CZ wollte mit Binance das Unternehmen von FTX-Gründer Sam Bankman-Fried übernehmen (Bild: imago, Collage: FFWD)

Wie Binance den einstigen Krypto-Superstar FTX zu Fall brachte

Die weltgrößte Krypto-Börse Binance wollte den Wettbewerber FTX übernehmen. In den sieben Tagen vor dem Deal haben sich die beiden Gründer einen öffentlichen Schlagabtausch geliefert. Doch der Deal platzte – nun steht FTX vor dem Aus und es droht die nächste große Krypto-Krise.

Als das Branchenportal Coindesk am 2. November einen Bericht veröffentlichte, der Diskussionen und auch Sorgen in der Kryptobranche nach sich zog, konnte niemand ahnen, was folgen sollte. Der Bericht zu Sam Bankman-Fried, dem Gründer der drittgrößten Krypto-Börse FTX, war der Teil eines abgebrühten Übernahmeplans, sagen Beobachter.

Denn eine Woche später wurde bekannt, dass Binance, die weltgrößte Krypto-Börse, ihren Konkurrenten übernehmen – und sich dabei als Retter in der Not inszenieren wollte. „FTX hat um unsere Hilfe gebeten“, schrieb Binance-Gründer Changpeng Zhao, bekannt als „CZ“, auf Twitter.

Doch hinter den Kulissen sollen sich die Ereignisse anders abgespielt haben. FTX schlitterte in eine Krise – vom Kollaps der Krypto-Börse war die Rede. Der Verdacht von Brancheninsidern ist derweil ein anderer: Sie werfen Binance vor, die Krise selbst ausgelöst zu haben. Am Mittwochabend teilte Binance mit, von einer Übernahme doch abzusehen. Trotzdem stellen sich die Fragen: Welche Rolle spielt der Binance-Gründer im Fall FTX – und wie geht es jetzt weiter?

Vom Unterstützer zum Wettbewerber

Es ist die Geschichte von Verbündeten, aus denen erbitterte Konkurrenten wurden. Hatte CZ 2019 noch in FTX investiert, musste er schnell merken, dass das junge Unternehmen seinem 2017 gestarteten Binance schnell den Rang abläuft. Der ambitionierte Bankman-Fried wurde zum Hit der Finanzbranche, er sagte vor dem US-Kongress aus, während sich CZ mit kritischen Regulatoren herumschlagen musste. Erinnerungen, die den Binance-Gründer später noch verfolgen werden.

Mehr als 60 prominente Geldgeber – darunter Softbank, Ribbit, Sequoia und auch Coinbase – steckten mehr als 1,9 Milliarden Dollar in FTX. Das Unternehmen wuchs und wuchs – und arbeitete hart an seiner Markenbekanntheit. Bankman-Fried kaufte für 19 Jahre die Namensrechte für das Stadion der Miami Heat – und der Star der US-Footballliga, Tom Brady, wurde zum „Ambassador“ ernannt. Auch in Deutschland hat der Krypto-Star Bankman-Fried eine Dependance gegründet, wie Recherchen von Finance Forward zeigten.

Die Fronten verhärteten sich. CZ wollte das Binance-Investment in FTX beenden, damals bekam er in einem Deal FTT-Token und Binance-USD im Wert von rund zwei Milliarden Dollar. Mit den FTT-Token wickelt FTX seine Gebühren ab. „Ich denke, es gibt einige Unterschiede in der Art und Weise, wie wir unsere Unternehmen führen“, sagte Bankman-Fried damals. Damit wollte er die Sache hinter sich lassen.

Die Investition wird zum Druckmittel

Doch der Deal holte den FTX-Gründer nun wieder ein, die Token sind zum Druckmittel geworden. Sie haben ihm sein Unternehmen gekostet: Nachdem CZ auf Twitter am Sonntag angekündigte hatte, auf der Grundlage von „jüngsten Enthüllungen, die ans Licht kamen“ seine FTT-Bestände im Wert von rund 529 Millionen Dollar zu verkaufen, kam im Markt Panik auf.

Mit den Enthüllungen dürfte CZ den Coindesk-Artikel von Anfang November gemeint haben, der sich auf geleakte Dokumente bezieht. Das Krypto-Imperium des 30-jährigen Bankman-Fried besteht aus zwei Teilen, FTX und Alameda Research, einem Handelshaus. Die beiden seien zu eng miteinander verwoben, so der Vorwurf.

