Startup-Investor Frank Thelen (Bild: IMAGO / teutopress).

Die seltsame Liaison zwischen der Comdirect und Frank Thelen

Seit einigen Monaten wirbt die Comdirect massiv für den Tech-Fonds „10xDNA“ von Startup-Investor Frank Thelen. Ein Strategiewechsel der Direktbank, die sich stets an Selbstentscheider unter den Aktionären richtete. Die Fonds-Performance ist bislang schlecht. Verwässert der große Onlinebroker sein Image?

Die Comdirect hat keinen Chefvolkswirt, sie hat keinen Chief Investment Officer, sie hat kein Aktienresearch – und das beste ist: Sie braucht das alles auch überhaupt nicht. Denn die Comdirect ist das, was man eine Selbstentscheider-Bank nennt. Sie richtet sich an aufgeklärte Anleger, die einen kostengünstigen Zugang zu den üblichen Handelsplätzen verlangen – mehr nicht.

Marktmeinung? Aktienempfehlungen? Anlageberatung? Guru-Getue? Darauf kann der klassische Comdirect-Kunde gut verzichten – weshalb sich die Commerzbank-Tochter den ganzen Firlefanz auch bewusst spart.

Wobei, lässt sich das überhaupt noch so sagen? Vielleicht nicht mehr. Auf ihrer Website wirbt die Comdirect seit einiger Zeit wie folgt für sich: „Bestimmen Sie selbst, was aus Ihrem Geld wird: mit Ihrem comdirect Depot und unseren Börsenexperten an Ihrer Seite.“

Oha, denkt man da: „Börsenexperten an Ihrer Seite“? Wo kommen die denn plötzlich her? Hat Robert Halver auf seine alten Tage in Quickborn angeheuert? Hat sich die Comdirect bei der jüngst aufgelösten Research-Abteilung ihrer Mutter Commerzbank bedient? Oder macht sie es wie neuerdings die ING Diba und setzt sogenannte „Anlage-Coaches“ ans Kundentelefon?

Nein, alles falsch! Mit „Börsenexperte“ scheint die Comdirect vor allem einen zu meinen: Frank Thelen.

Ein Influencer mit zahlungskräftigen Followern

Frank Thelen? Ist einer dieser „Influencer“, bei denen man sich immer so ein bisschen fragt, was genau sie zu dem, was sie machen, eigentlich befähigt. Seiner offiziellen Vita zufolge war Thelen mal Startup-Unternehmer, später wurde er Startup-Investor – und irgendwie wurden sein Gesicht und er selber dann ziemlich prominent.

Hierbei wichtig: Anders als bei anderen Influencern, gründet Thelens B-Promi-Status nicht auf „Youtube“, „Instagram“ oder „Dschungelcamp“. Sondern auf seiner Rolle als Juror bei „Die Höhle der Löwen“, einer reichweitenstarken TV-Sendung, in der junge Unternehmen für ihre Geschäftsidee (oder genauer: um Fundings) werben – und die folglich von einer eher wirtschaftsinteressierten Klientel geguckt wird.

Daraus lässt sich ableiten: Die Followerschaft, die Thelen in seinen rund sechs Jahren als „DHDL“-Juror aufgebaut hat, dürfte nicht nur groß, sondern vor allem um einiges zahlungskräftiger sein, als das bei einer durchschnittlichen Schmink-Tipp-Influencerin der Fall ist.

Und möglicherweise ist das der Grund, warum irgendjemand bei der Comdirect, als Thelen im vergangenen Jahr einen eigenen Aktienfonds plante, auf die Idee gekommen sein muss: Das ist genau unser Mann!

Jedenfalls: Als Frank Thelen im September seinen „10XDNA – Disruptive Technologies“ lancierte, da war die Comdirect quasi von Anfang an mit von der Partie. Zwar sind seitdem einige Monate ins Land gegangen. Wer allerdings geglaubt hat, die Begeisterung der Coba-Broker für den „10XDNA“ würde irgendwann nachlassen, sieht sich getäuscht:

– Wer die Comdirect-Startseite ansurft, um nach Aktienkursen zu suchen, blickt noch immer regelmäßig in Thelens Gesicht und wird aufgefordert, „Mit Frank Thelen in Technologie-Trends der Zukunft [zu] investieren“.
– Googelt man „Thelen-Fonds“ oder „10XDNA“, erscheint als oberster und somit bezahlter Treffer seit Monaten praktisch immer ein Link zur Comdirect („10XDNA ohne Ausgabeaufschlag – Depot in wenigen Minuten“).
– Auf der Zielseite bei der Comdirect zeigt ein tätowierter Hipster seinen Bizeps und verspricht „Power für ihr Investment“. Woher die „Power“ kommen soll? Unter anderem vom „Thelen-Fonds“.
– Auf dem Youtube-Kanal der Comdirect erschienen diverse monothematische Thelen-Shows, in denen der Promi „Updates“ zu Markt und Fonds lieferte. Oder auch mal ein „Markt Update Spezial“ zum „Autonomen Fahren“.
– Der hauseigene Podcast-Kanal „com.on“ hatte Thelen im Oktober „rund um Finanzen und Technologien“ zu Gast.

Auch das monatliche Comdirect-Kundenmagazin würdigte Thelen wiederholt. Im Dezember erschien ein Porträt über den Fondsmanager. In der gleichen Ausgabe wurde „Thelen Fonds behauptet Platz 1“ gejubelt, bevor einen Monat später bedauert wurde: „Thelen Fonds verliert Spitzenplatz“. Für Rang 2 freilich reicht es trotzdem.

