„Die Zahlen sind nicht total explodiert“ – die Schwierigkeiten des Zeitgold-Geschäftsmodells
Das Buchhaltungs-Startup Zeitgold bekam gerade 27 Millionen Euro, auch die Deutsche Bank legte nach. Unternehmensinsider berichten indes, wie schwierig der Vertrieb an kleine Restaurants und Cafés sei. Das Startup muss nun gleich mehrere Herausforderungen bewältigen.
Schon am ersten Tag, als sie 2015 mit Zeitgold starteten, waren die Erwartungen an Stefan Jeschonnek und Jan Deepen hoch. Immerhin hatten sie zuvor das Payment-Startup Sumup mit aufgebaut, einer der größten deutschen Fintech-Erfolge. Sie stiegen aus, um etwas Neues zu gründen. Nach einem Praktikum in einem kleinen Kaffeeladen soll ihnen die Idee für Zeitgold gekommen sein. Mit ihrer Software wollten sie dem Eigentümer künftig viel Papierkram abnehmen, die Rechnungen abholen und per App die Buchhaltung organisieren.
Und auch bei Zeitgold glaubten die Wagniskapitalgeber wieder an die Geschäftsidee. Kurz nach dem Start investierte der US-Investor Battery, im vergangenen Jahr beteiligte sich die Deutsche Bank und die Versicherung Axa. Nun sammelte das Startup noch einmal 27 Millionen Euro von Investoren ein.
Was nach außen nach einer erfolgreichen Wachstumsstory aussieht, ist im Hintergrund kompliziert. Finance Forward hat mit Unternehmensinsidern über den schwierigen Vertrieb und die Investorensuche gesprochen.
Zum Start fokussierte sich Zeitgold auf Restaurants und Cafés. Jeschonnek und Deepen kennen die Kundengruppe gut, schließlich richtet sich Sumup mit seinen kleinen Terminals für Kartenzahlungen ebenfalls an die Gastro-Branche. Die Gründer hätten zum Start den Vertrieb trotzdem unterschätzt, sagt jemand, der das Unternehmen gut kennt. „Die Zahlen sind nicht total explodiert.“ Während es Sumup schafft, über Partner oder Online-Werbung zu wachsen, läuft bei Zeitgold noch viel über Telefonvertrieb. Wer das Produkt nutzen will, muss auch ein Beratungsgespräch durchlaufen – rein online lässt sich das Produkt nicht buchen.
Marketingkosten von 300 bis 400 Euro pro Kunde
Insgesamt soll es Zeitgold 300 bis 400 Euro an Marketingausgaben kosten, um einen Kunden zu gewinnen, heißt es von einem Insider. Nach etwa einem Jahr gelingt es dem Fintech das Geld wieder einzuspielen, dann ist der Kunde profitabel – ein üblicher Wert für ein Tech-Startup. Zeitgold will sich auf Nachfrage nicht zu Zahlen äußern.
In der Coronakrise steht Zeitgold allerdings nun vor Herausforderungen, seine Kunden zu halten. Einige werden in die Insolvenz rutschen, andere den Buchhaltungs-Service kündigen, um Kosten zu sparen. „Welche Auswirkungen die Pandemie auf unser Wachstum in diesem Jahr haben wird, können wir noch nicht genau vorhersagen“, sagte der CEO Stefan Jeschonnek zum Online-Magazin T3N. „Wir rechnen aber weiterhin mit einer guten Entwicklung.“
Zeitgold versucht derweil, seinen Vertriebsfokus zu erweitern und spricht seit einiger Zeit auch Salons, Handwerksbetrieben und Agenturen an. Steuerberater können die Software der Firma ebenfalls verwenden. Das Buchhaltungs-Startup muss nun beweisen, dass es auch in anderen Branchen Fuß fassen kann. Viele der Wirtschaftszweige sind aktuell von der Krise betroffen.
Warten auf den großen Ritterschlag
Mit dem Geld aus der neuen Finanzierungsrunde will Zeitgold die Künstliche Intelligenz der Software verbessern und die App weiterentwickeln, heißt es. Als neuer Investor beteiligt sich der israelische Fonds Vintage, der einen guten Ruf hat. „Die arbeiten sehr zahlengetrieben“, sagt ein Branchenkenner.
Doch eigentlich wollte Zeitgold für den nächsten Wachstumsschritt einen US-Investor aus der ersten Liga bekommen, heißt es aus dem Unternehmensumfeld. Dazu zählen zum Beispiel Sequoia oder Index. Das gelang offenbar nicht. Haben sie die Wachstumszahlen von Zeitgold nicht überzeugt? Das Startup will auch dazu nichts sagen.
Die Bewertung dürfte bei um die 100 Millionen Euro liegen, bei der Kapitalerhöhung Anfang 2019 belief sie sich auf etwa 60 Millionen Euro. Auf den großen Ritterschlag muss Zeitgold also nun noch warten. Die Gründer werden es wahrscheinlich in ungefähr einem Jahr noch einmal versuchen, sagt der Unternehmenskenner.