Wie der Neobroker Bux mit Gratisaktien durchstartet
Bux wirbt für seine Trading-App mit einer ausgefuchsten Werbeaktion: Jeder neue Nutzer erhält eine zufällig ausgewählte Aktie geschenkt – bis zu einem Wert von 200 Euro. Ein Trick, mit dem das Startup günstig Kunden gewinnt.
Für ein Gratisprodukt tun Menschen Vieles. Wenn sie sich zum Beispiel entscheiden müssen, ob sie einen Amazon-Gutschein im Wert von zehn Dollar geschenkt bekommen oder aber für sieben Dollar einen 20-Dollar-Gutschein kaufen, wählen sie oft die Gratisvariante. Zu dem Schluss kam unter anderem der Verhaltensökonom Dan Ariely. Menschen nehmen eher die Schokolade, die sie nicht so gerne mögen oder stellen sich in einer langen Schlange an, um eine Kugel Eis umsonst zu bekommen. Alles, weil sie nichts bezahlen müssen.
Wer steht hinter Bux Zero?
Schon seit einigen Jahren ist das 2014 in den Niederlanden gegründete Unternehmen Bux mit einer Trading-App auch in Deutschland aktiv. Die richtig steile Wachstumskurve blieb allerdings erst einmal aus, eine Statistik des Schätzungstool Priori Data zeigt, auch wenn sich die Downloadzahlen gut entwickelten. Anfang des Jahres drängte das Fintech, das unter anderem vom prominenten deutschen Wagniskapitalgeber Holtzbrinck Ventures finanziert wird und in sieben Runden bisher rund 35 Millionen US-Dollar eingesammelt hat, dann mit einem neuen Produkt in den Markt. Mit Bux Zero kann man ohne hohe Gebühren Aktien handeln. Für einen Trade zahlen die Nutzer einen Euro, wenn er sofort ausgeführt werden soll. Bux tritt damit in Konkurrenz zu den neuen sogenannten Neobrokern wie Trade Republic oder Scalable Capital (kürzlich war Gründer Erik Podzuweit im OMR-Podcast zu Gast).
Während es zu den anderen Playern viele Schlagzeilen gab, ging eine Nachricht zu Bux fast unter: Zwei Monate nach dem offiziellen Deutschlandstart vermeldete das Startup 100.000 deutsche Kunden für seine verschiedenen Apps. Die Marketing-Aktion trieb das Kundenwachstum massiv. Zwei Drittel der neuen Kunden seien direkt (organisch) oder über das Empfehlungsprogramm gekommen, sagt Bux-Gründer Nick Bortot im Gespräch mit Finance Forward und OMR. Der Rest kam über bezahlte Werbung.
Mittels FOMO und Gratisaktien zu vielen Downloads
Vor allem der Spielinstinkt in Kombination mit der Angst, etwas zu verpassen (FOMO: Fear of missing out), dürfte viele für die Werbeaktion begeistert haben. Zwischenzeitlich warb Bux auch damit, Apple-Aktien mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu 20 zu verschenken – noch vor dem Aktiensplit, als eine Aktie noch über 400 Euro kostete.
Entsprechende Deals lassen sich noch heute auf Portalen wie Mydealz und Dealdoktor finden; inklusive Tausenden Kommentaren, in denen Nutzer darum bitten, geworben zu werden. Eine gezielte Promo-Aktion sei das Einstellen auf solchen Deal-Plattformen laut Gründer Bortot aber nicht gewesen. Im Gegenteil: Bux hätte sogar darum gebeten, die Angebote zu entfernen; man sei nicht auf diese Zielgruppe aus.
Tatsächlich liege der Wert der Gratisaktien im Schnitt zwischen fünf und zehn Euro, sagt Bortot. In Deutschland wähle das Startup Wertpapiere aus dem eigenen Land sowie US-Aktien aus; an beispielsweise französischen Unternehmen hätten die Nutzer kein Interesse. Mit einem für Testzwecke erstellen Account bekamen wir eine Aktie des Kamera-Herstellers Gopro geschenkt – dessen aktueller Kurs liegt bei 3,36 Euro.
Was kostet Bux ein neuer Kunde?
