Roland Folz ist der CEO der Solarisbank (Bild: Max Threllfall).

Private Equity statt IPO? Die Solarisbank erhält 40 Millionen Euro – und verhandelt neue Optionen

Das Berliner Fintech Solarisbank ist auf der Suche nach neuem Geld. Das Private-Equity-Unternehmen Advent soll Interesse zeigen, auch für eine Übernahme. Was sind die Hintergründe?

Als sich Europas Fintech-Szene kürzlich auf der Money 20/20 in Amsterdam traf, sorgte aus deutscher Perspektive besonders die Solarisbank für Aufsehen. Die nämlich war auf der Branchenmesse gleich in halber Mannschaftsstärke erschienen, Vorstandschef Roland Folz wuselte ebenso über die Gänge wie Produktchef Jörg Howein, auch Chloé Mayenobe wurde gesichtet, die erst im Februar verpflichtete neue Chief Growth Officer. Der Grund für den vermeintlichen Betriebsausflug? Die Solaris-Truppe hatten in Amsterdam tatsächlich eine stramme Agenda, bestehend vor allem aus Investorengesprächen. So zumindest wird es in Venture-Capital-Kreisen erzählt.

Die Geschichte lautet also: Die Solarisbank befindet sich mal wieder im Funding. Wobei: Ist das wirklich schon die Geschichte? Denn: Auf der Suche nach neuen Investoren und frischen Mitteln ist der hoch ambitionierte „Banking as a Service“-Spezialist ja irgendwie immer. Anfang letzten Jahres liebäugelten die Berliner mit einem sogenannten SPAC-IPO (bevor der SPAC-Boom abebbte). Dann arbeitete man auf einen regulären Börsengang bestenfalls in der zweiten Jahreshälfte 2022 hin (bevor der IPO-Markt einzufrieren begann). Und zwischendurch? Wurde tatsächlich mal gefundet. Stolze 190 Millionen Euro warb die Solarisbank im vergangenen Juli bei Investoren ein. Indes: Deutlich mehr als die Hälfte dieser Summe floss sogleich in die Übernahme des britischen Konkurrenten Contis.

Und nun? Eine weitere Venture-Capital-Runde wäre ein logischer Schritt – sofern sich die letztjährige Bewertung von 1,4 Milliarden Euro verteidigen lässt. Daneben wird zurzeit aber eine weitere, eher unkonventionelle Option geprüft. So berichtet das Manager Magazin, Private-Equity-Firmen seien an der Solarisbank interessiert und hätten Aufsichtsratschef Ramin Niroumand (mit Finleap zugleich großer Aktionär) und anderen Investoren „bereits konkrete Avancen gemacht“. Bei einem der Private-Equity-Fonds, nämlich bei CVC, sei das Interesse zwar schon wieder erloschen. Weiterhin in Lauerstellung soll dagegen Advent sein – eine Darstellung, die sich mit Informationen von Finance Forward und Finanz-Szene deckt. Laut Manager Magazin geht es den sondierenden Finanzinvestoren um einen Mehrheitsanteil „oder zumindest um einen hohen Anteil […], der beträchtliche Mitspracherechte sichert“. Mithin: Die Solarisbank könnte simpel gesagt verkauft werden!

Was an der Konstellation ungewöhnlich ist: Private-Equity-Investoren schielen normalerweise auf Unternehmen, die einen stabilen Cashflow generieren, oder auf Unternehmen, die in die Jahre gekommen sind und hart restrukturiert werden müssen. Die Solarisbank – ein stark wachsendes Startup mit hohem Cashburn – passt in keines dieser beiden Raster; und auch als Teil einer von Finanzinvestoren bisweilen verfolgten „Build & Buy“-Strategie kann man sich das Berliner Vorzeige-Fintech irgendwie nicht so richtig vorstellen. Gleichwohl: Immer mehr Private-Equity-Gesellschaften sind in den vergangenen Jahren dazu übergegangen, neben ihren klassischen PE-Fonds auch Venture-Capital-Vehikel aufzusetzen. Hinzu kommt: Manche Finanzinvestoren stehen unter Anlagedruck. So hat Advent – als Aareal-Käufer und früherer Concardis-Eigner eng verbandelt mit der hiesigen Finanzbranche – gerade erst einen 25-Milliarden-Dollar-Fonds aufgelegt. Irgendwo muss dieses Geld hin. Und wer weiß, ob Fintech-Assets noch einmal so günstig werden, wie sie es momentan sind.

Finleap wäre einem Exit nicht abgeneigt – heißt es

Umgekehrt: Das große Ziel der Solarisbank lautete eigentlich immer IPO. Ein Exit an einen Private-Equity-Investor stand nicht auf der Roadmap. Mit dem Börsengang allerdings dürfte es in nächster Zeit nichts werden. Und insbesondere von Finleap – mutmaßlich immer noch der größte Anteilseigner – heißt es in Finanzkreisen, wenn der Preis stimme, könnten sich die Berliner einen Ausstieg durchaus vorstellen. Schließlich liegt die Gründung des einstigen Company Builders (der inzwischen nur noch seine Assets verwaltet) dann doch schon acht Jahre zurück, und zwar, ohne dass es bislang zu einem größeren Exit gekommen wäre. Das „Manager Magazin“ berichtet sogar, Advent könnte über die Solarisbank hinaus an weiteren Ventures aus dem Finleap-Ökosystem interessiert sein. Als mögliche Beispiele werden die KMU-Frontend-Bank Penta oder der Online-Versicherungsmakler Clark genannt.

