Die riesigen Fundings der Payment-Hoffnung Unzer
Exklusiv: Rund 800 Millionen Euro sind in den Zahlungsdienstleister Unzer geflossen. Nach rund 16 Übernahmen erzielt der Konzern mittlerweile einen Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro. Wie entwickelt sich das Geschäft?
Die noch junge, aber intensive Geschichte der deutschen Payment-Hoffnung Unzer ist eingehend nachgezeichnet worden. Wie 2019 der legendäre US-Finanzinvestor KKR bei dem damals noch Heidelpay genannten Unternehmen einstieg. Wie aus dem einstigen Mittelständler durch nicht weniger als 16 Übernahmen ein breit aufgestellter Konzern wurde. Wie das Management nach der Wirecard-Pleite in einem Münchner Restaurant namens „Der Biermann“ eine Jobbörse für ehemalige Wirecard-Beschäftigte eröffnete. Wie die Firma von zweifelhaften Verbindungen aus der Vergangenheit eingeholt wurde. Und wie KKR die Geschäftsführung schließlich mit einer Armada früherer Klarna-Manager besetzte.
Recherchen von Finanz-Szene liefern nun erstmals einen detaillierten Einblick in das „Projekt Unzer“.
1. Wie viel Geld hat KKR bislang in das „Projekt Unzer“ gesteckt?
Alles in allem dürfte in den vergangenen Jahren ein hoher dreistelliger Millionenbetrag in das „Projekt Unzer“ geflossen sein.
Konkret:
Die Mitte 2020 erstkonsolidierte neue Holding-Gesellschaft von Unzer wies per Ende jenes Jahres eine Kapitalrücklage von 452 Millionen Euro aus. Diese Angabe deckt sich fast auf den Euro genau mit dem Finanzvermögen einer von KKR aufgesetzten kuxemburgischen Trägergesellschaft ebenfalls per ultimo 2020
Im luxemburgischen Handelsregister finden sich Hinweise auf weitere Kapitalerhöhungen im Juni und August 2021. Hieraus lässt sich schließen, dass der US-Finanzinvestor bis Spätsommer letzten Jahres alles in allem bereits rund 515 Millionen Euro Eigenkapital in den deutschen Zahlungsdienstleister gepumpt haben dürfte
Im 2020er-Abschluss der Unzer-Holding ist darüber hinaus von „sonstigen Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr“ in Höhe von gut 282 Mio. Euro die Rede. Hierbei handelt es sich um ein auf fünf Jahre angelegtes Darlehen, das von einer im britischen Handelsregister auffindbaren Treuhandgesellschaft namens „Lucid Agency and Trustee Services Ltd.“ stammt. In wessen Auftrag die Treuhandgesellschaft das Geld zur Verfügung stellte, ließ sich bislang nicht recherchieren. Würde dieses Kapital ebenfalls von KKR stammen, müsste es im Holding-Abschluss allerdings als Verbindlichkeit „gegenüber verbundenen Unternehmen“ bzw. als Gesellschafterdarlehen klassifiziert werden. Das ist nicht der Fall. Mithin dürfte es sich dabei um Fremdkapital von dritter Seite handeln.
Alles in allem scheinen also mindestens (die Angaben reichen ja nur bis Ende 2020 bzw. August 2021) rund 800 Millionen Euro geflossen sein. Zur groben Orientierung: Das ist zwar weniger Geld, als Risikokapitalinvestoren über die zurückliegenden Jahre in N26 gesteckt haben – aber mehr Geld, als anderen hochgewetteten deutschen Fintech-Unicorns wie Trade Republic, Wefox oder SumUp zur Verfügung steht.
Wobei wir als Disclaimer hinzufügen müssen: Die im 2020er-Abschluss aufgeführten Mittel wurden zumindest teilweise für den Kauf einer Holding aufgewandt, hinter der KKR nach unserem Verständnis bereits stand (nämlich infolge des ursprünglichen Einstiegs bei Heidelpay). Es könnte sein, dass die Amerikaner über diese Transaktionen womöglich schon ein bisschen eigenes Geld vom Tisch genommen haben könnten.
