Wirecard plante mit Banklizenz in den USA
Exklusiv: Neue Details im Wirecard-Skandal: Der Payment-Konzern stand kurz davor, eine Banklizenz in den USA zu beantragen. Dafür fehlte nur ein testierter Jahresabschluss.
In Aschheim beginnt ein Schlussspurt. In den vergangenen Tagen haben Interessenten für Teile des Wirecard-Konzerns erste Gebote abgegeben, darunter sollen sich der Finanzinvestor Apollo und das italienische Payment-Unternehmen Sia befinden, heißt es aus dem Unternehmen. Die einstige Dax-Hoffnung Wirecard steht im Zentrum eines Bilanzskandals und musste Insolvenz anmelden.
Im Bundesstaat Utah gab es dafür bereits das Tochterunternehmen WDB US Inc., der Name der Gesellschaft ist in öffentlichen Unterlagen zu finden. Für den Lizenzantrag habe nur noch der testierte Jahresabschluss gefehlt, eine Pressemitteilung sei vorbereitet gewesen, heißt es.
Doch genau dieses Testat verweigerte EY am 18. Juni wegen fehlender Nachweise über Guthaben in Milliardenhöhe. Wahrscheinlich gab es das Geld in dieser Form nie, Wirecard rutschte in die Insolvenz. Der ehemalige CEO Markus Braun sitzt inzwischen in Untersuchungshaft, sein wichtigster Helfer, der Chef des Asiengeschäfts Jan Marsalek, ist auf der Flucht.
Eine eigene Banklizenz in den USA hätte es Wirecard ermöglicht, Zahlungen des US-Geschäfts ohne einen Bankpartner abzuwickeln. Darüber hinaus wollte das deutsche Unternehmen mit der Lizenz auch als Partner von Fintech-Firmen auftreten und Kredite vergeben. Ein ähnliches Geschäft betreibt die Wirecard-Bank in Europa – es gilt als zukunftsweisend. 2016 hatte Wirecard in den USA das Prepaid-Kartengeschäft der Citigroup gekauft. Auf diesem Weg sei möglicherweise Geld gewaschen worden, behaupten Beobachter wie die Shortsellerin Fahmi Quadir.
Zum Zeitpunkt, als Wirecard den Ausbau des US-Geschäfts plante, ermittelte bereits die Staatsanwaltschaft München. Gegen Vorstände oder Aufsichtsräte von Wirecard liefen vor der Mitteilung von EY, dass 1,9 Mrd. Euro in der Bilanz fehlten, zwei Ermittlungsverfahren, wie aus einer Übersicht der bayerischen Staatsregierung hervorgeht, die Capital vorliegt. Bei einem der Verfahren ging es um den Verdacht des Betrugs, bei einem weiteren um Untreue. Aktuell laufen bei den Staatsanwaltschaften in Bayern demnach insgesamt 71 Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche von Wirecard. Bei 67 geht es um den Verdacht des Betrugs und bei jeweils zwei weiteren um Untreue und unrichtige Darstellung in Bilanzen, wie die Staatsregierung auf eine Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Helmut Kaltenhauser mitteilte.