Wirtschaftsstaatssekretär Udo Philipp: Die privaten Investments desTopbeamten von Robert Habeck werfen weiter Fragen auf (Bild: imago/Frank Peter)

Millionenförderung für Startups aus Fonds von Habecks Staatssekretär

Unternehmen, an denen Staatssekretär Udo Philipp indirekt beteiligt ist, erhielten Zusagen des Bundes über mehr als acht Millionen Euro. Zudem investierte einer von Philipps Venture-Capital-Fonds in ein Fintech von Gründern mit prominentem Namen: Neffen von Olaf Scholz.

In der Debatte über mögliche Interessenkonflikte von Spitzenbeamten im Bundeswirtschaftsministerium gibt es neue Erkenntnisse zu den privaten Fonds-Investments von Staatssekretär Udo Philipp (Grüne). Wie aus Antworten der Bundesregierung an die Linke-Fraktion im Bundestag hervor geht, erhielten Startups, an denen Philipp über Fonds für Profianleger mittelbar beteiligt ist, Zusagen für deutlich höhere staatliche Fördermittel und andere Zahlungen des Bundes als bislang bekannt. Damit sind mittlerweile Förderzusagen oder Zahlungen des Bundes für Firmenbeteiligungen von Philipps Equity-Fonds in einer Höhe von mehr als acht Millionen Euro bestätigt. Bewilligt wurde der größte Teil der Gesamtsumme demnach vom Bundesforschungsministerium, ein kleinerer Teil von Philipps Wirtschaftsressort sowie von einer Bundesagentur, für die auch das Wirtschaftsministerium zuständig ist. Die Antworten der Bundesregierung liegen Capital und Finance Forward vor.

Philipp, ein langjähriger Topmanager des schwedischen Finanzinvestors EQT, ist nach eigenen Angaben Investor bei mehreren Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds. Dabei stieg er auch noch nach seinem Wechsel in die Politik im Jahr 2019 bei solchen Beteiligungsvehikeln für institutionelle Investoren und vermögende Einzelpersonen ein. Anfang Juni hatte Capital bereits über den Fall des Biogas-Startups Reverion berichtet, an dem der Staatssekretär von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) über einen Fonds indirekt beteiligt ist. Reverion hatte im April eine Förderzusage des Bundesforschungsministeriums in Höhe von knapp 4,5 Millionen Euro im Rahmen eines größeren Wasserstoff-Forschungsprojekts erhalten, wie die Bundesregierung nun auch offiziell bestätigte.

Später war durch eine Anfrage des Linken-Abgeordneten Pascal Meiser bekannt geworden, dass sieben Unternehmen aus dem Portfolio des Venture-Capital-Fonds First Momentum Ventures, bei dem Philipp seit 2018 einer der Investoren ist, staatliche Fördermittel erhalten haben. Diese summieren sich auf knapp 1,4 Millionen Euro, davon rund 600.000 Euro aus dem Wirtschaftsministerium. Philipp, der auch federführend für die Startup-Strategie der Bundesregierung zuständig ist, hatte einen der Fondsgründer von First Momentum Ventures seinem Minister Habeck im vergangenen Jahr als Mitglied eines Beratergremiums empfohlen.

Geschäftliches Interesse an Firma von Scholz-Neffen

Bereits 2020 hatte sich First Momentum Ventures über einen Venture-Fonds, bei dem Philipp zu den Kapitalgebern zählt, auch mit einem Minderheitsanteil an dem Fintech Rubarb beteiligt. Dessen Gründer: zwei Neffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Mit dem prominenten Namen machte Rubarb auch Pressearbeit. Auf Anfrage von Capital bestätigte First Momentum jetzt eine Beteiligung an dem Startup über ein Wandeldarlehen.

Zum Zeitpunkt des Einstiegs des Wagniskapital-Fonds bei Rubarb 2020 war Philipp Staatssekretär im Landesfinanzministerium in Schleswig-Holstein, Scholz Bundesfinanzminister. Ende 2021 wurde Ex-Manager Philipp dann Staatssekretär in der von Scholz geführten Bundesregierung – während er als Privatinvestor über seine Fondsanteile weiterhin indirekt an der Spar-App-Firma von dessen Verwandten beteiligt war. Auch wenn Philipp als Investor ohne Funktion im Fondsmanagement bei dem Deal des First-Momentum-Fonds mit Rubarb keinerlei Rolle spielte und das Verhältnis von Scholz zu seinen Neffen offenbar nicht sehr eng ist, ist dies zumindest eine Konstellation, die in der Spitzenpolitik selten vorkommen dürfte. Im Sommer 2022 meldete Rubarb Insolvenz an (Finance Forward berichtete).

