Wie Banken und Fintechs heute KI schon einsetzen – und wo sie noch zögern
Die Sparkassen arbeiten an einem neuen Chatbot, die Deutsche Bank setzt KI für ihre vermögenden Kundinnen und Kunden ein, C24 macht Kreditanalysen: Die wichtigen deutschen Kreditinstitute hantieren jetzt mit Künstlicher Intelligenz. Doch echte KI sei das häufig gar nicht, kritisiert ein Experte.
Die Bankwelt kennt momentan gefühlt nur noch zwei Stichworte: Zinswende – und Künstliche Intelligenz. In firmeneigenen Blogs und Interviews erzählen Banker und Fintech-Gründer reihenweise, welche großen Veränderungen KI mit sich bringen werde. So schreibt die Direktbank ING in einem länglichen Artikel beispielsweise darüber, „wie Künstliche Intelligenz das Banking von morgen beeinflusst“. Markus Chromik, Risikovorstand der Commerzbank, publizierte ebenfalls im Juli etwas zu dem Thema. Sogar die Finanzaufsicht Bafin hat sich im Mai diesen Jahres in einem Fachartikel mit der Technologie auseinandergesetzt, Titel: „Wenn ein Algorithmus über den Kredit entscheidet“. Und die Sparkassen fassten es auf ihrer Webseite im Juli so zusammen: „Künstliche Intelligenz ist das Technologiethema des Jahres.“
All das klingt so, als würde Künstliche Intelligenz das Banking schon heute auf den Kopf stellen. Dabei sagt keiner so richtig, wann es losgeht – und auch beim Wie sind sich die Banken und Fintechs offenbar längst nicht einig. Finance Forward hat bei einem Dutzend der wichtigsten Institute nachgehorcht, wo Künstliche Intelligenz im Privatkundengeschäft heute schon eingesetzt wird.
Von der Kreditprüfung bis zum Kundendialog
Der Einsatz von KI ist vielseitig, wie die Umfrage zeigt. So setzt die Deutsche Bank Künstliche Intelligenz schon heute beim Einlesen von unstrukturierten Daten wie auch bei der Portfolioanalyse von vermögenden Kunden ein, heißt es von einem Sprecher.
Bei Fintechs wie N26 stehen andere Anwendungsfälle im Vordergrund. So teilt die Neobank mit, dass neben der Banksicherheit auch Teams damit bei der täglichen Arbeit unterstützt werden, um beispielsweise Kreditrisiken zu modellieren. Die Neobank C24 will mit KI unter anderem die Scorecard bei Krediten (damit wird die Ausfallwahrscheinlichkeit ermittelt) verfeinern und Transaktionen kategorisieren.
Bei der Direktbank DKB nutzen sie die Technologie neben der Kreditbewertung auch beim Risikomanagement, bei der ING zudem zur „Erkennung von Vertriebspotenzial“ oder bei der „maschinellen Dokumentenerkennung“. Und die Commerzbank erwähnt neben anderen Fällen unter anderem Prozessoptimierung wie auch Empfehlungen im Bereich Marketing.
Auch die großen Verbünde der Volksbanken und Sparkassen haben sich dem Thema angenommen. „Genossenschaftsbanken setzen KI bereits in Anwendungsfällen in allen Bereichen der Bank ein. Im Vertrieb unter anderem für die Personalisierung und Vertriebsanalysen“, schreibt eine Sprecherin. Bei der Sparkassen-Organisation DSGV heißt es, man setze auf KI bei der Fotoüberweisung und entwickle gerade eine Kundendialogplattform.
„Über KI zu reden, macht immer den Anschein, dass man sehr modern sei“
An Experimenten und Pilotprojekten mangelt es in der deutschen Bankenbranche also nicht. Nur ist das alles wirklich KI? Dass es eine gewisse Bandbreite bei der Definition, was denn nun unter Künstlicher Intelligenz alles zu verstehen ist, gibt, das zeigt sich auch in den Antworten der Institute.
Während einige KI zumeist als Maschinelles Lernen bezeichnen, sprechen andere bereits von Deep Learning und wieder andere fassen regelbasierte Algorithmen oder Regressionsmodelle darunter, mit denen Banken schon recht lange arbeiten. Waldemar Faltenberg, Berater bei der Softwareschmiede Provenir, die sich auf KI-Tools spezialisiert hat, zweifelt daran, dass KI heute schon großflächig zum Einsatz kommt. Vor seiner Beratertätigkeit hat er jahrelang bei Genossenschaftsbanken gearbeitet. „Wo mit Künstlicher Intelligenz geworben wurde oder wo sie angeblich zum Einsatz kam, handelte es sich selten um richtige KI, meistens ging es um eine intelligente Exceltabelle oder einen Algorithmus. Nun rückt das Thema noch einmal stärker in den strategischen Fokus, der Hype um generative KI trägt dazu bei.“
Faltenberg sieht die Skepsis auch bei Marktteilnehmern. Erst vergangene Woche habe ihm ein Berater gesagt, das Thema KI werde heißer gegessen als es ist. „Über KI zu reden, macht immer den Anschein, dass man sehr modern sei. Eingesetzt wird Künstliche Intelligenz aber bei Kunden eher rudimentär, dafür derzeit eher im Backend“, sagt Faltenberg.