Äußern wollte sich KKR auf unsere Anfrage hin nicht, ebensowenig wie Unzer.
2. Wie viel Geschäft hat Unzer 2020 gemacht?
Der Holding-Abschluss weist für 2020 Umsatzerlöse in Höhe von gerade einmal 66 Millionen Euro aus. Dabei allerdings handelt es sich lediglich um die seit der Erstkonsolidierung (also seit Juni) erzielten Erträge.
Für das Gesamtjahr finden sich keine Angaben. Nach Informationen von Finanz-Szene.de sollen es rund 125 Millionen Euro gewesen sein. Zum Vergleich: Die Payone GmbH, also der gemeinsame Payment Service Provider von Worldline und den deutschen Sparkassen, kam 2020 auf Provisionserträge in Höhe von 409 Millionen Euro; bei der VR Payment (also dem zur DZ Bank gehörenden Geno-PSP) waren es 96 Millionen Euro.
Auffällig ist, dass sich durch Unzers Zukäufe zwar die Angebotspalette erweitert hat, der regionale Fokus allerdings zumindest bis 2020 (Hinweis: 2021 folgten noch zwei Zukäufen in Dänemark) der gleiche blieb. So sieht die regionale Umsatzverteilung wie folgt aus …
Deutschland | 84% |
Österreich | 5% |
Restliche EU | 9% |
Schweiz | 1% |
Rest | <1% |
… während die Umsatzverteilung bezogen auf die Segmente so daherkommt:
E-Commerce | 50% |
Inkasso | 19% |
Point of Sale | 31% |
Sprich: Aus dem deutschen E-Commerce-Zahlungsabwickler Heidelpay ist der deutsche Omnichannel-Zahlungsabwickler Unzer geworden.
3. Wie viel Geschäft hat Unzer 2021 gemacht?
Laut des Prognoseberichts im 2020er-Abschluss wurden für das Folgejahr Umsatzerlöse in Höhe von 162 Millionen Euro erwartet. Im Markt heißt es, dieser Wert dürfte sogar übertroffen worden sein. Damit ergibt sich einschließlich des 2019er-Werts (den wir im Abschluss einer weiteren Holding gefunden haben, die inzwischen gar nicht mehr existiert) folgende Entwicklung:
2019: rd. 88 Millionen Euro Umsatzerlöse
2020: grob 125 Millionen Euro Umsatzerlöse
2021: >162 Millionen Euro Umsatzerlöse
Die Wachstumskurve ist also alles in allem steil, wobei nicht ersichtlich ist, wie viel von dem Wachstum organisch ist und wie viel aus den zugekauften Unternehmen stammt. Wie gut Unzer also wirklich vorankommt, lässt sich schwer sagen.
Vielleicht an der Stelle noch mal eine Einordnung: Das vielleicht passendste Vergleichsunternehmen in Europa, nämlich Adyen, kam 2020 auf „Nettoumsätze“ von 684 Millionen Euro. Das ist natürlich noch mal eine andere Liga. Aber es ist gleichwohl nicht so, als wären die beiden Unternehmen in komplett unterschiedlichen Spähren unterwegs (auch hier ein Disclaimer: Bei der Adyen-Kennziffer ist nach unserem Verständnis schon der Materialaufwand berücksichtigt, anders als bei der Unzer-Kennziffer. Damit dürfe der Abstand also ein Stück größer sein, als er es ohnehin schon ist).
4. Wieviel Firepower ist für mögliche weitere Zukäufe vorhanden?
Von den rund 800 Millionen Euro dürfte der überwiegende Teil in irgendeiner Form schon eingesetzt worden sein. Wobei Finanzinvestoren wie KKR bei Unternehmen, die ihnen komplett gehören, ja im Bedarfsfall jederzeit nachschießen können. Wie man hört, sind die Amerikaner dazu bereit.