Am vergangenen Mittwoch sollte Habecks Staatssekretär eigentlich zum zweiten Mal im Wirtschaftsausschuss des Bundestags Fragen zu seinen privaten Beteiligungen beantworten, wollte aber der Einladung des Ausschusses nicht folgen. Man habe zu dem Thema ausreichend Auskunft gegeben, teilte das Ministerium dem Ausschuss zuvor mit – zur Verärgerung nicht nur der Opposition. In der Sitzung sprangen auch Wirtschaftspolitiker der Ampel-Parteien SPD und FDP dem CDU-Ausschussvorsitzenden Michael Grosse-Brömer bei, der sich wegen Philipps Fernbleiben über „Arroganz“ gegenüber dem Parlament beklagte.

Die Opposition wirft Philipp vor, Informationen zu seinen privaten Investments, die im Zuge der sogenannten Trauzeugen-Affäre um Habecks anderen Staatssekretär Patrick Graichen ebenfalls zum Thema geworden waren, lediglich scheibchenweise offenzulegen. Philipp und das Wirtschaftsministerium weisen den Vorwurf möglicher Interessenkonflikte dagegen strikt zurück. Sie verweisen darauf, dass Philipp seine Beteiligungen vor Dienstantritt intern angezeigt habe, ohne dass er dazu nach den Compliance-Regeln der Bundesregierung verpflichtet gewesen wäre. Laut dem Ministerium erfolgte die Offenlegung im Fall der Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds allerdings in „abstrakter Form“ – also ohne Nennung der konkreten Firmen, an denen die Fonds Anteile halten. Auch Ressortchef Habeck sieht kein Problem darin, dass einer seiner Topbeamten über eine Fondsbeteiligung auch private geschäftliche Interessen an Firmen aus dem Energiebereich hat.

Laut Unterlagen im Handelsregister war Philipp 2021 als Investor neu bei einem Fonds der Münchner Venture-Capital-Gesellschaft Possible Ventures eingestiegen – wenige Wochen vor seinem Wechsel in das für Energie zuständige Bundesministerium Anfang Dezember 2021. Zu den etwa zehn Startup-Beteiligungen des Possible-Venture-Fonds zählen neben Reverion unter anderem auch ein Entwickler von Recyclinganlagen für Lithium-Ionen-Batterien sowie eine Firma, die Software für das CO2-Management in Industrieunternehmen anbietet.

Offenlegung im zweiten Anlauf

Die jüngsten Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Linken-Abgeordneten Christian Leye und Alexander Ulrich zeigen nun, dass der Biogas-Technologieanbieter Reverion sowie ein Startup aus dem KI-Bereich, an dem der Possible-Ventures-Fonds von Philipp ebenfalls Anteile hält, von in der Diskussion bislang noch nicht thematisierten Förderungen und anderen Zahlungen des Bundes profitieren. So erhielt Reverion nicht nur im April 2023 die erwähnte Förderzusage von 4,5 Millionen Euro des Forschungsministeriums, von der bislang aber noch kein Geld ausgezahlt wurde. Die Firma aus der Nähe von München zählt etwa auch zu den bezuschlagten Projekten einer „Challenge“ der Bundesagentur für Sprunginnovationen (Sprind), bei der es um bahnbrechende neue Energiespeicher-Technologien geht. Dabei erhalten aktuell fünf aus 42 Bewerbern ausgewählte Teilnehmer jeweils bis zu einer Million Euro.

Auf Anfrage von Capital wollten sich weder das Unternehmen noch die Agentur zu der genauen Höhe der Förderung äußern. Ein Sprind-Sprecher teilte mit, das Geld für das Speicherprojekt stamme „komplett aus dem Etat des Forschungsministeriums“. In der Jury, die den Zuschlag an Reverion im November 2022 erteilt hat, sitze kein Vertreter des Wirtschaftsressorts, betonte er. Für die bundeseigene Innovationsagentur sind das Forschungs- und das Wirtschaftsministerium gemeinsam zuständig.

Auf eine Frage des Abgeordneten Leye nach Fördermitteln des Bundes für Philipps Fondsbeteiligungen hatte das Wirtschaftsministerium die Förderung aus dem Sprind-Projekt zunächst nicht erwähnt – ebenso wenig wie die 4,5 Millionen Euro aus dem Forschungsministerium. Stattdessen führte es lediglich vier Mini-Förderungen an, die Reverion „aus dem Bundeshaushalt“ bereits erhalten habe: drei Zuschüsse à 6.000 Euro für Elektroautos sowie knapp 3.000 Euro Zuschuss aus einem Programm für Auslandsmessen. Bei dem Geld aus dem Sprind-Projekt verweis Habecks Ressort später darauf, dass es sich nicht um Fördermittel handele, sondern um eine „vorkommerzielle Auftragsvergabe“.