Durchschnittlich ist eine Gratisaktie also 7,50 Euro wert. Da sowohl der neue Kunde also auch der Werbende jeweils ein Wertpapier erhalten, belaufen sich die Customer Acquisition Costs (CAC) auf 15 Euro. Durch Word-of-Mouth-Marketing, das sich recht schnell automatisch durch ein solches Referral-System einstellt, dürfte das Fintech die Marketingausgaben, die es sonst in bezahlter Werbung auf Plattformen wie Facebook oder Instagram stecken müsste, einsparen.
Konkurrent Trade Republic wirbt derzeit mit einer ähnlichen Aktion. Für eine erfolgreiche Empfehlung erhalten Neukunde und Werbender jeweils 15 Euro. Damit zahlt das Unternehmen doppelt so viel für einen neuen Nutzer wie Bux. Und obwohl das für Kunden im Großteil aller Fälle der bessere, weil lukrativere Deal sein wird, dürfte die Aufmerksamkeit, die Bux durch das spielerische Element der Gratisaktie generiert, deutlich größer sein.
Interne Unterlagen eines Neobrokers von Anfang des Jahres zeigen, dass die Marketingkosten pro Kunde teilweise bei bis zu 88 Euro lagen. Damals gab es allerdings noch keinen so starken Run auf die Startups. Dieser Trend hat sich vor allem seit Beginn der Coronakrise verstärkt: Millionen neue Trader wollen von den Aufs und Abs an den Börsen profitieren. In den USA steht die App Robinhood stellvertretend für diese Entwicklung.
Bei dem bekannten US-Startup dürfte sich Bux auch für die Werbeaktion mit den Gratisaktien inspiriert haben lassen. Eine ähnliche Kampagne galt für das Fintech aus dem Silicon Valley als großer Wachstumstreiber. Gleichzeitig ist sie aber auch ein Grund für Kritik, denn sie gehört zu einer Reihe von spielerischen Elementen in der App. Bei abgeschlossenen Trades regnet es etwa Konfetti, auch sonst erinnert viel an ein Videospiel.
Die Zielgruppe von Neobrokern
„Konfetti ist vielleicht ein bisschen zu viel“, sagt Nick Bortot – ansonsten versuche aber auch Bux eine App zu entwickeln, die gerne verwendet wird. „Wir wollen den Nutzern zeigen, dass Investieren Spaß machen kann.“ Im Gegensatz zu Robinhood hat es das niederländische Unternehmen allerdings nicht auf Zocker abgesehen, es gibt zum Beispiel keinen Optionshandel. Das sei so, als würde man jemandem „Dynamit“ geben, sagt Bortot. Bux wolle Neuinvestoren „an die Hand nehmen“. Für Einsteiger versuche das Unternehmen, die Auswahl der Produkte klein zu halten. Und sein Unternehmen ziele eher auf langfristige Investoren ab. In verschiedenen Erklärstücken will Bux junge Nutzer an den Aktienhandel heranführen.
Da es sich bei Bux-Nutzern um Anfänger handle, seien Anlagebeträge auch niedriger als bei klassischen Brokern. Wie groß der Abstand ist, will Bortot aber nicht verraten. Im Schnitt dürften Nutzer unter 1.000 Euro eingesetzt haben – es wird damit auch dauern, bis ein Kunde Gewinn für Bux abwirft. Nicht wenige Nutzer werden das Konto mit ihrer geschenkten Aktie nicht weiter verwenden; vor allem Schnäppchenjänger dürften es häufig nur auf das eine Gratispapier abgesehen haben. Der Bux-Gründer nennt keine konkreten Zahlen, aber sagt: „Wir sind keine karitative Organisation“, die Werbeaktion lohne sich – und sei auch nicht nur dazu da, die Zahlen auf dem Papier künstlich nach oben zu treiben, wie es viele Fintechs machen würden.
Es läuft für das Unternehmen wohl so gut, dass Bux überlegt, ein Büro in Deutschland zu eröffnen. Bislang gibt es 2,5 Millionen Nutzer in neun Ländern und das Fintech will sich weiter ausbreiten. Ob es für die kostspielige Expansion weitere Investorengelder aufnehmen will, verrät Bortot nicht. Der Zeitpunkt wäre günstig: Das Interesse am Aktienhandel ist gestiegen – und das große US-Vorbild Robinhood hat kürzlich zwar noch einmal viele Millionen zu einer Bewertung von elf Milliarden US-Dollar eingesammelt, die geplante Expansion nach Europa ist aber vorerst gestoppt.