Fundingzahlen 2022: Der Fintech-Crash und seine Folgen
Neue Zahlen belegen die schlechte Stimmung in der Fintech-Szene: Im letzten Quartal 2022 ist das Fundingvolumen eingebrochen. Und das „schlimmste kommt noch“, prognostizieren Investoren. Wie ist die Lage?
Oliver Samwer gehörte zu den frühen Mahnern – im Frühjahr schrieb er eine eindringliche Nachricht an seine Portfoliofirmen. „Ich möchte euch nicht erschrecken oder entmutigen“, hieß es in einer Mail an seine Gründer. Der Rocket-Internet-Gründer zeichnete darin ein Schreckensszenario, das er mit der Finanzkrise von 2008 verglich.
Doch in Gesprächen mit Fintech-CEOs war die Lage zu dem Zeitpunkt noch entspannt, Sorgen wischten die Unternehmenslenker eher Beiseite. „Uns hat die Krise noch nicht getroffen“, hieß es dann. „Wir müssen keine Mitarbeiter entlassen.“ Schon Wochen später änderte sich die Lage, es folgten Insolvenzen, Downrounds und Entlassungen. „Wir haben eine neue Realität“, sagte Moss-Gründer Ante Spittler, nachdem ein Teil des Teams gehen musste.
Ernüchterung nach Rekordjahr
Die Startups erhielten von Wagniskapitalgebern nach den neuen Zahlen insgesamt 1,8 Milliarden Euro – nur noch ein Drittel der Summe aus dem Vorjahreszeitraum. Die Auswertung wird dabei von weiteren Erhebungen bestätigt: Bis Ende November ist das Gesamtvolumen von Venture Capital in deutsche Startups im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 46 Prozent gesunken, die Zahl der Finanzierungsdeals um 29 Prozent, wie Daten von dem Analysedienst Dealroom zeigen. 2021 kamen demnach hierzulande noch 14 Finanzierungsrunden mit einem Volumen von mehr als 250 Millionen Dollar zustande, in diesem Jahr gerade einmal sechs.
Unter den zehn größten Finanzierungsrunden europäischer Fintechs aus dem letzten Quartal 2022 sind laut der Blackfin-Analyse fünf britische Startups – und kein einziges aus Deutschland. Insgesamt kamen 2022 bislang fast 17 Milliarden Euro zusammen in Europa, im vergangenen Jahr waren es 21,8 Milliarden. Beide Summen liegen allerdings noch weit über den 6,9 Milliarden von 2020.
Die aktuelle Fundingkrise wird einen Effekt haben: Konsolidierung. Das wohl größte deutsche Beispiel dafür ist die Übernahme von Penta durch den französischen Konkurrenzen Qonto. „Ohne Krise hätte es den Penta-Exit nicht gegeben“, sagte Finleap-Gründer Ramin Niroumand im FinanceFWD-Podcast. Der Business-Banking-Anbieter von Finleap hätte auch Angebote für eine Finanzierungsrunde zu einer Bewertung von 350 Millionen Euro auf dem Tisch gehabt. Schlussendlich wurde das Startup dann zu einem Firmenwert von rund 200 Millionen Euro verkauft.
Weitere Beispiele gibt es bereits: Banking-Startup Finom kaufte den britischen Zahlungsdienst Kapaga und Kontist wurde im Sommer für einen „zweistelligen Millionenbetrag“ an das dänische Unternehmen Ageras verkauft. Erst in der vergangenen Woche übernahm die Auskunftei Schufa das Berliner Fintech Bonify. Das sei noch nicht das Ende, prognostiziert der Investor.
2023 wird schwer
Doch der Ausblick ist nicht nur pessimistisch: Von dem Analysedienst Pitchbook heißt es mit Blick auf 2023, Startups in ihrer Anfangsphase könnten weiter ihre Bewertungen steigern und neue Jahreshöchststände erreichen. Doch besonders Startups vor ihrer zweiten, dritten oder vierten Finanzierungsrunde müssen sich auf Abwertungen einstellen, da die betroffenen Startups derzeit am meisten nach Kapital benötigen.
Einige dieser Fintechs dürften derzeit auf Kapitalsuche sein, um auf dem Endkundenmarkt durchstarten zu können. Andere mussten in diesem Jahr bereits aufgeben wie Nuri, Rubarb oder Vantik.
Für viele größere Finanz-Startups wie Trade Republic oder N26, die sich in der guten Zeit noch mit Geld eingedeckt haben, kommt der Moment der Wahrheit noch. Solaris und N26 hatten bereits auf einen Börsengang geschielt. Der nun erst einmal nach hinten verschoben wurde.
Und die Situation dürfte sich noch verschlechtern. Der Frühphasen-Investor Cherry schrieb kürzlich: „Das schlimmste kommt noch.“ Bei den Analysen zu Fundingzahlen handelt es sich zudem um einen nachlaufenden Indikator, weil die darin erwähnten Finanzierungsrunden oftmals deutlich vor der Veröffentlichung geschlossen werden. Das deutet darauf hin, dass sich der Trend im kommenden Quartal noch einmal fortsetzen wird. Es könnte noch weniger Kapital in die Fintech-Startups fließen als Ende 2022.