Auch eine Finanzierung des Wirtschaftsministeriums in der Frühphase der Firma, die Reverion selbst auf seiner Unternehmenswebsite erwähnt, führte Habecks Ressort zunächst nicht an. Dabei geht es laut der Firma um ein Förderprogramm des Ministeriums für Ausgründungen aus Universitäten namens Exist-Forschungstransfer. Auf konkrete Nachfrage des Abgeordneten Leye bestätigte das Wirtschaftsministerium eine Förderung für die aus der TU München ausgegründeten Firma im Rahmen des Exist-Programms in Höhe von 980.000 Euro mit einer Projektlaufzeit von März 2022 bis August 2023. Weil der Förderantrag im Juli 2021 von der TU München gestellt wurde, sei die Zuwendung in der entsprechenden Datenbank aber nicht mit der Firma Reverion verknüpft gewesen und habe sich „erst durch eine vertiefte Recherche ergeben“, erklärte Habecks Ressort zur Begründung. Formal handelt es sich bei dem Empfänger dieser Zuwendung für Reverion um die TU München.

Darüber hinaus erhielt auch ein weiteres Unternehmen, an dem der Possible-Ventures-Fonds von Privatinvestor Philipp Anteile hält, Fördermittel des Wirtschaftsressorts aus dem Exist-Programm. Dabei handelt es sich um das Startup Orbem, das eine Technologie für bildgebende Verfahren in Kombination mit Künstlicher Intelligenz für die Industrie entwickelt hat. Die Höhe bezifferte das Ministerium mit knapp 180.000 Euro. Die Zusage erfolgte Anfang Dezember 2021. Schon vor dem Regierungswechsel – also vor der Amtsübernahme Philipps – hatte Orbem 2019 nach eigenen Angaben eine erste Förderung aus dem aus zwei Förderphasen bestehenden Exist-Programm erhalten. Das Wirtschaftsministerium gibt die Höhe der Zuwendung in der ersten Förderphase in seiner Antwort an Leye mit einer Million Euro an.

Leye: „Affäre noch nicht ausgestanden“

Habecks Ressort hat die Vorwürfe möglicher Interessenkonflikte bislang auch stets mit der Erklärung zurückgewiesen, die jeweiligen Förderentscheidungen seien von den zuständigen Fachbeamten getroffen worden, Philipp selbst sei in keinem Fall beteiligt gewesen. Daher seien Interessenkonflikte des Staatssekretärs ausgeschlossen. Zudem hält das Wirtschaftsministerium an seiner bisherigen Verteidigungslinie fest, wonach Investoren bei „Fonds“ tatsächlich „keinen Einfluss auf die Anlagestrategie“ hätten.

Jedoch handelt es sich bei Equity-Fonds – anders als bei Massenprodukten wie breit gestreute passive Indexfonds (ETF) – um exklusive Investments für wenige Profi-Investoren, deren Geld in handverlesene Firmen investiert wird. Auch Philipp dürfte bekannt sein, in welche konkreten Portfoliounternehmen seine Fonds investiert sind. Venture-Capital-Fonds gelten als sogenanntes „Hit Business“. Von den typischerweise zehn bis zwölf Beteiligungen müssen sich mindestens zwei als Treffer erweisen, damit der Fonds die erwarteten Renditen generieren kann. Bei dem Fonds von Possible Ventures ist Philipp laut Handelsregister einer von rund 40 Investoren, bei First Momentum sind es deutlich weniger. Zudem zeigt der Fall Rubarb, dass es bei Investments von Spitzenbeamten in Equity-Fonds auch viel eher zu Konstellationen kommen kann, die mit Blick auf den Anschein von Interessenkonflikten problematisch sein können, als bei Publikumsfonds mit Dutzenden Aktien.

Der Linke-Wirtschaftspolitiker Leye sagte zu den neuen Erkenntnissen über Philipps Fondsbeteiligungen: „Auch wenn das Wirtschaftsministerium die Affäre selbst für beendet erklärt hat, ist die Causa Philipp für Habeck noch nicht ausgestanden. Stattdessen übt sich die Regierung in Salami-Taktik: Die Förderungen aus dem Habeck-Ministerium sind doch umfassender als ursprünglich kommuniziert.“ Wenn der Staatssekretär nichts zu verbergen habe, müsse er sich wie verabredet dem Ausschuss stellen, erklärte Leye weiter. Stattdessen schirme Habeck seinen Staatsekretär vor den kritischen Fragen der Parlamentarier ab. „Egal wie groß Philipps Einflussnahme war – solche Geschichten zerstören Vertrauen in demokratische Institutionen und treiben Wähler an den rechten Rand“, sagte Leye.