Eine Sparkassen-Filiale in Hilden-Ratingen-Velbert (Bild: IMAGO / Werner Otto)

Sparkassen eröffnen Richtungsstreit um Bitcoin-Handel

Hochrangige Sparkassen-Funktionäre sprechen sich öffentlich gegen die Einführung eines Krypto-Handels aus. Doch intern wird das Pilotprojekt vorangetrieben. Wie geht es weiter?

Es war wie eine Eruption. Als Finance Forward und Finanz-Szene Mitte Dezember die geheimen Krypto-Pläne innerhalb der S-Finanzgruppe publik machten – da kochte der Sparkassen-Sektor, wie er lange nicht mehr gekocht hat. Das lag zum einen daran, dass etliche Entscheidungsträger von dem Projekt gar nichts gewusst hatten. Zum anderen aber daran, dass das mediale Echo schallender kaum hätte sein können. „Sparkassen wollen 50 Millionen Kunden Krypto-Spekulation ermöglichen“, schrieb der Spiegel. „Keine gute Idee“, kommentierte die Zeit. „Eine Einladung zum Zocken“, meinte die Süddeutsche Zeitung. Applaus gab es nur aus der Kryptobranche.

Und so überraschte es nicht, dass sich am Montag die ersten hochrangigen Sparkassen-Funktionäre explizit gegen das Projekt aussprachen. „Kryptowährungen sind keine Geldanlagen, die die Sparkassen ihren Kunden anbieten wollen“, erklärte der bayerische Sparkassen-Präsident Ulrich Reuter kategorisch gegenüber „Bloomberg“ – und bekam nur wenige Stunden später Unterstützung von Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Helmut Schleweis.

Der nämlich teilte auf Anfrage von Finanz-Szene und Finance Forward mit, „sogenannte“ Kryptowährungen würden „Schnellballsystemen ähneln“, bei denen „unerfahrenen Kunden hohe Verluste“ drohten. Die Rolle der Sparkassen sei es, „Kunden vor so etwas zu schützen“. Ist die Idee damit tot? Könnte man meinen. Doch in Wirklichkeit wird das Projekt nämlich weiter vorangetrieben – und viele Sparkassen unterstützen es durchaus.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Gemengelage:

Wie sind die Aussage von Schleweis und Reuter zu werten?

Die bayerischen Sparkassen haben sich mit dem gestrigen Tag eindeutig gegen die Idee einer ans Girokonto geknüpften Krypto-Wallet positioniert. Zur Einordnung: Mit einer Bilanzsumme von 240 Milliarden Euro und 63 Einzelinstituten machen die Sparkassen im Freistaat immerhin rund 17 Prozent der deutschen Sparkassen insgesamt aus. Die Aussagen von Schleweis fielen zwar nicht ganz so kategorisch wie die von Reuter aus. Dass der DSGV-Präsident allerdings ebenso wie der bayerische Sparkassen-Präsident den Vergleich mit einem „Schneeballsystem“ bemüht, das zeigt: Auch Schleweis gehört zu den Gegnern der Pläne.

Auf explizite Nachfrage von Finanz-Szene und Finance Forward zeigten sich auch weitere regionale Sparkassen-Verbände skeptisch. In der Wortwahl waren sie allerdings weniger resolut als der DSGV und der Sparkassenverband Bayern. So sprach sich der schleswig-holsteinische Sparkassen-Präsident Oliver Scholz sowohl gegen Krypto-Trading als auch gegen eine Anbindung eines Krypto-Features an das Girokonto aus. Stattdessen gehe es darum, „unserer Kundschaft ein eigenes Angebot für den sicheren Zugang zu Krypto-Assets zu machen, ohne dass wir diese als Geldanlage empfehlen.“

Wer sind die Befürworter der Krypto-Wallet?

Explizit will sich momentan noch kein Sparkassen-Funktionär hinter die Krypto-Pläne stellen – zumal der jüngste Einbruch des Bitcoin-Kurses die Kritiker wie Reuter für den Augenblick zu bestärken scheint. Gleichwohl hat das Projekt nach Informationen von Finanz-Szene und Finance Forward zumindest in zwei großen Regionalverbänden klare Sympathisanten.

