt – darunter Softbank, Ribbit und auch Coinbase. Sequoia schreibt seine Beteiligung von rund 214 Millionen Dollar bereits ab.
Das größere Bild jedoch ist, dass die Reputation der gesamten Branche unter Beschuss steht. FTX-Gründer Sam Bankman-Fried war gerne in der US-Hauptstadt Washington, nah an der Politik. Er war im ständigen Austausch mit Gesetzgebern, machte Öffentlichkeitsarbeit für die Branche. FTX war einer der größten Geldgeber der entsprechenden Lobbygruppen.
Gesichtsverlust für Politiker
Der tiefe Fall von FTX bedeute nun auch einen Gesichtsverlust für Politiker, die sich in der Vergangenheit gerne mit dem Gründer gezeigt haben, sagt Julius Nagel, Podcasthost bei Alles Coin, Nichts Muss von Finance Forward. „Das sieht man jetzt schon – Tweets werden teilweise gelöscht.“
Das wird politische Konsequenzen nach sich ziehen, glaubt auch Krypto-Kritikerin Molly White. „Wenn ich diese Gesetzgeber wäre, würde ich viele seiner Vorschläge in Frage stellen, nachdem ich gesehen habe, was hinter den Kulissen von FTX passiert ist“, sagte sie.
Es muss sich zeigen, wie vor allem die Regulierungsbehörden künftig auf Krypto-Unternehmen reagieren. Wird das Umfeld noch schwieriger? Nicht für alle, sagt Bitpanda-Gründer Eric Demuth. „Die Regulierungsbehörden freuen sich, wenn es Player gibt, die nach den Regeln spielen.“
Problematisch seien immer nur die Firmen, die nicht in Europa oder den USA sitzen, sondern an Orten wie den Bahamas – oder ganz ohne Standort unterwegs sind. „Die spielen Wilder Westen, pumpen ihre Firma in kürzester Zeit und gamblen mit den Geldern ihrer Kunden.“ Vernünftig regulierte Firmen hätten dieses Problem nicht. Seine österreichische Krypto-Börse habe ein gutes Standing.
Was machen die Krypto-Anleger nun?
Mark Hays, ein politischer Analyst, sagte gegenüber Protocol, dass die von FTX ausgelöste Unsicherheit „ein Schlag für die Glaubwürdigkeit der Branche und für die Forderungen nach einer schnellen Regulierung im Namen der Förderung von Krypto-Innovationen“ sei. Die Krypto-Branche hatte sich vor allem auch in den USA Fortschritte in Regulierungsfragen erhofft. In Anbetracht dessen, was passiert ist, glaube er nicht, dass es in diesem Jahr „überhaupt eine Chance auf eine Gesetzgebung gibt“. Der Fokus werde darauf liegen, „den Reset-Knopf zu drücken und neu anzufangen.“
Fraglich ist zudem, wie Anlegerinnen und Anleger damit umgehen. Ihr Vertrauensverlust sei das größere Problem, sagt Kryptoexperte Nagel. Er glaubt: Viele werden Krypto den Rücken kehren und möglicherweise erst nach ein paar Jahren wieder in den Markt kommen.
Die internen Zahlen bei Bitpanda allerdings zeigen: Seit Mittwoch kämen eher mehr Kunden und Kundengelder dazu, sagt Demuth. „Sie merken, dass sie auf die regulierten Player setzen sollten.“ Der Gründer fragt sich: „Dein Gehalt lässt du auch nicht auf die Bahamas auszahlen, warum also die Krypto-Assets?“. Bitpanda versucht derzeit, eine Bafin-Lizenz zu bekommen.
Trotzdem werde die gesamte Industrie jetzt erstmal einen Schock erleiden. „Wir wissen alle nicht, wie viele Firmen – auch solide Firmen – in Schwierigkeiten kommen, weil sie bei FTX Gelder verloren haben.“ Der Fall wird die Branche also noch eine Weile dominieren – und ihre Zukunft bestimmen.