Das Team der Solarisbank (Bild: Max Threllfall)

Solarisbank prüft Börsengang per Spac – Milliarden-Bewertung anvisiert

Exklusiv: Mit der Solarisbank könnte das erste deutsche Fintech durch einen Spac-Deal an die Börse gehen. Das Management und die Investoren diskutieren zurzeit den Verkauf an eine börsennotierte Firmenhülle, eine weitere Finanzierungsrunde und ein klassischer IPO sind derweil weiterhin als Option auf dem Tisch. Die Bank peilt eine Milliarden-Bewertung an, berichten Insider.

Die Solarisbank holt zum großen Schlag aus. Laut gemeinsamen Recherchen von Finance Forward, Finanz-Szene und Gründerszene arbeitet das Berliner Vorzeige-Fintech an konkreten Plänen für einen Börsengang mittels Spac – einer Methode, bei der sich operativ tätige Unternehmen von einem bereits an der Börse notierten Firmenmantel („Special Purpose Acquisitions Company“) übernehmen lassen.

Übereinstimmenden Angaben von Insidern zufolge will die Solarisbank bereits in Kürze eine der großen Investmentbanken beauftragen, den entsprechenden Prozess einzuleiten. Dabei will die Firma auch die Option eines klassischen IPOs prüfen – wobei dem Vernehmen nach die Spac-Lösung favorisiert wird. Läuft alles wie erhofft, könnte der Börsengang Anfang 2022 über die Bühne gehen.

Die Frage nach der Bewertung

Der entscheidende Punkt bei dem Vorhaben dürfte die Frage sein, welchen Unternehmenswert mögliche Interessenten der Solarisbank letztlich zubilligen werden. Bei der letzten großen Finanzierungsrunde im Sommer vorigen Jahres war der „Banking as a Service“-Spezialist, dessen Infrastruktur hinter den Endkunden-Angeboten von Fintechs wie Trade Republic, Bitwala, Penta oder Kontist steht, mit etwa 320 Millionen Euro bewertet worden. Seitdem ist das 2016 gelaunchte Banking-Fintech allerdings kräftig weiter gewachsen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr kam die Solarisbank auf Gesamterträge in Höhe von 35 Millionen Euro, wie aus vorläufigen Zahlen hervorgeht – im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 83 Prozent.

Im ersten Quartal 2021 hat sich dieser Trend sogar noch einmal beschleunigt. Anfang des Jahres hatte Solaris mitgeteilt, die Eine-Million-Marke bei den Endkundenkonten überschritten zu haben. Inzwischen dürften noch einmal einige hunderttausend hinzugekommen sein. Denn: Die eigenen Unternehmenskunden wie Penta, Vivid Money oder Bitwala vermeldeten zuletzt starke Kundenzuwächse; Kontist sorgte mit einer Finanzierungsrunde für Aufsehen; und auch Trade Republic profitiert weiterhin vom allgemeinen Aktien-Boom.

Branchenkenner gehen davon aus, dass die Solarisbank pro Konto im Schnitt zwischen 25 bis 50 Euro jährlich erzielt – jedenfalls wenn man abgesehen von den Provisionen auch Zinseinnahmen und mögliche Interchange-Gebühren mit einbezieht. So visiert die Firma bei einem Spac-Deal eine Bewertung von mehr als einer Milliarde Euro an. Ambitioniert – aber nicht illusorisch.

„Es gibt kaum Fintechs, die überhaupt für einen Spac-Merger infrage kommen“

Die Zeit ist günstig. Viele Spacs sind momentan händeringend auf der Suche nach seriösen Investmentzielen: „In letzter Konsequenz gibt es in Europa kaum mehr als 30 Fintechs, die überhaupt für einen Spac-Merger infrage kommen“, sagt ein Insider. Denn bei Payment-Fintechs wie Klarna oder Checkout sind die Bewertungen in den vergangenen 24 Monaten derart durch die Decke geschossen, dass sie die finanziellen Möglichkeiten der allermeisten Spacs schlicht sprengen würden.

