
Was Europa Mastercard, Visa und PayPal entgegensetzt
Europas Banken wollen mit ihrem Wero-Projekt gegen die amerikanischen Payment-Riesen antreten. Ihr Vorstoß drohte schon zu scheitern. Dann kam Trump mit seinen Eskapaden – und Wero-Chefin Martina Weimert wagt mit neuer Strategie den womöglich letzten Versuch.
Dafür, dass Martina Weimert (58) gegen die ganz Großen der Zahlungsbranche antritt, geht es in ihrem Büro fast heimelig zu. Sie arbeitet im Herzen von Paris, in einem prächtigen Eckhaus mit schmiedeeisernen Balkonen in der Nähe des Boulevard Haussmann. Der historische Aufzug ist an diesem sonnigen Frühlingstag außer Betrieb, die Treppen schon lange abgetreten und knarzend.
Hier, im dritten Stock des Gebäudes, – in einer ehemaligen Wohnung, die Gänge verwinkelt und eng, die Räume eher klein – treibt Weimert eines der wichtigsten Projekte der europäischen Banken voran: Unter dem Namen Wero wollen die Finanzhäuser ein neues digitales Bezahlsystem etablieren – Europas Antwort auf die amerikanischen Kreditkartenkonzerne und Techriesen mit ihren Pay-Lösungen, die heute den Zahlungsverkehr auf dem alten Kontinent dominieren.
Das Projekt hatte einen zähen Start, war zwischenzeitlich schon fast totgesagt. Doch die Unberechenbarkeit des neuen US-Präsidenten Donald Trump (78) lässt die Sorgen wachsen, dass er die Dominanz der amerikanischen Konzerne ausnutzen könnte. „Wir wissen nicht, mit welchen Ideen und Entscheidungen die US-Regierung in nächster Zeit noch kommen kann“, sagt Weimert. „Wir sind mit dem Ziel angetreten, eine groß angelegte europäische Lösung im Zahlungsverkehr zu liefern. Das müssen wir jetzt beschleunigen.“
Seit Jahrzehnten beherrschen die US-Giganten Visa und Mastercard auch den europäischen Markt. Knapp zwei Drittel aller Kartenzahlungen werden laut Europäischer Zentralbank (EZB) über die beiden Unternehmen abgewickelt, die an der Börse zusammen 1,2 Billionen Dollar wert sind. Nach und nach drängten weitere Anbieter wie PayPal, Apple Pay oder Google Pay über den Atlantik – alle amerikanisch.
Europa hat zwar Alternativen. Doch die sind in der Regel regional begrenzt und selbst in ihren jeweiligen Heimatländern bei Weitem nicht überall einsetzbar – etwa Twint in der Schweiz, Blik in Polen, Bizum in Spanien, Swish in Schweden oder Vipps in Norwegen.
In einigen europäischen Staaten existiert auch eine eigene Kartenlösung, unter anderem die Girocard in Deutschland. Obendrauf kommt eine Reihe von anderen Bezahlmöglichkeiten wie Sofort- und Echtzeitüberweisungen, dazu die EZB mit dem Versuch, einen digitalen Euro zu etablieren. All das ergibt den für den Kontinent so typischen Flickenteppich: enorme Vielfalt, aber keine einheitliche Lösung – und damit kein echtes Gegengewicht zu dem, was aus den USA kommt.
Europa sei bei digitalen Bezahllösungen verwundbar, warnte vor wenigen Wochen EZB-Präsidentin Christine Lagarde (69). Wie bei der Verteidigung oder im Handel müsse Europa die Kontrolle erlangen: „Wir müssen diese Abhängigkeit von US-amerikanischen Angeboten mindern.“ Europa brauche einen Plan B – „just in case, you never know“.
Martina Weimert will mit Wero diesen Plan B liefern. An Pathos fehlt es ihr dabei nicht. „Wir sind die letzte Chance Europas“, einen eigenen Payment-Champion aufzubauen, hat Weimert schon häufiger gesagt. Nun hat sie die wohl letzte Chance, diese letzte Chance zum Erfolg zu führen.
Sie und ihre Finanziers – ein Zusammenschluss von Banken wie der Deutschen Bank, den Sparkassen, der französischen BNP Paribas oder Crédit Agricole – rücken dafür von bisherigen Dogmen ab. Ein radikaler Strategieschwenk soll Wero flexibler machen, offener für bereits bestehende Systeme und neue Partner wie die britische Digitalbank Revolut, die jetzt bei Wero mitmacht. Denn wenn es jetzt nicht klappt, wird es wohl nie etwas.