Die Zentrale der Wirecard AG (Bild: Imago/Future Image)

„Absolute Frechheit“ – Gewerkschaft Verdi kritisiert Ende des alten Wirecard-Geschäfts

Rund 500 Mitarbeiter der früheren Wirecard-Standorte will die Großbank Santander entlassen. Dabei soll es den deutschen Betriebsrat der Einheit Pagonxt nicht eingebunden haben. Eine Gewerkschafterin erhebt deswegen schwere Vorwürfe.

Für viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es die zweite große Krise in ihrem Berufsleben. Vier Jahre ist es gerade einmal her, dass die einstige Payment-Hoffnung Wirecard zusammenbrach – und Insolvenz anmelden musste. Die spanische Großbank Santander kaufte 2020 das verbleibende Geschäft, das tatsächlich existierte. Unter dem Namen Pagonxt führte es das Payment-Geschäft mit Standorten in München, dem indischen Chennai und Dubai weiter. 540 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nach eigenen Angaben bei Pagonxt noch beschäftigt.

Doch nun hat die Bank angekündigt, das Geschäft einzustellen – eine böse Überraschung für die Mitarbeiter. Und es regt sich Widerstand, dabei stößt gerade die abrupte Kommunikation auf Unverständnis. „Der Betriebsrat wurde eine halbe Stunde vor der Belegschaft informiert – eine absolute Frechheit“, sagt Stefanie Schulze von der Dienstleistung-Gewerkschaft Verdi. Laut dem Betriebsverfassungsgesetz muss die Firmenführung den Betriebsrat einbinden, wenn es eine „Stilllegung“ des Unternehmens plant.

Möglicher Imageschaden

Laut eines Handelsblatt-Berichts hatte ein Unternehmenssprecher noch vor Tagen gesagt: „Wir haben auch bereits Gespräche mit dem Betriebsrat in Deutschland aufgenommen, um gemeinsam an einem geordneten, sozialverträglichen Übergang für die Mitarbeitenden zu arbeiten.“ Das steht im Widerspruch dazu, wie Verdi-Sekräterin Schulze die Vorgänge beschreibt. „Inwiefern der Betriebsrat gegen diesen Gesetzesverstoß vorgeht, berät er zurzeit“, so Schulze.

Ein Pagonxt-Sprecher wiederholte auf Anfrage indes, dass sehr wohl Gespräche mit dem Betriebsrat in Deutschland aufgenommen worden seien. Dabei habe das Unternehmen „alle arbeitsrechtlichen Vorschriften und Gesetze“ eingehalten, so der Sprecher. Bei einem Vergehen gegen das Betriebsverfassungsgesetz kann ein Bußgeld fällig werden. Entscheidender dürfte allerdings der Imageschaden für die Bank sein.

Kein Verkauf geplant

In den vergangenen Monaten soll im Hintergrund die Beratung Roland Berger an dem Projekt mitgearbeitet haben. Das Ergebnis: Santander will sich künftig auf die Märkte Spanien, Portugal und Südamerika fokussieren. Der umkämpfte Payment-Markt sei ein Grund für die Schließung des Geschäfts, heißt es.

Doch warum suchte Pagonxt nicht nach einem Käufer? „In der Finanzdienstleistung wird andauernd übernommen und fusioniert, es ist sehr unüblich, dass dieser Schritt nicht einmal versucht wurde“, sagt Schulze von Verdi. Aus dem Umfeld der Firma heißt es, die Bank werde die Assets nicht verkaufen. Unklar ist, ob die Bank die Technologie der früheren Wirecard-Firma weiter verwendet. Aus dem Umfeld der Bank heißt es, man wolle die Plattform in Deutschland einstellen.

Im Unternehmen gibt es derweil große Sorgen um das Team. „Für einige Beschäftigte steht womöglich auch der Aufenthaltstitel auf dem Spiel, weil diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem außer-europäischen Ausland kommen“, sagt Schulze von Verdi. Es soll mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in München betreffen.