Ähnliches gilt für die großen europäischen Neobanken wie Revolut oder auch N26. Auf der anderen Seite wiederum gibt es gerade in Deutschland etliche Fintechs mit Bewertungen im gehobenen zweistelligen oder niedrigen dreistelligen Millionen-Bereich. „Solche Player sind für eine Spac eigentlich noch zu klein“, sagt ein Marktkenner.

Von den Firmen, die realistischerweise in den Zielkorridor einer Spac passen könnten, haben unterdessen einige in den vergangenen Wochen bereits durchblicken lassen, dass ein solcher Deal für sie momentan keine Option sei. Dazu gehören der Berliner Einlagen-Broker Raisin. Oder der Münchener Robo-Advisor Scalable Capital. „Letzten Endes bleiben damit hierzulande kaum noch Kandidaten übrig“, sagt der Branchenexperte. „Und von denen ist die Solarisbank sicherlich der interessanteste Kandidat, weil sie schon eine wahrnehmbare Größe mitbringt, zugleich aber auch weiterhin kräftig wächst.“

Bei der Solarisbank nimmt man solche Einschätzungen natürlich wahr. Gleichwohl gab sich ein Sprecher gestern auf Anfrage zurückhaltend: „Dass unser Geschäftsmodell am Markt überzeugt und Investoren großes Interesse zeigen, freut uns sehr […] Wir halten uns alle Optionen offen und können laufende Gespräche nicht kommentieren.“

Was sagt die Bafin zu den Plänen?

Tatsächlich sollen in den zurückliegenden Wochen verschiedene Spacs bei der Solarisbank und einzelnen ihrer Investoren vorstellig geworden sein. Dieses Interesse hat dazu beigetragen, dass sich die Berliner von ihren ursprünglichen Plänen, einen Börsengang erst 2022 oder 2023 anzustreben, verabschiedet haben und den Prozess zu beschleunigen versuchen.

Doch das Fintech will seine Pläne auch nicht überstürzen. Unklar ist beispielsweise, wie sich die Finanzaufsicht Bafin zu den Plänen verhalten wird. Ein mögliches Problem: Sollte ein neuer Investor im Zuge eines Börsengangs mehr als zehn Prozent des Fintechs übernehmen, würde dies ein Inhaber-Kontrollverfahren erforderlich machen – ein langwieriger Prozess, den die Solarisbank vermutlich lieber umschiffen möchte. Ein mögliches Ausweichszenario könnte Experten zufolge so aussehen, dass nicht die Solarisbank in einer Spac-Hülle aufgeht, sondern die Spac auf die Solarisbank gemergt wird.

Eine weitere offene Frage: An welcher Börse würde sich die Solarisbank sinnvollerweise listen lassen? Der Ruf der Frankfurter Börse hat durch den Wirecard-Skandal und den Rückzug von Rocket Internet merklich gelitten. Zudem heißt es in Finanzkreisen, an ausländischen Börsen wie Amsterdam oder der New Yorker Nasdaq könnten Technologieunternehmen höhere Bewertungen durchsetzen. Doch auch da wäre zu klären: Würde die Bafin mitspielen?

Geld für Übernahmen

Nicht ausgeschlossen ist zudem, dass die Solarisbank im Laufe der kommenden Monate doch noch einmal auf ihren ursprünglichen Zeitplan zurückschwenkt – und vor einem möglichen IPO, noch einmal eine reguläre Finanzierungsrunde einlegt. Tatsächlich ist der reine Kapitalbedarf der Solarisbank verglichen mit Fintechs ähnlicher Größe nicht sehr hoch. Das organische Wachstum ließe sich auch mit einer weiteren Kapitalerhöhung im hohen zweistellig oder niedrigen dreistelligen Millionenbereich finanzieren, sagen Insider.

Mehr Geld würde die Solarisbank dann brauchen, wenn sie darüber Übernahmen in Erwägung zieht. Auch hierfür wäre eine Börsennotiz von Vorteil, weil mögliche M&A-Deals dann nicht mehr nur in Cash, sondern auch in Aktien finanziert werden könnten. Ein weiterer Vorteil eines Börsengangs: Es stünde vermutlich mehr Geld für sogenannte Secondaris zur Verfügung , also für die Übernahme bestehender Anteile von Altinvestoren.