So wird darauf verwiesen, dass laut sektorinternen Erhebungen immerhin rund zehn Prozent der Sparkassen-Kunden digitale Währungen besitzen oder sich wenigstens für das Thema interessieren. Klingt erst einmal nach wenig. Entspräche gemessen den rund 50 Millionen Sparkassen-Kunden insgesamt aber immerhin einem Potenzial von fünf Millionen Kunden. „Da muss man sich schon sehr gut überlegen, ob man diese Kunden von vornherein zu anderen Anbietern schicken will – oder ob man nicht eine Lösung entwickelt, die zumindest dieser Kundengruppe gerecht wird“, heißt es in einem Regionalverband.

Zudem wird dem öffentlich entstandenen Eindruck widersprochen, die S-Payment (also jenes Verbundunternehmen, bei dem das Krypto-Projekt momentan angesiedelt ist) habe rein aus eigener Initiative gehandelt. So betont Peter Schneider, der Präsident des baden-württembergischen Sparkassenverbands, dass „die Anfragen von einzelnen Kundinnen und Kunden zunehmen, ob sie über ihre Sparkasse auch Kryptowährungen kaufen können“. In diesem Kontext sei „die Initiative der S-Payment zu sehen, Möglichkeiten zum Handel, Empfangen und Senden von Kryptowährungen aufzuzeigen“.

Wie positionieren sich andere Verbund-Unternehmen?

Zu den Kritikern des Krypto-Projekts soll die Deka gehören – also der Fondsdienstleister der Sparkassen. Nachvollziehbar wäre es. Denn die S-Payment ist – wie der Name schon sagt – ja eigentlich ein sektorinterner Entwickler von Lösungen für den Zahlungsverkehr. Eine Krypto-Wallet allerdings wäre nur vordergründig ein Payment-Feature. De facto würde ein Tool geschaffen, mit dem die Kunden in Kryptowährungen investieren und also auf Kursgewinne bei Bitcoin, Ethereum und Co. spekulieren könnten. Mit anderen Worten: Die S-Payment wagt sich hier in ein Feld vor, dass eigentlich die Deka besetzt.

Kritiker halten die Pläne der S-Payment denn auch für unausgegoren. Es werden „am Frontend gepinselt“ und übersehen, dass man mit einer Wallet-Lösung die Kunden letztlich an Fintechs und Krypto-Börsen verliere. Wolle der Sektor das Thema ernsthaft angehen, dann müssten Anlagemöglichkeiten kreiert werden, die die Kundenbeziehung stärkten, statt sie aufs Spiel zu setzen.

Wie ist der Stand des Projekts?

Die S-Payment soll sich nach Informationen von Finance Forward und Finanz-Szene Hilfe beim Münchner Startup Tangany geholt haben, das über eine Krypto-Verwahrlizenz verfügt und beispielsweise für den Immobilienfinanzierer Exporo die Assets verwaltet. Tangany könnte bei der Krypto-Wallet als White-Label-Partner für die Sparkassen fungieren. Fachlich gesprochen würde es sich damit um ein sogenanntes Custodial-Wallet handeln. Die Codes für die Kryptowährungen („Private Keys“) würden von einem Dienstleister verwaltet und lägen nicht bei dem Kunden selbst.

Was sind die nächsten Schritte?

Erst einmal soll das kleine Team bei der S-Payment die Krypto-Wallet weiter entwickeln und im Laufe der nächsten Monate dann die Ergebnisse vorstellen. Eine Entscheidung, ob das Projekt zumindest als Pilot umgesetzt wird, soll im Laufe dieses Jahres fallen. Im Moment scheinen drei Szenarien denkbar:

– Der Sektor einigt sich auf eine Kompromisslösung
– Die Krypto-Wallet kommt in ihrer angedachten Form – wird aber nur von ausgewählten Sparkassen umgesetzt
– Die Pläne werden komplett begraben – was vor allem dann wahrscheinlich wäre, wenn sich der Kursrutsch bei den Kryptowährungen in den kommenden Monaten fortsetzt.