So bewertet der Top-Investor Kinnevik seine Fintechs
Der schwedische Geldgeber Kinnevik ist an wichtigen Fintech-Startups wie der Zinsplattform Deposit Solutions und dem Robo-Advisor Betterment beteiligt. Finanzunterlagen zeigen, wie der Investor den Markt und seine Fintech-Wetten einschätzt.
Bislang lässt sich das Ausmaß der Krise noch schwer beziffern – viele Fintech-Startups sind mittlerweile hoffnungsvoll, dass sie die Corona-Pandemie mit ihren wirtschaftlichen Folgen gut überstehen werden. Doch wie schlimm war das erste halbe Jahr 2020 tatsächlich? Ein Indikator dafür sind die Geschäftszahlen des Top-Investors Kinnevik.
Der börsennotierte schwedische Geldgeber, der jahrelang zusammen mit Rocket Internet investierte und bei vielen großen Startups beteiligt ist, bietet einen guten Ausblick auf die Marktlage. Kinnevik ist an bekannten Fintechs wie dem US-amerikanischen Anlage-Startup Betterment oder der Neobank Monese beteiligt.
An fünf Finanz-Startups ist Kinnevik beteiligt. Jedes Quartal veröffentlicht der Investor die Unternehmensbewertung der Firmen, dafür vergleicht der Geldgeber die Portfolio-Startups mit ähnlichen Firmen, etwa anderen Software-Anbietern. Die Zahlen geben also nicht nur Aufschluss darüber, wie sich der Wert einzelner Fintechs aus Kinnevik-Sicht entwickelt, sondern auch wie der Investor den entsprechenden Markt beurteilt.
Der Robo-Advisor: Betterment
Was macht das Unternehmen?
Das US-Startup ist das bekannteste Fintech im Portfolio von Kinnevik. Kunden können über Betterment ihr Geld automatisiert anlegen lassen, es handelt sich um einen sogenannten Robo-Advisor. Der Anbieter verwaltet 20 Milliarden Dollar und ist damit einer der großen Player. Zum Vergleich: Der deutsche Robo-Markt liegt insgesamt bei etwa vier Milliarden.
Wer sind die Konkurrenten?
Marktführer in den USA ist Vanguard, der auch nach Europa kommt, mit etwa 148 Milliarden Dollar an Kundengeldern (Assets under Management). Daneben gibt es eine Reihe von anderen großen Anbietern, erst kürzlich wurde Personal Capital für knapp eine Milliarde Dollar verkauft. In Deutschland ist Scalable Capital der größte Robo-Advisor (ausführliche Berichte und einen Podcast mit den wichtigsten Fintechs gibt es hier).
Wie wird Betterment bewertet?
Kinnevik bewertet den Robo-Advisor nach der Analyse des sogenannten Discounted Cash Flow. Eine Betrachtung, die den Wert zukünftiger Einnahmen beziffert. Der aktuelle Unternehmenswert liegt aus Kinnevik-Sicht bei umgerechnet 666 Millionen Euro. Viele Wagniskapitalgeber bewerten einer Firmen anhand der letzten Finanzierungsrunde.
Den Absturz nach dem ersten Quartal erklärt Kinnevik mit der Marktlage in der Coronakrise. Durch den Einbruch sinkt auch der Wert der Kundeneinlagen bei Betterment: Laut Bericht von 21,5 Milliarden Dollar (viertes Quartal 2019) auf 18,4 Milliarden Ende März 2020. Das senkt auch den Wert der Firma.
Umgerechnet mehr als 100 Millionen Euro korrigierte der Investor den Unternehmenswert nach den ersten drei Monaten des Jahres nach unten. Im zweiten Quartal berichtet Kinnevik von einer Erholung („Rebounding Markets“) – und damit entwickele sich auch das Geschäft wieder besser.
Die Zinsplattform: Deposit Solutions
Was macht das Unternehmen?
Über eine Plattform vermittelt das Hamburger Fintech Zinsanlagen: Die Kunden von Banken können auf diesem Weg von Zinsunterschieden in verschiedenen Ländern profitieren. Ein deutsche Bankkunde legt sein Geld zum Beispiel bei einer schwedischen Bank an.
Wer sind die Konkurrenten?
Deposit Solutions bietet seinen Service vor allem für Banken an. Die Deutsche Bank, die sich auch an dem Unternehmen beteiligt hat, gehört zu den größten Kunden des Fintechs und verwendet die Technik von Deposit Solutions für seinen Zinsmarkt. Konkurrent Raisin richtet sich mit seinem Portal Weltsparen stärker an Endkunden. Beide deutschen Unternehmen gehören in dem Markt zu den wichtigsten europäischen Unternehmen und wollen auch in die USA Fuß fassen.
Wie wird Deposit Solutions bewertet?