Den Dokumenten zufolge verwalte Alameda Research Assets im Wert von 14,6 Milliarden US-Dollar. Ein großer Teil davon allerdings seien FTT-Token. Das lässt an der Liquidität des Unternehmens zweifeln – und legt eine riskante Abhängigkeit zwischen Alameda und FTX nahe. Der Token sei „heiße Luft“, sagten Insider. Bankman-Frieds Imperium bekam über Nacht das Image eines Kartenhauses.

Die Öffentlichkeit drückt den Preis

CZ setzt öffentlich noch einen drauf. Seine Worte: Deutlich. Er habe FTX am Anfang zwar unterstützt, wolle nun aber nicht so tun, als gäbe es nach der Scheidung noch Zuneigung. Offenbar hat der Binance-Gründer noch eine Rechnung mit seinem ehemaligen Schützling offen: „Wir werden keine Leute unterstützen, die hinterrücks Lobbyarbeit gegen andere Branchenakteure betreiben“, fügte er hinzu.

Kunden verkauften ihre Token – aus Angst vor einem Totalverlust. In den 72 Stunden vor Dienstagmorgen wurden rund sechs Milliarden Dollar abgehoben, berichtete Reuters unter Berufung auf eine interne Nachricht von Bankman-Fried. Auf den sozialen Netzwerken kochten die Diskussionen hoch. Bankman-Fried sah seine Firmen kurz vor dem Kollaps. Er versuchte zu beschwichtigen: Die Vermögenswerte seiner Krypto-Börse seien „in Ordnung“ und es sei ein Konkurrent, der versuche, FTX „mit falschen Gerüchten zu verfolgen“. Gemeint war CZ. Der Tweet ist inzwischen wieder gelöscht.

CZ, in Person ein unaufgeregter Mann, untermauerte damit allerdings seinen Status als wichtigste Person der Kryptowelt. Am Dienstag drohte die Situation zu eskalieren. FTX stoppte zeitweise die Auszahlung an seine Kunden. Die Krypto-Börse konnte nicht mehr mit eigenen Mitteln zuverlässig auszahlen. Bevor FTX endgültig kollabiert, positionierte sich der Binance-Chef als Retter in der Not.

Tatsächlich stellt sich die Frage, woher die Gerüchte rund um FTX kommen. Und wer die Quelle hinter dem Coindesk-Bericht ist. Für CZ hätte es kurzfristig nicht besser laufen können. Bei der jüngsten Finanzierungsrunde im Januar wurde FTX noch mit 32 Milliarden Dollar bewertet.

Kein Milliardär mehr

Übernahmedetails sind zwar nicht bekannt, aber die Krypto-Börse dürfte kurz vor dem angeblichen Kollaps nur noch einen Bruchteil davon Wert gewesen sein. „Eine mögliche Lesart dieser Situation ist, dass CZ ein paar Tweets gemacht hat und sich eine 30-Milliarden-Dollar-Kryptobörse für Pfennige besorgt“, urteilt Bloomberg-Kolumnist Matt Levine. Und ein auf Betrugsfälle spezialisierter Youtuber schrieb: „CZ hat gerade seinen größten Konkurrenten angezündet und kam dann mit Wassereimern.“

In der Zwischenzeit ist der Deal geplatzt. „Die Probleme liegen außerhalb unserer Kontrolle und unserer Fähigkeit zu helfen“, hieß es am Mittwochabend von Binance. Trotzdem ist Binance durch die Ereignisse gestärkt, die unangefochtene Nummer eins der Krypto-Börsen.

FTX sucht laut dem Wall Street Journal nun nach einem Käufer, es fehlen acht Milliarden Dollar. Die Ripple-Effekte für die Krypto-Branche lassen sich bislang noch nicht absehen. Experten gehen von stärkeren Folgen aus als nach dem Celsius-Crash. „Bin gespannt ob Sam Bankman-Fried nun untertaucht, wie die anderen Kryptojungs auch“, sagt ein Brancheninsider.

Am Dienstag bereits hatte Bloomberg seinen Milliardärsindex aktualisiert. Das Nettovermögen von Sam Bankman-Fried sei nun bei rund 991 Millionen Dollar, während es am Vortag noch 16 Milliarden Dollar betrug. Changpeng Zhao könnte innerhalb der vergangenen sieben Tage also das vollbracht haben, was in Hollywoodfilmen der perfekte Mord ist.