Worldcoin: Kryptoprojekt von Sam Altman startet in Deutschland
Sam Altman ist nicht nur der Mann hinter OpenAI, dem derzeit wichtigsten KI-Unternehmen der Welt – er ist auch der Gründer von Worldcoin, einem Krypto-Startup, das Menschen mit Iris-Scans identifizieren will. Nach einem 100-Millionen-Investment startet es nun in Deutschland. Wie kommt das Konzept an? Ein Besuch im Berliner Einkaufszentrum Alexa.
Zwischen Büchern und Kosmetik geht der kleine Stand fast unter. Dabei soll hier im Berliner Einkaufszentrum Alexa die große Geschichte eines noch jungen Unternehmens beginnen. „Kennt ihr ChatGPT?“, fragt der Mitarbeiter am Stand. Hinter ihm sind zwei wundersamen Kugeln aufgebaut. Und ein Schild mit der Aufschrift „The global economy belongs to everyone.“ Ganz in der Ecke steht der Firmenname: „Worldcoin“. Eine Gruppe von fünf Jungs drängelt sich vor dem Stand.
Die beiden Kugeln sind das Werk von Sam Altman. Der Gründer, der mit OpenAI das derzeit angesagteste Startup der Welt leitet, hat einen globalen Hype um Künstliche Intelligenz und das System ChatGPT ausgelöst. Doch parallel arbeitet er zusammen mit dem deutschen Gründer Alex Blania an einem weiteren Projekt, das Worldcoin heißt.
Auch bei dem Krypto-Startup verfolgt Altman einen großen Plan: Die Firma soll das Identitätsproblem im Internet lösen. Nutzer sollen damit nachweisen können, dass sie ein Mensch sind – ohne einen Namen angeben zu müssen. Eine Milliarde Menschen plant das Startup in den kommenden zwei Jahren zu erreichen. Erst vor wenigen Wochen hat die globale Investorenelite, darunter Andreessen Horowitz, insgesamt 100 Millionen Dollar in das Startup investiert.
Zwei Millionen Menschen haben sich identifiziert
Doch der Weg, um das Unternehmensziel zu erreichen, ist durchaus umstritten. Oft fällt das Wort „dystopisch“, wenn von Worldcoin die Rede ist. Denn mit den selbstentwickelten Kugeln, sogenannten Orbs, scannt das Unternehmen die Iris der Menschen. Die Aufnahme soll noch genauer als bei einem Fingerabdruck sein, auf diesem Weg soll sich die eindeutige Identität eines Menschen feststellen lassen. Die Daten dafür sind auf der Blockchain hinterlegt.
Die ersten Jungen halten ihr Gesicht vor die Kugel – als Belohnung gibt es bislang jede Woche einen „Worldcoin“ in die App. Der Kurs der Währung ist noch unklar. Laut App haben sich knapp zwei Million Menschen identifiziert, gestartet ist das Unternehmen mit seiner Wallet etwa in acht afrikanischen Ländern. Nun ist das Startup auch nach Deutschland und Polen expandiert. Es gibt sogar ein Büro in Erlangen.
Einen Ansturm wird es wohl in Berlin nicht geben, denn bislang sind die Funktionen von Worldcoin noch beschränkt. In der App kann man Kryptowährungen kaufen und verkaufen, außerdem seine Worldcoin sammeln. Bei dem Identifizierungsservice Okta ist das Unternehmen bereits integriert. „Gerade in Netzwerken mit vielen Bots wie Twitter könnte Worldcoin dazu führen, dass man sich als echter Mensch ausweisen kann“, sagt Kryptoinvestor Julius Nagel, der den Podcast „Alles Coin Nichts Muss“ moderiert. „Dabei muss man seinen Namen nicht nennen.“ Durch die Blockchain-Speicherung sei man nicht auf ein bestimmtes Unternehmen angewiesen. Viele Details sind derweil noch unklar. Ein Whitepaper, das die Funktionsweise erklärt, gibt es bislang nicht.
Das Startup versucht Bedenken zu zerstreuen
Fraglich ist vor dem Hintergrund, ob sich die Menschen in Massen davon überzeugen lassen, ihre Iris scannen zu lassen. „Beim Smartphone hatten viele Menschen auch erst Bedenken, ihren Fingerabdruck zu verwenden“, sagt Nagel. Mittlerweile ist es üblich, sein Handy mit dem Gesicht oder Finger zu entsperren. „Ich würde Worldcoin zurzeit trotzdem nicht nutzen, es bleibt ein mulmiges Gefühl.“
Das Startup versucht die Bedenken zu zerstreuen. Laut Unternehmensunterlagen werde das Iris-Foto mit „komplexen Algorithmen“ in eine numerische Darstellung umgewandelt, die das Unternehmen speichere und zum Abgleich der Identität verwende – den Iris-Code nennt das Unternehmen „Ableitung“. Weiter heißt es: „Es ist nicht möglich, die Ableitungen vollständig in das Originalbild umzuwandeln.“ Die Bilder selbst würden nur lokal in der Kugel gespeichert. Es gibt allerdings auch eine weitere Einstellung. Wer einer „Datenverwahrung“ zustimmt, erlaubt dem Unternehmen, die Fotos zu verwenden, „um unseren Algorithmus zu verbessern“. Dieser Unterschied dürfte vielen Menschen nicht bewusst sein.
Die Gruppe Jugendlicher im Alexa macht sich darüber offenbar nicht viele Gedanken. Einer fragt ungeduldig: „Wie bekomme ich die Kryptowährung?“