370 verschiedene Sparkassen gibt es in Deutschland. (Bild: imago/Geisser)

Sparkassen bereiten Bitcoin-Handel vor

Exklusiv: Die Sparkassen wollen 2022 mit einem Service für Kryptowährungen starten. Damit könnten 50 Millionen Kunden potentiell in den Markt der neuen Geldanlageform einsteigen.

Auch diesmal, so schien es, war Paypal den deutschen Banken wieder mal voraus. Mitte 2020 verkündete der Payment-Riese seinen Einstieg ins Krypto-Geschäft. Die Nachricht elektrisierte die Szene, sie galt als Signal, dass digitale Währungen wie Bitcoin oder Ethereum nun endgültig im Massenmarkt angekommen sind. Schließlich verfügen rund 400 Millionen Menschen auf der Welt über ein Paypal-Konto, allein in Deutschland sollen es mehr als 20 Millionen sein.

Und tatsächlich: Bald darauf ging das Krypto-Feature live. Nutzer können digitale Währungen wie Bitcoin oder Ethereum nun ganz bequem über ihren Paypal-Account ordern. Allerdings: Sie können das nicht überall auf der Welt. Zunächst wurde das Feature in den USA installiert, britische Paypal-Kunden erhielten es diesen Sommer. In Deutschland hingegen? Warten die Paypal-Nutzer bis heute.

Und so könnte es sein, dass die hiesigen Banken die Sache diesmal umdrehen und sie es sind, die ausnahmsweise mal Paypal zuvorkommen. Wobei es genau genommen nicht um die Banken geht. Sondern: um die Sparkassen. Ausgerechnet die gern mal als behäbig geltenden Kommunalinstitute arbeiten laut gemeinsamen Recherchen von Finance Forward, Finanz-Szene und Capital nämlich an einem eigenen Krypto-Wallet.

Sparkassen hatten Apple Pay bereits erfolgreich umgesetzt

Sollte aus dem Geheimprojekt Realität werden, wäre das ein Paukenschlag. Schließlich sind die Sparkassen der klare Marktführer unter den deutschen Geldhäusern, mit grob 50 Millionen Kunden ist ihre „Nutzerbasis“ noch einmal ungleich größer als die von Paypal. Welches enorme Schwungrad die Sparkassen loszutreten wissen, zeigte sich, als sie im August vergangenen Jahren als bis heute einziges hiesiges Geldinstitut die Girocard mit Apple Pay verknüpften. Binnen weniger Tage hatten mehr als 500.000 Nutzer die Funktion freigeschaltet, einige Wochen später berichtete Apple (obwohl der US-Konzern ansonsten fast nie Nutzerzahlen preisgibt) stolz von 1,5 Millionen Sparkassen-Kunden, die bereits Apple Pay nutzten. Ein großer Erfolg für beide Seiten war das damals – und ein Durchbruch für Mobile Payment in Deutschland.

Ist das auch diesmal der Plan? Bringen die Sparkassen den Bitcoin zum Normalkunden? Wollen sie das überhaupt (denn die Sache bringt ja auch Risiken mit sich)? Und können sie das überhaupt (denn es gibt ja – siehe Yomo – auch diverse Beispiele, wo digitale Sparkassen-Projekte im Fiasko endeten)?

Ein vielleicht gutes Omen: Das geheime Krypto-Projekt ist innerhalb des weitverzweigten Sparkassen-Sektors dort angesiedelt, wo einst auch die Apple-Pay-Projekte ausgetüftelt wurden. Nämlich: beim „Deutschen Sparkassenverlag“ – oder genauer noch: bei deren wichtigster Sparte, der S-Payment, einem gruppeneigenen Dienstleister, der für die einzelnen Sparkassen nicht nur, aber in erster Linie Zahlungsverkehrs-Lösungen entwickeln und bereitstellen soll.

Dass bei der S-Payment auch mal gegen den Strich gebürstet wird, zeigte sich im vergangenen Jahr bei einer Schlüsselpersonalie. Da besetzte das in Stuttgart ansässige Unternehmen einen ihrer Geschäftsführerposten nicht wie sonst üblich intern. Sondern: Man verpflichtete Erik Meierhoff, in dessen Lebenslauf sich Digital-Unternehmen wie Idealo und Rakuten finden. Er soll auch hinter dem Krypto-Wallet-Projekt stehen, das innerhalb des Sektors momentan noch wie eine Verschlusssache behandelt wird.