Warum, um alles in der Welt, macht die Comdirect das? Was hat sie zu gewinnen? Wieso verwässert sie ihr klares Profil als Selbstentscheider-Bank – und bindet sich dabei an einen Fondsmanager, der nie zuvor einen Fonds aufgelegt hat? Zumal: Dass das Modell „Promi-Fonds“ krachend scheitern kann, muss spätestens seit dem „Zukunftsfonds“-Projekt des Ex-Bild-Chefredakteurs Kai Diekmann jedem klar sein.

Die Performance des Thelen-Fonds ist bisher ein Desaster

Fest steht: Wenn das Kundenmagazin der Comdirect jubelt, der Thelen-Fonds behaupte „Platz 1“, dann bezieht sich das auf die Umsatz- bzw. Absatzzahlen der Bank, nicht auf die Wertentwicklung. Aus Anlegersicht hingegen ist die bisherige Performance des „10XDNA – Disruptive Technologies“ ein Desaster. Seit dem Start des Fondsvertriebs Anfang September ging es um 29 Prozent abwärts.

Fairerweise sei gesagt: Andere im Tech-Boom neu aufgelegte Fonds wie Bit Capital des Finleap-Gründers Jan Beckers schnitten zuletzt auch nicht berauschend ab. Trotzdem, top geht anders. Und das alles bei wohlgemerkt sportlichen Kosten: Die Gesamtgebühren liegen bei 1,97 Prozent pro Jahr. Und: die Verluste liefen schon vor dem Ukraine-Krieg auf.

Schon vor Jahresfrist wandten wir uns mit unserem Erstaunen an die Comdirect. Auf Nachfrage hieß es zunächst, es fließe keinerlei Vergütung jenseits der im Verkaufsprospekt ausgewiesenen Bestandsvergütung von 0,07 Prozent. Später korrigierte das Institut seine Angaben, teilte – ohne konkreter zu werden – mit, dass man „als Premium-Partner einen Anteil aus den laufenden Kosten des Fonds“ erhalte.

Wie eine Recherche zeigt, gibt es innerhalb des Order-Prozesses einen „Kostenausweis“. Dort fand sich ein Hinweis auf „Dienstleistungskosten“ in Höhe von 0,32 Prozent (inklusive besagter 0,07 Prozent). Konkret damit konfrontiert, bestätigte die Comdirect, diese Angaben sei „sachlich richtig“.

Nun würde man sich sicherlich eine größere Transparenz in der Sache wünschen. Zumal offen bleibt, von wem die 0,32 Prozent pro Jahr eigentlich kommen (konkret bedeutet die Angabe: Investiert ein Comdirect-Kunde 1.000 Euro in den Thelen-Fonds, fließen pro Jahr 3,20 Euro an die Bank).

Gleichwohl: Von der Höhe sind die 0,32 Prozent im branchenüblichen Rahmen. Selbst wenn von den zuletzt 70 Millionen Euro „Assets under Management“ (by the way: Der Diekmann-Fonds kommt mehr als vier Jahre nach dem Start nicht über 27 Millionen Euro hinaus), sagen wir, die Hälfte über die Comdirect gekommen wären, also 35 Millionen Euro, dann wären das 112.000 Euro Provisionsertrag pro Jahr. Verwässert man als einer der größten Onlinebroker der Republik dafür sein Image?

Eine Sprecherin Thelens erklärt: „Wir haben uns sehr bewusst dafür entschieden, nur wenige ausgewählte Partnerschaften einzugehen und im Normalfall nur eine Bestandsprovisionen für die technische Anbindung zu zahlen, da wir ein Stück weit die Kontrolle darüber behalten wollen, wer für die 10xDNA-Fonds wirbt und mit welchen Mitteln dafür geworben wird.“ Und zur Performance seit dem Start heißt es: „Als konzentrierter Technologie-Fonds ist der Tech-Sell-Off der letzten Wochen und Monate natürlich auch an uns nicht vorbei gegangen“. Man sei aber optimistisch, der Anlagehorizont belaufe sich auf fünf Jahre.

Die Comdirect? Spricht von „zukunftsgerichteten Branchen“

Von der Comdirect heißt es, sie stelle bei ihren Kunden „ein immer größer werdendes Interesse“ fest, „langfristig in zukunftsgerichtete Branchen und Technologien zu investieren“.

Wenn es wirklich nur darum ging, diesem Interesse gerecht zu werden, dann wäre die Absicht womöglich eine hehre und nachvollziehbare. Was aber nicht daran ändert, dass das Projekt bislang unter einem extrem ungünstigen Stern steht.

Übrigens, beim jüngsten Auftritt Thelens im Youtube-Kanal der Comdirect (Thelen war per Videokonferenz zugeschaltet) brach nach 35 Minuten und kurzen Warnungen, bald laufe die Gratis-Zeit ab, der Stream ab. Das letzte, was das Publikum zu sehen bekam, ehe der Moderator die restliche Sendezeit mit Einzelwert-Talk befüllte, war der Hinweis: „Geben Sie Ihren Meetings ein Upgrade von Basic auf Pro.“

Müssen die Quickborner Digitalbank und ihr Tech-Apostel Thelen erst noch lernen, wie Videokonferenzen funktionieren? Es wäre bezeichnend.