Ist dieser Fintech-Fonds besser als der MSCI World?
Exklusiv: Ex-Manager von Commerzbank und Deutscher Bank beteiligen sich am jungen Finanz-Startup Finlium. Das hat im wesentlichen einen Investmentfonds aufgelegt – und versteht sich dennoch als Fintech. Zu recht?
Im vergangenen Dezember gelang Florian Mann und seinen drei Mitgründern ein Coup. Ihr Startup Finlium setzte sich bei der Wahl zum „Fintech des Jahres“ des Branchenportals Payment & Banking gegen fast 20 Konkurrenten durch, belegte in der Kategorie „Newcomer“ den zweiten Platz. Das Besondere: Mit dem Geschäft der meisten anderen Finanz-Startups hat Finlium nur wenig gemein. Die Berliner Firma betreibt einen Investmentfonds. Nicht mal eine schicke App bietet sie ihren Kunden.
Die Auszeichnung spielte den Gründern in die Hände – schließlich bewegen sie sich in einer Branche, die nur wenig Spielraum für Innovationen bietet, die geprägt ist von wenigen mächtigen Fondsverwaltern, die große Teile des Geschäfts für sich einnehmen. Und wo deshalb vor allem gutes Marketing und Vertriebswege darüber entscheiden, ob sich junge Anbieter im Markt behaupten oder nicht.
Das Fintech-Label ist für Finlium also von hohem Nutzen, auch wenn Mitgründer Florian Mann darin keinen Etikettenschwindel sehen will. Das Finanz-Startup lege viel Wert auf eine enge Kommunikation mit Anlegern, agiere nach den Prinzipien vieler Fintechs. „Wir haben ähnliche Zielgruppen und sprechen sie auch ähnlich an“, sagt Mann. Für sein Fondsprodukt wirbt das Unternehmen auf Instagram mit knalligen Schaubildern oder verhüllt in einem KI-generierten Werbeclip die Hamburger Elbphilharmonie.
Konservatives Fondsprodukt
Viel Getöse um ein schwieriges Anliegen. Finlium möchte Menschen zum Vermögensaufbau motivieren, die Investments in Aktien bisher gemieden haben, etwa aus Sorge vor Verlusten. Obwohl die Märkte unterm Strich seit Jahrzehnten steigen, seien über 80 Prozent der Deutschen noch immer nicht an der Börse investiert, klagt Mann. „Lieber verzichten die Menschen auf Rendite, statt ihre wenigen Ersparnisse vermeintlich zu verzocken.“
Ihnen bietet das Startup deshalb ein konservatives Anlageprodukt – einen sogenannten Stable-Return-Fonds. Im Vordergrund steht neben dem Versprechen stabiler Wertzuwächse der Erhalt der Depotbestände in Krisenzeiten. Hierfür handelt der Fonds mit Aktienoptionen, etwa auf Indizes wie den Dax. Optionen geben einem Käufer das Recht, eine einzelne Aktie oder eben einen gesamten Index je nach Marktlage zu einem vorher festgelegten Preis zu kaufen oder zu verkaufen. Beim Finlium-Fonds werden die Optionen per Algorithmus so gehandelt, dass sie bestenfalls auch bei fallenden Märkten eine Rendite erzielen. So will sich das Finanz-Startup gegen Verluste absichern. Außerdem legt Finlium einen Teil der Kundeneinlagen in festverzinsten Anleihen an.
Gegenüber Anlegerinnen und Anlegern wirbt Finlium mit rund acht Prozent Rendite pro Jahr. Ähnlich viel also, wie ein ETF auf den Welt-Index MSCI World seit 1975 durchschnittlich abgeworfen hätte. Der Finlium-Fonds soll bei Krisenereignissen jedoch deutlich weniger stark ins Minus rutschen, um höchstens 15 Prozent. Zum Vergleich: Beim MSCI World mussten Anleger schon mal Rücksetzer von bis zu 60 Prozent verkraften. Mutige Versprechen, die Finlium zumindest im ersten Jahr schon einmal einlösen konnte. Der Fonds erzielte 2023 eine Rendite von durchschnittlich 8,5 Prozent, bei zwischenzeitlichen Rücksetzern von höchstens einem Prozent.
„Nagelprobe steht Finlium noch bevor“
Um einen neuen Fonds zu starten, seien die letzten anderthalb Jahre jedoch ideal gewesen, ordnet der Finanzmarktexperte Christian Röhl ein, „bei den Kursen ging es fast überall nur bergauf“. Ob Finlium seine Versprechen auch bei einem großen Krisenereignis wie beispielsweise Corona halten kann, müsse sich hingegen erst noch zeigen. Und: Für Finlium könnten die risikoaversen Anleger dabei zum zusätzlichen Risiko werden: Sie zögen ihr Geld häufig am schnellsten aus den Fonds ab. „Die Nagelprobe steht Finlium also noch bevor“, mahnt der Finanzexperte.