Keine zusätzliche Authentifizierung erforderlich

Die Idee, die Meierhoff und sein Team schon seit Monaten verfolgen, sieht grob skizziert wie folgt aus: Die Sparkassen-Kunden sollen die digitalen Währungen unmittelbar über ihr Girokonto ansteuern können. Also ohne eine der großen Krypto-Börsen wie Coinbase nutzen zu müssen. Ohne sich bei Spezial-Fintechs wie Bison (der Krypto-App der Börse Stuttgart) oder Bitpanda (dem Wiener Fintech-Unicorn) anzumelden. Die Barrieren sollen so weit wie möglich gesenkt werden. Was auch bedeutet: Die Kunden bräuchten sich für das Krypto-Feature nicht einmal zu identifizieren – denn identifiziert sind sie als Girokonto-Kunde ja schon. Eine darüber hinaus gehende Authentifizierung für die Wallet wäre nicht nötig.

In der Einfachheit liegt auch eine Gefahr – der man sich innerhalb des Sektors sehr bewusst sein dürfte. Denn: Was theoretisch als Währungstausch via Krypto-Feature daherkäme (Euro gegen Bitcoin oder Ethereum), wäre de facto nichts anderes als ein Investment. Um nicht zu sagen: eine Spekulation. Zu einfach dürfen es die Sparkassen ihren Kunden am Ende also auch nicht machen, mit Kryptowährungen zu handeln. Es geht schließlich nicht nur um regulatorische Fragen. Sondern – im Falle etwaiger Verluste – auch um die Reputationsrisiken. Zur Erinnerung: Zuletzt war der Bitcoin-Kurs, nachdem er sich im Verlauf des Jahres zeitweise verdoppelt hatte, um rund 30 Prozent eingebrochen.

Ohne irgendeine Form von „Eignungsprüfung“ werde es nicht gehen, sagt ein Kenner des Projekts. Da unterliegt die Sparkasse vor Ort anderen Zwängen als zum Beispiel die Berliner Krypto-Fintech-Bank Nuri, die bei ihrer Klientel den Spaß am Spekulieren voraussetzen darf.

Bitcoin bei Sparkassen noch 2022?

Was als Nächstes zu klären sein wird, das sind die technischen Details. Beantragt die S-Payment oder ein sonstiger Sparkassen-Player bei der Bafin eine Krypto-Verwahrlizenz? Oder setzt man bei der Verwahrung der digitalen Währungen auf spezialisierte Fintech-Partner, wie zum Beispiel Tangany einer ist? Eine andere Frage: Wie soll das Krypto-Feature in die IT-Systeme integriert werden? Denn: Wenn der Handel über das Girokonto laufen soll, dann müsste mutmaßlich auch die Finanz Informatik, also der zentrale IT-Dienstleister der Sparkassen, eingebunden werden.

Und was die S-Payment natürlich auch braucht – das ist das Plazet des Verbunds. Denn erstens dürfte man die Krypto-Pläne zum Beispiel bei der Deka (also beim Asset Manager der Sparkassen) durchaus alarmiert verfolgen, schließlich dürfte dort ein Investmentansatz via Krypto-Fonds bevorzugt werden. Und zweitens: Ein so weitreichendes Feature wie eine Krypto-Wallet wird bei den Sparkassen grundsätzlich nicht eingeführt, ohne dass die notorischen Gremien darüber befunden haben. Zum einen ist das der sogenannte Lenkungsausschuss, dem Vertreter der gesamten S-Finanzgruppe angehören. Dann der auf entsprechende neue Produkte spezialisierte Fachausschuss. Und vermutlich müsste am Ende sogar der beim Sparkassen-Verband angesiedelte Gesamtvorstand der Krypto-Wallet zustimmen.

Im besten Fall, so ist zu hören, könnten die entsprechenden Beschlüsse bis Ende des ersten Quartals gefasst werden – sodass im Laufe des Jahres die ersten Sparkassen die Krypto-Wallet zumindest testweise launchen können. Mag natürlich sein, dass Paypal bis dahin dann doch schon gestartet ist.