Im Sparkassen-Lager gibt es Diskussionen über die Zukunft von „Yes“. (Bild: Julius Döllefeld on Unsplash)

Deutsche Kreditwirtschaft sondiert eine Fusion von Verimi und Yes

Exklusiv: Die Identitäts-Startups Verimi und Yes verhandeln über einen Zusammenschluss, hinter beiden Unternehmen stehen große deutsche Banken. Bislang blieben die ambitionierten Projekte hinter den Erwartungen zurück.

In der deutschen Kreditwirtschaft bahnt sich eine Fusion der beiden Identitäts-Dienste Verimi und „Yes“ an. Das besagen exklusive Informationen von Finance Forward und Finanz-Szene. Der Hintergrund: An Verimi ist maßgeblich die Deutsche Bank beteiligt – neben weiteren Finanzkonzernen wie der Allianz und VW Financial Services. Bei Yes wiederum hatten sich vor ein paar Jahren die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparkassen eingekauft. Letztere allerdings sollen mit der operativen Entwicklung bei Yes zunehmend unzufrieden sein.

Die Folge: In den einschlägigen Gremien des Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV) wird den Informationen zufolge derzeit offen ein Ausstieg aus Yes diskutiert. Eine solche Entscheidung hieße nun aber, dass die Genobanken faktisch bei Yes allein zurückblieben – was zumindest nicht deren Wunschkonstellation sein dürfte, wie es in Branchenkreisen heißt.

Einen möglichen Ausweg böte daher die Zusammenlegung mit Verimi. Was die möglichen Konditionen eines solchen Deals angehe, scheinen die Vorstellungen allerdings noch auseinander zu liegen. So soll die Verimi-Seite auf einer klaren Führungsrolle innerhalb eines etwaigen Joint-Ventures beharren. Was dem Vernehmen nach impliziert: Die Verimi-Gesellschafter würden sich auf einen Zusammenschluss nur dann einlassen, wenn sie an dem Gemeinschaftsunternehmen die klare Mehrheit halten.

Startschwierigkeiten bei den ambitionierten Projekten

Ob Verimi und Yes in dem schwierigen Markt beide langfristig als eigenständige Player bestehen können, ist ungewiss. Verimi war 2018 als sogenannter „Single Sign-on“-Dienst gestartet und sollte die deutsche Antwort auf die Identifizierungs-Features globaler Techkonzerne wie Google oder Facebook werden. Die großen Erwartungen konnte das Projekt allerdings nicht erfüllen. Das Startup tat sich schwer, auf die notwendige Reichweite zu kommen. Das Grundproblem: Während die Verbraucher mit Diensten wie „Facebook Connect“, „Login with Google“ oder „Sign-In with Apple“ fast automatisch in Berührung kommen, mangelt es Verimi bis heute an Sichtbarkeit.

Geschäftsführer Roland Adrian schwenkte um, bereits 2019 änderte sich der Fokus auf „digitale Identitäten“ – eine Funktion, um beispielsweise ein Bankkonto zu eröffnen. Zu den Partnern zählen zum Beispiel die Finanz-Software Buhl, die Deutsche Bank oder die Versicherung Allianz. Über Nutzerzahlen sprach das Unternehmen in der Vergangenheit nicht. Doch der kommerzielle Erfolg war bescheiden: 2020 machte das Unternehmen einen Umsatz von rund 50.000 Euro, bei einem Fehlbetrag von 19 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr sollen sich die Provisionserlöse immerhin verdreifacht haben. Zurzeit befindet es sich wegen einer Datenpanne in den Schlagzeilen, die die IT-Sicherheitsforscherin Lilith Wittmann öffentlich machte.

Hinter dem Konkurrenzprodukt Yes stehen wiederum die Sparkassen und Volksbanken. Dabei hatten sich insbesondere manches Kommunalinstitut mit der Beteiligung schwergetan, innerhalb der Gruppe musste heftig dafür geworben werden. Über den Zugang des Girokontos kann man sich auch bei anderen Diensten identifizieren. Bei einigen Kommunen lässt sich der Dienst mittlerweile verwenden, um eine digitale Unterschrift abzugeben, wie zum Beispiel bei der Stadt Marburg. Der Steuer-Software-Anbieter Buhl gehört ebenfalls zu den Partnern.