Die Deutsche Bank investierte in Deposit Solutions zu einer Bewertung von einer Milliarde Euro, wie es Ende des vergangenen Jahres hieß. Kinnevik schätzte die Entwicklung bei der Hamburger Firma konservativer ein: Es vergleicht für seine Analyse die Umsätze von ähnlichen Unternehmen aus dem Fintech- und Software-Markt. Um welche Firmen es sich handelt, will Kinnevik nicht sagen. Zudem warte der Geldgeber, bis Deposit Solutions einen bestimmten „Meilenstein“ erreicht habe, berichtete Finanz-Szene. Der Wert lag Ende des vergangenen Jahres bei etwa 450 Millionen Euro – weit entfernt von einer Milliarde.
Zum Jahresbeginn korrigierte Kinnevik die Bewertung von Deposit Solutions weiter nach unten. Zwischenzeitlich um umgerechnet etwa 70 Millionen Euro. Kinnevik schrieb: Die Abwärtsbewegung sei auf die Entwicklung der Vergleichsgruppe zurückzuführen. Zur Veröffentlichung des Berichts habe sich dieser Trend aber schon wieder umgekehrt.
Mittlerweile hat der schwedische Investor den „Fair Value“ wieder etwas hochgesetzt. Die Bewertung des Geschäfts von Deposit Solutions liege auf dem Level von Ende 2019, heißt es im Bericht des Investors. Verantwortlich für die Bewertung ist also aus Kinnevik-Sicht vor allem die Vergleichsgruppe. Trotzdem ist die Einschätzung des Investors immer noch weit entfernt von der Milliarden-Dollar-Marke. Um was für einen Meilenstein es sich handelt, teilt das schwedische Unternehmen nicht mit.
Das Einlagengeschäft sei „überaus robust“ – auch in der Coronakrise, schreibt ein Sprecher von Deposit Solutions. „Wir als Unternehmen waren aber natürlich trotzdem in den vergangenen Monaten von der Krise betroffen“, heißt es weiter. Manchen Projekte seien von Partner verschoben worden. Das Unternehmen werde 2020 wachsen, „aber weniger stark als wir es uns für 2020 ursprünglich vorgenommen hatten“.
Die Challengerbank: Monese
Was macht das Unternehmen?
Mit einer Banking-App und einer Kreditkarte gehört das britische Monese zu den sogenannten Challengerbanken, der Payment-Konzern Paypal ist neben Kinnevik an Monese beteiligt. Seit einiger Zeit versucht das Startup auch in Deutschland Fuß zu fassen.
Wer sind die Konkurrenten?
Die großen Rivalen heißen N26 und Revolut, die in den vergangenen Monate noch einmal Geld von Investoren aufgenommen haben. Monese zählt mit etwa 2,4 Millionen Kunden zu den kleineren Smartphonebanken. Zum Vergleich: N26 hat mehr als fünf Millionen Kunden und Revolut mehr als zehn Millionen.
Wie wird Monese bewertet?
Laut des jüngsten Berichts rechnet Kinnevik dem Unternehmen einen Wert von umgerechnet 246 Millionen Euro zu. Die Bewertung des Unternehmens sei unverändert, nur die Situation der Vergleichsgruppe habe sich verbessert. Die leichte Verschlechterung des Wertes im zweiten Quartal sei auf Wechselkurse zurückzuführen. Der Wert korrespondiere mit der Bewertung der letzten Finanzierungsrunde Ende 2018. Ein üblicher Anhaltspunkt für Geldgeber.
Im Mai berichtete das Branchenmagazin Altfi über Entlassungen bei dem Fintech, das Unternehmen kommentierte die Berichte auf Nachfrage nicht, Kinnevik erwähnt die Umstrukturierung ebenfalls nicht.
Das Ausgabe-Tool: Pleo
Was macht das Unternehmen?
Firmen können mit Pleo ihre Ausgaben organisieren und erhalten dafür eigene Firmenkreditkarten. Das Fintech stammt aus Dänemark und ist vor einiger Zeit nach Deutschland expandiert. Laut eigenen Angaben verwenden 9.000 Unternehmen die Software von Pleo, in Deutschland kommt das Fintech auf etwa 1.000 Unternehmenskunden. Auch in den vergangenen Monaten sei das Startup gewachsen, heißt es von der Deutschland-Chefin Marie Moesgaard. Neben Kinnevik gehört der schwedische Geldgeber Creandum zu den Pleo-Investoren.
Wer sind die Konkurrenten?
Ein wichtiger Wettbewerber ist Spendesk, ein französisches Startup, das ebenfalls die Ambitionen hat in ganz Europa zu expandieren. Außerdem will Vanta aus Berlin in Kürze starten, das einen ähnlichen Service bietet.
Wie wird es bewertet?
Der Wert des Unternehmens liegt aus der Sicht von Kinnevik bei umgerechnet 250 Millionen Euro und orientiert sich an der Vergleichsgruppe und der Bewertung der Investoren bei der letzten Finanzierungsrunde. Große Veränderungen gab es seitdem nicht. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Coronakrise das Geschäft nicht negativ beeinflusst hat. Die leichten Schwankungen sind auf Wechselkurse zurückzuführen.