Das fragwürdige „Community Funding“ von Sono Motors
Exklusiv: Recherchen von Capital und Finance Forward zeigen, wie das Solarauto-Startup Sono Motors sich unter dem Label des „Community Fundings“ mit einem kreativen, teils fragwürdigen Finanzierungsmodell am Markt halten wollte. Einige Juristen halten es für ein verbotenes Einlagengeschäft.
Carsten Bruch hat lange auf sein Solarauto gehofft. „Sono Motors war für mich wie das gallische Dorf der Autoindustrie“, sagt der Familienvater. Ein kleines Team, das es mit den großen Autokonzernen aufnimmt. Das Münchner Startup versprach Mobilität ohne Reue. Grün, nachhaltig, bezahlbar. Bruch, der mit seinem richtigen Namen nicht in der Öffentlichkeit stehen will, gefiel die Vision der jungen Gründer. Ende 2019 überwies er 1.000 Euro, als Anzahlung auf das Solarauto, das zwei Jahre später vom Band laufen sollte.
Mit seiner Hoffnung auf die Ökorebellen aus München war er nicht allein: Im Rahmen von sogenannten „Community Fundings“ haben bis zum Ende rund 21.000 Privatpersonen knapp 44 Millionen Euro an Sono Motors vorgestreckt. Doch spätestens seit Februar 2023 ist klar: Das E-Auto, das mithilfe von Solarpanels einen Teil seiner Antriebsenergie selbst produzieren sollte, wird nie kommen.
Kreative Finanzen
Mittlerweile stellt sich auch die Frage, ob das „Community Funding“ an sich überhaupt legal war. „Mich würde es nicht wundern, wenn sich mit dem Fall unter verschiedensten Gesichtspunkten noch Strafgerichte befassen werden“, sagt Andreas Walter, Rechtsanwalt bei der Frankfurter Wirtschaftskanzlei Schalast im Gespräch mit Finance Forward und dem Wirtschaftsmagazin Capital.
Sono Motors hat seit der Gründung mehrfach zur Schwarmfinanzierung aufgerufen, weil Verhandlungen mit Profi-Investoren scheiterten und dem Startup immer wieder das Geld für die Entwicklung ausging. Erst ging es um ein paar hunderttausend Euro, dann um 50 Millionen Euro, später sogar um 100 Millionen Euro.
Bei größeren Crowdfunding-Summen gilt in Deutschland eine Prospektpflicht. Die Erstellung ist in der Regel kostspielig und kann Monate dauern. Sono entschied sich ab 2019 für einen Weg ohne viel Papierkram und nannte das Konzept „Community Funding“.
Die Fans sollten eine „Reservierungsanzahlung“ von bis zu 25.500 Euro auf ein Auto leisten, das es noch gar nicht gibt. Ohne Zins, ohne Sicherheiten. Laut AGB besteht nicht einmal ein unmittelbarer Anspruch auf ein Auto, im schlimmsten Fall droht der Totalausfall der Zahlung.
„Ich habe auf der Internetseite meine IBAN angegeben und drei Häkchen gesetzt, die AGB kamen dann per Mail“, erinnert sich Carsten Bruch. Eine Risikoaufklärung habe er beim Abschluss nicht bekommen.
Sono droht Ärger wegen verbotenem Einlagengeschäft
Mehrere Juristen, mit denen Capital und Finance Forward gesprochen haben, sehen beim „Community Funding“ einen Konflikt mit dem Kreditwesengesetz. „Aus meiner Sicht handelt es sich hier um ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft“, sagt Rechtsanwalt Walter. Entscheidend sei, dass die AGB von Sono Motors keine echte Gegenleistung beschreiben. „Hierbei ist vollkommen gleich, wie der Vertrag genannt wird. Mit Reservierung im klassischen Sinne hat das Modell jedenfalls nichts zu tun“, sagt Walter.
Für rechtskonforme Einlagengeschäfte bräuchte Sono Motors eine Genehmigung der Finanzaufsicht Bafin, die es laut offiziellem Register nicht hat. Auch Lutz Tiedemann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Hamburg, sieht in dem „Community Funding“ ein verbotenes Einlagengeschäft. Er vertritt nach Informationen von Capital und Finance Forward derzeit einen Kleinanleger in der Sache, der ähnlich wie Carsten Bruch Schwierigkeiten hat, sein Geld zurückzubekommen.
Bafin sieht sich nicht zuständig
Die Finanzaufsicht Bafin sieht sich für Sono Motors nicht zuständig. Aus ihrer Sicht lägen bisher keine Hinweise für erlaubnispflichtige Geschäfte vor, teilte die Behörde auf Anfrage mit.
Auch Sono sieht sich im Recht. „Es ging uns immer darum, gemeinsam mit der Community bezahlbare Solar-Elektromobilität auf die Straße zu bringen, und somit wollten wir mit Sion-Reservierungen keine Anlageoption oder ein Renditeprojekt anbieten“, teilte ein Unternehmenssprecher mit. Man plane die Rückzahlung aller Anzahlungen.
Großteil der Kunden wartet noch immer auf das Geld
Ende Februar bekommt Carsten Bruch Post, es geht um die Rückzahlung seiner Reservierung. Sono bittet ihn zuerst, auf einen Teil des Geldes zu verzichten, quasi als Spende. Als er ablehnt, fordert das Startup ihn auf, einer Rückzahlung auf Raten bis 2025 zuzustimmen. Die Community soll ein letztes Mal einspringen, damit wenigstens das Solargeschäft weitergehen kann.
Bruch glaubt da schon längst nicht mehr an die Zukunft von Sono Motors. „Die Community sollte immer helfen und wird dann nach Strich und Faden an der Nase herumgeführt“, sagt er. Nach mehrfachem Drängen hat er seine 1.000 Euro inzwischen wieder zurückbekommen. Andere Unterstützer warten immer noch auf ihr Geld: Nach Informationen von Capital und Finance Forward hat Sono Motors bisher erst 1,7 Millionen der 44 Millionen Euro an seine Kunden zurückgezahlt. Weitere 800.000 Euro befinden sich laut Sono Motors im Rückstau.