Klarna zahlt 110 Millionen Euro für Stocard – die Hintergründe des Deals
Der nächste große Exit in der deutschen Fintech-Szene ist vollzogen: Den dreistelligen Millionen-Betrag für Stocard bezahlt Klarna in eigenen Anteilen und Cash. Auch das chinesische Super-Fintech Ant Financial soll an der Mannheimer Firma interessiert gewesen sein.
Noch im Februar klangen die Pläne von Björn Goß anders: Er sehe einen Börsengang als „potentiellen Exit“. Eine eigenständige Shopping-App für 200 bis 300 Millionen Menschen wolle er mit seinem Fintech Stocard aus Mannheim heraus aufbauen. Er zog einen großen Vergleich: Auch im Musik-Streaming gebe es abgesehen von Apple und Amazon mit Spotify immer noch einen eigenständigen europäischen Spieler.
Diesen Player wird der Gründer nun nicht mehr weiter selbst aufbauen, sondern beim Payment-Unternehmen Klarna unterschlüpfen. Bislang bündelt Stocard verschieden Kundenkarten in einer App und hat kürzlich eine Bezahlfunktion eingeführt. Klarna wird die Kundenkarten-Funktion sicherlich in die eigene Shopping-App integrieren.
In großen Finanzierungsrunden hat die schwedische Firma allein in den vergangenen sechs Monaten 1,6 Milliarden Dollar eingesammelt. Klarna hat nun die Chancen, zu dem eigenständigen europäischen Spieler aufzusteigen, der in einer Liga mit den US-Konzernen spielt, wie Goß es beschrieben hat. Zu dieser Wachstumsstrategie gehören auch Zukäufe wie Stocard. Es ist für Klarna die sechste Übernahme in den vergangenen eineinhalb Jahren.
Erst kürzlich eine Social-Shopping-Anbieter gekauft
Zuletzt kaufte die Firma das Social-Shopping-Startup Hero für 115 Millionen Pfund. Auch den Kauf von Stocard lässt sich das schwedische Startup einiges kosten: Insgesamt 110 Millionen Euro soll der Deal umfassen, heißt es aus dem Unternehmensumfeld. Eine ähnliche Größenordnung berichtet auch das Handelsblatt. Die Hälfte davon in Anteilen von Klarna, die andere Hälfte in Bargeld. Ein guter Erfolg für die drei Gründer Björn Goß, David Handlos und Florian Barth, die noch rund ein Viertel an der Firma hielten. Den Geldgebern Macquarie gehörte ein weiteres Viertel, Carsten Maschmeyers Fonds Alstin noch rund 20 Prozent.
An der Marke Stocard will Klarna zunächst festhalten, allerdings setzt es laut dem Handelsblatt ein eigenes Management-Team ein. Die beiden bisherigen Geschäftsführer Björn Goß und David Handlos sollen Manager bei Klarna werden.
Im Verkaufsprozess soll auch das chinesische Fintech Ant Financial Interesse bekundet haben, Stocard zu kaufen, heißt es aus dem Unternehmensumfeld. Ant gehört mit Wechat zu den größten Super-Apps der Welt, die nun versuchen, auch außerhalb von China Fuß zu fassen. Beide beteiligen sich an vielen hiesigen Startups. Seit Kurzem hat Ant sogar einen eigenen Fonds in Berlin gestartet, wie Finance Forward berichtete. Auch an Klarna ist das Unternehmen mit einem kleineren Anteil beteiligt.
Stocard wäre ein Einfallstor in den europäischen Markt gewesen. Das Unternehmen ist in Ländern Großbritannien, Niederlande, Belgien, Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich, Schweiz, Australien und Kanada stärker vertreten und besitzt nach eigenen Angaben 60 Millionen Kunden. Das Fintech habe sich aber gegen Ant entschieden, beide Firmen wollte sich nicht dazu äußern.
Für jeden Kunden rund 1,80 Euro
Der Kaufpreis zeigt derweil auch, wie Klarna das Geschäftsmodell von Stocard bewertet. Für jeden Kunden zahlt es rund 1,80 Euro. Ein Kunde ist dabei weniger Wert als beispielsweise bei einer Neobank, denn Stocard verdient nun bei der Vermittlung von Promoaktionen. Wie viel Umsatz Stocard erzielt, ist derweil unklar. Der Wert dürfte allerdings erst im hohen einstelligen Millionen-Bereich liegen.
Für Klarna hat die Übernahme aber einen strategischen Wert. Es kann seine Klarna-Card potentiell an die 60 Millionen Kunden vertreiben und die Kundenkarten-Funktion von Stocard in die eigene App integrieren, was das eigene Banking-Angebot attraktiver macht. Es passt zu dem Plan, das eigene Shopping-Angebot grundsätzlich zu erweitern.
Nach Fintecsytems wird das nächste deutsche Finanz-Startup für einen dreistelligen Millionen-Betrag an eine schwedische Payment-Firma verkauft. Es wird sich bei mehreren Startups in den kommenden Monaten entscheiden, ob sie sich zutrauen, eigenständig weiter zu machen.