Chatbots sind verbreitet – sollen den Berater aber nicht ersetzen
Ähnliche Töne hört man aus dem Markt. Die DKB, bei der KI zwar unterstützend bei der Bearbeitung von Kundenanfragen eingesetzt wird, schreibt dennoch: „Das Thema KI-Technologie spielt primär eine Rolle im Backend.“ Ähnlich klingt das bei bei C24, der Bank des Vergleichsportals Check24. Dort nutzen sie sie eigenen Angaben zufolge ein KI-Modell um Anfragen der Kunden „zu priorisieren“ und auch das Transaktionsmonitoring soll mit einer KI arbeiten.
Andere Häuser sind experimentierfreudiger, wenn es um den Kontakt mit tatsächlichen und potenziellen Kunden geht. Bei der Deutschen Bank erproben sie beispielsweise KI-Chatbots für „interne und externe Anwendungsfälle“. Und aus dem Sparkassenlager heißt es, dass man „intensiv an einer Kundendialogplattform“ arbeite, „die Kundenanfragen mittels generativer KI versteht und besser beantworten kann“. Das Ziel sei ein Chatbot, der wesentlich „leistungsfähiger“ sei als bisherige Produkte, so ein Sprecher des DSGV.
Bei den niederländischen Kollegen der ING soll KI den Chatbot auf der Seite unterstützen. Doch die Bank mit dem orangenen Logo schreibt auch ganz deutlich: „Unsere Kundenkommunikation findet ohne die Hilfe künstlicher Intelligenz statt.“
Bei einigen Banken und Fintechs treiben sie das Thema noch energischer voran. Die Commerzbank setzt eigenen Angaben zufolge bereits Talk- und Chatbots auf Basis von KI ein, ebenso das Fintech Tomorrow, das KI im Rahmen eines Chatbots einsetzt. Bei N26 ist der KI-basierte Chatbot „Neon“ bereits im Einsatz und „wickelt mehrere Millionen Kundeninteraktionen pro Jahr in fünf Sprachen ab“, heißt es von der Neobank. Das wirke sich auch positiv auf die Qualität des Kundenservice aus.
Auffällig zurückhaltend bei der Werbung
Was ebenfalls auffällt: Während das Thema in Interviews und auf Firmenblogs in den Vordergrund rückt, werben die Unternehmen bislang gegenüber ihren Kundinnen und Kunden eher verhalten mit ihren KI-Gehversuchen. Die Commerzbank, die Deutsche Bank, die DKB, Tomorrow und Check24 haben auf die Frage nach Werbung geantwortet, dass diese nicht stattfinden würde. Im Gegenteil: Einige betonen sogar, dass es beim Thema KI meist darum gehe, die Kunden aufzuklären, dass hier gerade ein Algorithmus am Werk sei. So heißt es von der Commerzbank beispielsweise: „Uns ist es wichtig, die Chancen und Risiken von KI transparent zu machen.“ Und N26 schreibt, man stelle maschinelles Lernen nicht in den Mittelpunkt. „Wir erwähnen allerdings in verschiedenen Zusammenhängen, etwa in Bezug auf unsere Sicherungssysteme, transparent, dass N26 von maschinellem Lernen Gebrauch macht. Auch werden Kund:innen, die mit unserem Chatbot Neon sprechen, transparent darüber informiert, dass sie mit einer künstlichen Intelligenz interagieren.“
Nur die Sparkassen werben mit Künstlicher Intelligenz, zum Beispiel im sozialen Netzwerk Instagram. Dort hält ein kleines Maschinenmännchen einen digitalen Finanzplaner in die Höhe: „Eine KI, die sich um deine Finanzen kümmert“, heißt es da. Wie viel Künstliche Intelligenz tatsächlich im Finanzplaner steckt, ist dabei fraglich. Es handelt sich um ein Tool, mit dem man verschiedene Konten in einem Portal analyiseren kann – nach dem Prinzip der Multibanking-Apps. Darauf angesprochen heißt es vom DSGV: „Tatsächlich steht der Begriff für uns gar nicht im Fokus: Wir bewerben den Finanzplaner derzeit in verschiedenen Werbemitteln und auf unseren Webseiten. Dabei verwendet nur ein einziges Werbemittel den Begriff ‘KI’”, schreibt ein Sprecher. Dieses Werbemittel sei mit „äußerst begrenztem“ Budget eingesetzt worden.