Die Solarisbank ist eines der größten deutschen Fintechs (Bild: PR)

Solaris erhält Zuschlag für Kreditkarten-Portfolio des ADAC

Exklusiv: Das Banking-Fintech Solaris hat nach Informationen von Finanz-Szene und Finance Forward einen großen Partner gewonnen – rund 1,3 Millionen ADAC-Kunden verwenden das Konto bislang, die nun von der Landesbank Berlin zum Berliner Fintech wechseln würden.

Die Solarisbank hat im siebten Jahr ihres Bestehens das erste ganz große Mandat an Land gezogen. Wie Finanz-Szene gestern von mehreren mit der Angelegenheit vertrauten Personen erfuhr, wird das Berliner „Banking as a Service“-Fintech neuer Co-Branding-Partner für das Kreditkarten-Portfolio des ADAC.

Der Automobilclub hatte das schätzungsweise rund 1,3 Millionen Karten umfassende Mandat neu ausgeschrieben, nachdem er sich im vergangenen Jahr mit seinem langjährigen Issuing-Partner – der Landesbank Berlin – überworfen hatte. Neben der Solarisbank hatte sich zuletzt vor allem die Hanseatic Bank intensiv um den Zuschlag bemüht. Letztlich sei die Entscheidung aber zugunsten des Berliner Fintechs gefallen, sagen die Quellen.

Für die Solarisbank könnte der Deal eine geradezu transformative Bedeutung haben. So schätzt ein Insider, dass das Co-Branding-Geschäft der Landesbank Berlin in starken Jahren Erträge von bis zu 300 Millionen Euro beschert habe. Nun lässt sich dieser Betrag zwar nicht eins zu eins auf die Solaris übertragen, weil …

– in den mutmaßlichen rund 300 Mio. Euro auch die LBB-Partnerschaft mit Amazon eingerechnet war
– das Co-Branding seine ganz starken Jahre hinter sich haben dürfte
– und der ADAC der Solarisbank vermutliche härtere Konditionen aufnötigt als der LBB

… Zudem: Im Co-Branding-Geschäft stehen bei der Issuing-Bank hohen Erträgen immer auch hohe Aufwendungen gegenüber. Und doch: Wenn man bedenkt, dass die Solarisbank im abgelaufenen Geschäftsjahr gerade mal Gesamterträge von 101 Millionen Euro erwirtschaftet hat, wovon gut die Hälfte die im Sommer letzten Jahres übernommene britische Contis beisteuerte – dann bekommt man zumindest eine grobe Ahnung, dass das Berliner „Banking as a Service“-Unicorn mit dem ADAC-Deal ertragsseitig in neue Dimensionen vorstoßen dürfte.

Die Entscheidung des Automobilclubs für die Solarisbank hat über die beiden Unternehmen hinaus auch für die Branche eine erhebliche symbolische Bedeutung. So galt das Co-Branding vor nicht allzu langer Zeit noch als Domäne der klassischen Banken, neben dem Marktführer LBB tummelten sich beispielsweise auch die DKB (als Partner der Lufthansa und BMW) oder die Commerzbank (als Issuer für die Kreditkarten der TUI, Tchibo sowie der Deutschen Bahn) in dem Beritt. Wie Finanz-Szene allerdings Anfang September exklusiv berichtete, wird die Coba ihre Partnerschaft mit der Bahn in Kürze einstellen, womit der Commerzbank nur zwei wesentliche Partner bleiben und ein Rückzug auf Dauer nicht auszuschließen ist.

Die Landesbank Berlin wiederum hat genau diese bereits angekündigt. Heißt: Auch Amazon dürfte sich momentan nach einem neuen Partner umsehen. Sollte die Solarisbank diesen Pitch ebenfalls gewinnen, wäre aus dem Newcomer binnen kürzester Zeit der neue Platzhirsch im deutschen Markt geworden.