Genossen engagieren sich stärker bei Yes

Sparkassen und Genobanken hatten sich Ende 2018 auch finanziell an „Yes“ beteiligt. Die Investition lief damals über zwei Verbundunternehmen, nämlich über den Deutschen Sparkassenverlag (DSV) auf der einen Seite sowie über die heutige Atruvia (damals noch „Fiducia & GAD“) auf der anderen. Letztere übernahm zunächst fünf Prozent der Anteile, die Höhe der Sparkassen-Beteiligung blieb unklar. Als weiterer strategischer Investor stieg etwas später auch noch die Münchner Auskunftei Crifbürgel ein.

Innerhalb des Sparkassen-Sektors war die Beteiligung gleichwohl immer umstritten. So weigerte sich beispielsweise ausgerechnet die zum DSGV gehörende Berliner Sparkasse, die Dienste von Yes in die eigenen Kundenanwendungen einzubauen; auch etliche Institute aus dem Gebiet des Ostdeutschen Sparkassenverbands machten nicht mit. Zur wachsenden Unzufriedenheit trugen wohl auch technische Gründe bei. So täten sich die Sparkassen aufgrund der insgesamt schlechteren Qualität ihrer Kundendaten mit der Nutzung von Yes schwerer als die Volks- und Raiffeisenbanken, sagen Kenner.

Tatsächlich scheint es so, als werde die Entwicklung von Yes im Genosektor deutlich positiver eingeschätzt als bei den Sparkassen. In den letzten Monaten sei erkennbar mehr Dynamik in das Projekt gekommen, die Produktpalette vervollständige sich, das Kundeninteresse etwa aus dem kommunalen Raum nehme spürbar zu, ist zu hören. Was ebenfalls eine Rolle spielen könnte: Die Genossen sollen bei Yes in stärkerem finanziellen Umfang engagiert sein als bislang öffentlich bekannt. So habe die Atruvia – also der genossenschaftliche IT-Dienstleister, über den die Beteiligung läuft – dem Startup in Corona-Zeiten ein Wandeldarlehen in angeblich siebenstelliger Höhe zur Verfügung gestellt, heißt es in Finanzkreisen. Atruvia wollte sich hierzu gestern nicht äußern. Auch alle anderen involvierten Unternehmen wurden von Finanz-Szene und Finance Forward mit den Rechercheergebnissen konfrontiert; eine Stellungnahme war nicht zu erhalten.

Ein Zusammenschluss als naheliegende Lösung

Am liebsten wäre es den Genossen vermutlich, wenn sich die Stimmung innerhalb des Sparkassen-Sektors noch einmal dreht. Völlig ausgeschlossen scheint das nicht. Denn auch wenn innerhalb des Sparkassen-Sektors gewichtige Kräfte für einen Ausstieg aus Yes plädieren – final gefällt soll die Entscheidung noch nicht sein. Zumal über die Beteiligung letztlich der Deutsche Sparkassen-Verlag und nicht der DSGV entscheidet. Und da es auch weiterhin Sparkassen gibt, die an Yes eigentlich lieber festhalten würden, und der DSV als Dienstleister auch diesen Sparkassen verpflichtet ist, erscheint denkbar, dass die rote Gruppe zumindest mit einem Bein dann doch im Projekt bleibt.

Ob eine solche Konstellation dauerhaft tragfähig wäre, erscheint gleichwohl fraglich. Und so könnte eine Zusammenlegung mit Verimi auch politisch eine für alle Seiten naheliegende Lösung darstellen. Angeblich wollen sich die Verimi-Gesellschafter in den nächsten Tagen mit dem Thema befassen. Eine finale Entscheidung sei bei dem Treffen noch nicht zu erwarten, heißt es in Finanzkreisen. Aber vielleicht eine Vorentscheidung.