Was nun die Solarisbank selbst angeht: Die hat im vergangenen Jahr zwar erstmals an der 100-Millionen-Euro-Grenze bei den Erträgen gekratzt (die Umsätze von Contis sind hier bereits eingerechnet). Allerdings dürften dabei abermals Verluste in merklich zweistelliger Millionenhöhe angefallen sein. Die Kalkulation geht nun so:

– Per Ende 2020 verfügte die Solarisbank auf Konzernbasis über ein Eigenkapital von gut 70 Millionen Euro (was einer harten Kernkapitalquote von 26,4 Prozent* entsprach).

– Rechnet man nun die 190 Millionen Euro aus dem letztjährigen Funding obendrauf, zieht hiervon allerdings geschätzte 120 Millionen Euro für Contis sowie operative Verluste von (ebenfalls inklusive Contis) grob veranschlagten 30 bis 40 Millionen Euro ab, dann hätte das Eigenkapital per Ende 2021 bei vielleicht 100 bis 150 Millionen Euro gelegen.

– Das wäre ausreichend, um die formalen Vorgaben der Regulierer überzuerfüllen. Indes: Allzu üppig wäre es nicht, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel N26 allein bei der Finanzierungsrunde letzten Herbst mehr als 900 Millionen Dollar eingesammelt hat.

Die Bestandsinvestoren injizieren nochmal 40 Millionen Euro

Nach Informationen von Finanz-Szene und Finance Forward haben Bestandsinvestoren daher zuletzt sicherheitshalber tatsächlich noch mal 40 Millionen Euro in die Solarisbank gepumpt – was das Berliner Fintech auf Anfrage grob bestätigt: „Wir haben kürzlich einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag von Bestandsinvestoren erhalten, um die Position der Solarisbank in einem herausfordernden Marktumfeld zu stärken. Wir freuen uns über das große Vertrauen und werden die Mittel einsetzen, um unsere Ziele zu erreichen, unseren Investitionsvorsprung zu sichern sowie eine hohe Kernkapitalquote sicherzustellen.“ Zur Bewertung äußert sich die Solarisbank nicht. In Finanzkreisen heißt es aber, die Taxierung sei im Vergleich zu den 1,4 Milliarden Euro aus dem letzten Sommer eher gestiegen als gefallen.

Für den Moment und ganz sicher auch auf absehbare Zeit ist die Solarisbank also ausreichend kapitalisiert. Allerdings: Der „Nach dem Funding ist vor dem Funding“-Logik bleibt sie auch mit den 40 Millionen Euro einstweilen verhaftet. Denn: Der Sinn des eigentlich angestrebten IPOs hätte ja nicht nur darin bestanden, den Altgesellschaftern einen Teilverkauf ihrer Anteile zu ermöglichen. Sondern: Es sollte auch darum gehen, so viel Eigenkapital in die Solarisbank zu injizieren, dass die Berliner bis zum Break-Even optimalerweise kein weiteres mehr brauchen. Wie viel das wäre? Schwer zu sagen. Marktkenner allerdings meinen, man müsse bei dieser Frage wohl eher in Richtung 500 Millionen Euro anstatt in Richtung 150 Millionen Euro denken. Schließlich sei die Solarisbank mit ihrer Expansion nicht nur nach UK (anorganisch), sondern auch nach Frankreich, Spanien oder Italien (jeweils organisch) zurzeit extrem auf Wachstum gepolt. Und es geht halt – anders als bei Fintechs ohne Banklizenz – nicht nur um das ganz normale Kapital für die geplanten Investitionen. Sondern auch darum, selbst sehr stark wachsenden Geschäftsumfänge dauerhaft mit genügend regulatorischem Eigenkapital zu unterlegen – zumal die Bafin bei der Solarisbank ja durchaus genauer hinguckt.

Dass Finanzinvestoren über jenes Kapital verfügen, das die Solarisbank irgendwann ganz gut wird gebrauchen könnten – das ist klar. Aber ist dieser Zeitpunkt schon gekommen? Und will sich das Berliner Fintech aber wirklich an einen Player wie Advent binden will (et vice versa)? Genau solche Fragen werden derzeit diskutiert. Ausgang offen. An alternativen Interesse aus der VC-Welt immerhin sollte keine Mangel bestehen. Darauf zumindest deutet das Wuseln der Herren Folz und Howein sowie von Frau Mayenobe bei der Money 20/20 hin.


*Im 2020er-Abschluss heißt es bezogen auf die 26,4 Prozent: „Die Bank plant die Abgabe einer korrigierten Meldung mit einer Kapitalquote von 30,9%. Die Änderung ergibt sich im Wesentlichen aus der Berücksichtigung der Anrechnung der immateriellen Vermögensgegenstände […].“