Vor welchen Herausforderungen die Solarisbank jetzt steht

Ursprünglich hatten sich laut Informationen von Finanz-Szene und Finance Forward gleich mehrere Banken für das ADAC-Mandat interessiert. Nachdem allerdings Barclays (also die ehemalige Barclaycard) die bewusste Entscheidung gegen eine Expansion ins Co-Branding-Geschäft traf und klassische Anbieter wie die Commerzbank oder die DKB lieber außen vor blieben, lief in den zurückliegenden Monaten alles auf einen Zweikampf zwischen der Hanseatic Bank und eben der Solarisbank hinaus. Die naheliegende Wahl wäre eigentlich die Hanseatic gewesen, sagen Marktkenner. Schließlich verfügen die Hamburger über immense Erfahrung im Karten- und Kreditgeschäft. „Mit diesem Partner hätte der ADAC wenig falsch machen können“, meint ein Insider.

Und die Solaris? Hat sich zwar als Bankpartner etlicher aufstrebender Frontend-Fintechs wie Trade Republic, Penta oder Vivid Money einen Namen gemacht. Dabei basierte das übliche „Konto & Karte“-Modell allerdings auf der Ausgabe von Debitkarten; im Umgang mit Kreditkarten (und damit einhergehend auch Kreditrisiken) ist das Fintech eher unerfahren. „Eine Entscheidung für die Hanseatic Bank wäre eine Entscheidung für die Kreditkompetenz gewesen – wohingegen die Entscheidung für die Solarisbank eine Entscheidung für Technologie und Innovation ist“, meint der  Insider. Er geht davon aus, dass der ADAC sein Karten-Portfolio schon bald um neue Features erweitern will. „Dafür müsste ein Fintech als Partner eigentlich wie gemacht sein.“

Eine spannende, aber kaum zu beantwortende Frage lautet: Hat die Solarisbank den ADAC-Pitch vor allem über die Kompetenz gewonnen – oder nicht doch eher über den Preis? Denn einerseits: Das Signal, das die Berliner mit dem neuen Kunden in den Markt senden, könnte eindrücklicher kaum sein. Andererseits: Als Cashcow wird sich der ADAC nicht hergeben. So haben auch schon andere Banken (und am Ende eben auch die LBB) spüren müssen, dass kundenstarke Unternehmen wie der Automobilclub oder Amazon ihren Co-Branding-Partnern tendenziell eher die Bedingungen diktieren als umgekehrt.

Was hinzukommt: Seit der Kappung der Interchange im Jahr 2015 sind die Zeiten der ganz leicht zu verdienenden Margen im Kreditkartengeschäft passé. Zudem (siehe hier): Wie Finanz-Szene zuletzt exklusiv berichtet hatte, ist die Zahl der hierzulande ausgegebenen Kreditkarten im vergangenen Jahr um 2,1 Mio. auf nur noch 38,4 Mio. Stück gesunken. Es droht ein kostenträchtiger Kampf um Marktanteile.

Und ebenfalls ein zu beachtender Aspekt: Ein großer Partner wie der ADAC dürfte das Immer-noch-Startup vor enorme Herausforderungen stellen. So sollen in der Landesbank Berlin nach unseren Informationen allein im Kartengeschäft rund 250 Leute gearbeitet haben. Dagegen beschäftigt die Solarisbank (auch hier gilt: Contis bereits eingerechnet) momentan insgesamt gerade mal rund 700 Mitarbeiter – von denen die meisten auch ohne den neuen Vorzeigepartner schon genug zu tun haben dürften.

Vor diesem Hintergrund gewinnen auch die jüngsten Aussagen von Solarisbank-Vorstandschef Roland Folz noch einmal an Brisanz. Der nämlich hatte gegenüber „Bloomberg“ gemeint: „Wenn Partnerunternehmen nicht profitabel genug oder zu risikoreich für uns sind, kann das letztlich auch bedeuten, dass wir Geschäftsbeziehungen beenden.¡ Zumindest dürfte sich die Position von kleinen Solarisbank-Partnern wie Tomorrow oder Finom durch den ADAC-Coup nicht verbessert haben.