Vivid vervierfacht seinen Umsatz – trotzdem hat die Bilanz einen Haken
Die Berliner Neobank Vivid überrascht in ihrem Geschäftsbericht für 2022 mit beachtlichen Zahlen: Der Umsatz wurde fast vervierfacht, die Verluste gleichzeitig massiv reduziert. Die Zeit großer Wachstumsfantasien scheinen bei dem Fintech dennoch vorbei.
Zwischen sprunghaftem Wachstum und Stagnation können in der Fintech-Welt manchmal nur wenige Monate liegen. Das veranschaulicht die jüngste Bilanz der Berliner Neobank Vivid. Das Unternehmen bietet Kunden neben einem Girokonto und einer Visa-Debitkarte verschiedene Spar- und Anlageprodukte. Manche Funktionen lassen sich nur gegen eine monatliche Gebühr nutzen.
Marketing deutlich zurückgefahren
Zur Einordnung: Derartige Umsatzsprünge gehen bei Startups meist auch mit deutlich höheren Ausgaben einher, beispielsweise für das Anwerben neuer Kunden. Es hätte also nicht verwundert, wenn Vivid gleichzeitig auch mehr Verluste ausgewiesen hätte. Dies ist der Bilanz zufolge jedoch nicht der Fall gewesen, im Gegenteil: „Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen sanken aufgrund deutlich geringerer Ausgaben für Marketingkampagnen und direktem Marketing“, heißt es dort. Insgesamt ging der Jahresfehlbetrag des Fintechs um 40 Prozent auf rund 29 Millionen Euro zurück. Eine erhebliche Verbesserung.
Wie viele Finanz-Startups unterzog sich auch Vivid in 2022 einem rigiden Sparkurs. Zwar konnte das Fintech noch im Februar 2022 rund 100 Millionen Euro einsammeln. Doch viele Investoren gaben sich kurz darauf wegen steigender Zinsen und des Ukraine-Kriegs knausrig, stellten zusätzliches Geld meist nur zu strengen Konditionen bereit.
Dies zwingt die Unternehmen seitdem deutlich früher in die Profitabilität als geplant. Dreistellige Wachstumsraten, wie sie in Vorkrisenzeiten oft durch hohe Marketingausgaben realisiert wurden, waren so kaum noch möglich. Vor diesem Hintergrund sind die Vivid-Zahlen für 2022 durchaus als Achtungserfolg zu werten.
Große Wachstumsdelle
Allerdings: Im Prognosebericht überrascht die Neobank mit einem weiteren Hinweis – und zwar im negativen Sinne. Dort heißt es, das Unternehmen rechne für 2023 damit, dass Geschäftsvolumen und die Finanzergebnisse „auf dem Niveau des Vorjahres“ verblieben. Mit anderen Worten: Das Wachstum sollte ganz oder teilweise zum Erliegen kommen.
Was die Vivid-Manager konkret zu dieser Annahme führte, geht aus dem Bericht nicht hervor. Nur so viel: „Der Geschäftsplan (…) sieht die Einführung neuer Arten von Einnahmequellen innerhalb der bestehenden Produktpalette vor“. Diese sollten, so jedenfalls die Hoffnung, das Fintech weiter an die Gewinnzone heranführen.
Vivid baut Geschäft mit Firmenkunden aus
Welche neuen Einnahmequellen gemeint sind, bleibt im Bericht unklar. Auf Nachfrage von Finance Forward heißt es, das Unternehmen habe über die vergangenen zwei Jahre viel in eigene Produkte und Lizenzen investiert. Konkret: „Neben Lizenzen für das Traden von Aktien und Kryptowährungen gehört nun auch eine Lizenz zum eigenen Anbieten von Karten, Konten und Zahlungen zum Portfolio von Vivid. Dies ermöglicht uns weiter zu expandieren und neuen Kunden unsere Dienstleistungen anzubieten.“
Wie die Geschäfte in 2023 letztlich gelaufen sind, will das Unternehmen nicht kommentieren. Für konkrete Zahlen sei es noch zu früh. Aber: „Grundlegend lief das Jahr wie erwartet“, so ein Sprecher. Das Wachstum dürfte zuletzt also tatsächlich stark zurückgegangen sein. Den Sprung in die Profitabilität erwartet das Fintech indes für 2025. Bis dahin wolle man sich auch wieder mehr auf Wachstum konzentrieren – sowohl bei End- als auch Firmenkunden. Dies scheint auch nötig. Die letzte öffentlich kommunizierte Kundenzahl liegt bereits zwei Jahre zurück: Damals sprach Vivid von 500.000 registrierten Kunden.