Dass die Gründer sich auf Dauer im Markt behaupten können, müssen sie ebenfalls noch beweisen. Florian Mann hat das Startup erst 2022 mit seinem Bruder Carsten gestartet, als weitere Mitgründer sind Adrian Fabarius und Jan Liero involviert. Über tiefe Branchen- oder Gründererfahrung verfügen die vier nicht. Sie haben zuvor bei Beratungen und Großkonzernen gearbeitet, etwa bei Airbus oder McKinsey. Ihr Finanz-Knowhow geht vor allem auf ein gemeinsames Wirtschaftsstudium an der TU Berlin zurück. Dort sei im Rahmen einer Doktorarbeit auch das Fondskonzept entstanden, erzählt Mann.
Aus technischer Sicht sei das Konzept wenig innovativ, hält Experte Röhl dagegen – das Marketing hingegen schon. „Einen Investmentfonds als Fintech zu branden, das ist schon eine respektable Narrativbildung.“ In der Branche ist daher durchaus Erstaunen über das Auftreten der Finlium-Gründer zu registrieren.
Hohe Zuflüsse nach Gebührenaktion
Nach eigenen Angaben verwaltet Finlium inzwischen rund 17 Millionen Euro von gut 2.000 Kunden. Im Markt konkurriert das Finanz-Startup beispielsweise mit Lupus Alpha oder dem Defensive Opportunities Fonds vom Hamburger Fondshaus Laiqon. Beide verwalten mit rund 14 Milliarden Euro beziehungsweise 5,7 Milliarden Euro ein Vielfaches an Kundeneinlagen.
Das Fondswachstum scheint bei Finlium jedoch intakt. Zu Jahresbeginn habe es hohe Zuflüsse gegeben, betont Mann. In den ersten Januarwochen hätten Anleger sieben Millionen Euro investiert, fast die Hälfte der seit Fondsstart Ende 2022 eingesammelten Beträge insgesamt. „Dass es jetzt so schnell wächst, hat uns selbst überrascht“, so Mann.
Das Interesse führt er unter anderem auf ein spezielles Neukundenangebot zurück. Wer bis Ende Januar in den Fonds einzahlte, bekam von dem Startup die 15-prozentige Gebühr auf jährliche Fondsgewinne erlassen – und zwar zeitlich unbegrenzt. Ansonsten erhebt Finlium noch eine Verwaltungsgebühr (TER) in Höhe von jährlich 0,95 Prozent auf Fondsvermögen. Das ist zwar deutlich mehr, als viele ETFs kosten; dafür verzichtet das Startup auf einen in der Branche üblichen Ausgabeaufschlag. Ob die Zuflüsse auch nach Ablauf der Aktion weiter so stark steigen werden, muss sich zeigen.
Investoren hoffen auf Dividenden
Geht es nach Mitgründer Florian Mann, gibt es für sein Angebot jedenfalls noch viel Potenzial. Er schätzt, dass das Fondsvolumen in den nächsten Jahren durchaus hohe dreistellige Millionenbeträge erreichen kann. Langfristig strebe das Unternehmen sogar die Milliardenmarke an, sagt Mann. Für den Erfolg der Firma ist dies auch nötig, damit es sich um ein lukratives Geschäft handelt.
Ein Szenario, das für Investoren immerhin vorstellbar scheint. So hat sich kürzlich die frühere Commerzbank-Managerin Katrin Stark an Finlium beteiligt, ebenso Adrian Hurler, der im Top-Management der Deutschen Bank gearbeitet hat. Dazu sind die langjährigen Bankmanager Michael Bonacker (Commerzbank, UBS) und Geng Jen Wu (Citibank) bei dem Finanz-Startup eingestiegen. Ihr Investment beläuft sich auf insgesamt rund eine halbe Million Euro.
Für einen Fondsverwalter ist eine solche Finanzspritze ebenfalls ungewöhnlich. Dahinter steht Florian Mann zufolge jedoch ein klarer Plan: Von den Geldgebern erhoffe man sich unter anderem Hilfe beim weiteren Vertrieb. Zudem soll bis Jahresende das Team vergrößert werden – von aktuell sieben auf dann mehr als zehn Mitarbeitende. Die Investoren von Finlium könnten langfristig ebenfalls profitieren, wenn auch nicht unbedingt durch einen Exit wie bei anderen Fintechs üblich. „Es könnte ein spannender Dividenden-Case werden“, wie der Gründer es ausdrückt. Will heißen: Die Investoren werden an künftigen Fondsgewinnen beteiligt.