Fragwürdige Immobiliendeals – Ride Capital hat Ärger mit Investoren
Das Fintech Ride Capital gründet und verwaltet vermögensverwaltende GmbHs für eine reiche Zielgruppe. Im Hintergrund wickelte das Gründerteam Immobilien-Deals über die Firma ab – Altlasten eines früheren Geschäftsmodells. Weil einer davon massiv problembelastet war, gibt es nun Ärger mit Investoren.
Mitten im Blockchain-Hype gründet Christine Kiefer 2018 ihr Startup Ride. Das Vorhaben: Immobilien auf Basis der Blockchain-Technologie zu tokenisieren. Anteile an einer Immobilie werden also in digitale Tokens umwandelt, die dann gehandelt werden können, ähnlich wie Aktien auf dem Finanzmarkt.
Kiefer ist kein unbekannter Name in der Szene, sie hat nach fünf Jahren bei Goldman Sachs in London die Fintechs Billpay und Pair Finance mit aufgebaut, wird später Mitglied im Fintech-Rat der letzten Bundesregierung und 2022 von Payment & Banking als „Unternehmerin des Jahres“ ausgezeichnet.
Das Geschäft setzt Ride Capital mithilfe von Untergesellschaften auf, mit denen es Immobilien oder Grundstücke kauft. Dort soll dann neuer Wohnraum geschaffen werden, bevor das fertige Projekt dann mit Gewinn wieder verkauft wird. Finanziert werden die Projekte zum Teil von Anlegerinnen und Anlegern, die an dem Gewinn beteiligt werden sollen. Dafür bekommen sie tokenisierte Anteile über eine Zweckgesellschaft. Das Gründerteam richtet sich zunächst an sein Umfeld, die Liste der Investoren sind in der deutschen Startup-Szene keine Unbekannten. Einen Teil an den Projekten hält Ride selbst – so will das Unternehmen sein Geld verdienen.
Mit Immobiliendeals verspekuliert
Zwei Jahre später aber sind Blockchain-Projekte überhaupt nicht mehr so gefragt. Ride Capital ändert seine Ausrichtung: Es agiert jetzt als Dienstleister für den Aufbau von Family Offices für vermögende Menschen. Das neue Geschäftsmodell ist zwar nischig, aber es gibt nun erst recht große Aufmerksamkeit – denn Business Angels wie Amorelie-Gründerin Lea-Sophie Cramer, Startup-Vordenkerin Verena Pausder und Fußballweltmeister Mario Götze steigen in das Unternehmen ein.
Auf Anfrage von Finance Forward erklärt Kiefer: „Aus der Anfangszeit stammen fünf Pilotprojekte, an denen sich aus unserem Umfeld jeweils eine Handvoll Investoren überwiegend mit niedrigen bis mittleren fünfstelligen Beträgen beteiligt haben.“ Auch Mitgründer Felix Schulte und sie selbst hätten investiert. Drei dieser Projekte seien „zur Zufriedenheit der Anleger bereits abgeschlossen worden“, sagt Kiefer. Zwei weitere bestehen aber noch. „Aufgrund der derzeitigen Situation am Immobilienmarkt ziehen sich die Projekte etwas in die Länge, da wir die Abwicklung im Sinne aller Investoren bestmöglich gestalten wollen“, heißt es.
Eines der Projekte befindet sich bei Schwerin an der mecklenburgischen Seenplatte – das Grundstück hatte Ride für 180.000 Euro erworben, wie aus einer alten internen Präsentation hervorgeht, mit dem Ziel, Baurecht für die rund 16 Hektar zu bekommen. Insgesamt beliefen sich die Kosten laut Kalkulation auf 467.000 Euro – dann sei ein Verkaufserlös von satten 1,6 bis 4,1 Millionen Euro möglich, so die Rechnung.
In einer Präsentation, die Finance Forward vorliegt, ist die Rede von einem Multiplikationsfaktor zwischen 3,6 und 8,9 – am Ende habe er damit am Ende aber etwa 15 Prozent Verlust gemacht, berichtet ein Anleger. Nachdem in dem Fall anwaltlich gedroht wurde, sei den Anlegerinnen und Anlegern angeboten worden, einen Teil ausgezahlt zu bekommen oder ihn in andere Ride-Immobilien zu reinvestieren.
Zum Verhängnis wurde Ride dabei auch die globale Zinswende, die den Immobilienmarkt erschütterte, dem stetigen Anstieg der Marktpreise ein Ende setzte – und den Plan durchkreuzte, die Grundstücke in einer guten Marktsituation wieder loszuschlagen.
Geldgeber springt kurz vor Insolvenzfrist ab
Besonders problembelastet ist eines der noch laufenden Projekte, wie aus internen Dokumenten hervorgeht. Ride hatte ein Grundstück in Berlin gekauft, mit dem Plan, es zu teilen. Beide Teile sollten in der Folge jeweils eine Baugenehmigung erhalten – danach wollte Ride sie wieder mit Gewinn verkaufen. Dem allerdings hätten das Bezirksamt und der Senat einen Strich durch die Rechnung gemacht, so die Argumentation des Gründerteams in E-Mails an die Anleger im Frühjahr. Als Grund wird eine „außergewöhnliche Gefahrenlage“ genannt, weil der Senat ein Umwandlungsverbot erlassen habe. Zudem sei das Areal zum Sanierungsgebiet erklärt worden.
Schon im Frühjahr 2023 standen Kiefer und ihr Mitgründer Schulte deshalb massiv unter Druck. Zwar hatten sie einer internen E-Mail zufolge eine Mezzanine-Finanzierung organisiert bekommen. Dabei gibt ein Investor Kapital, das bilanziell zwischen Eigenkapital und dem erstrangigen Fremdkapital steht. Doch der potentielle Geldgeber sei trotz Zusage 21 Tage vor der Insolvenzfrist abgesprungen.
Kiefer und er würden daher mit externen Investoren sprechen, schrieb Schulte in einer Mail an die Anlegerinnen und Anleger. Allerdings sei die beste Variante eine Kapitalerhöhung durch die bestehenden Investoren, da es so noch möglich wäre, einen „Totalverlust zu vermeiden“.
„Auf die einfachste Art und Weise loswerden“
Einige der Anlegerinnen und Anleger zeigen sich vor dem Hintergrund massiv enttäuscht. In E-Mails wird im Laufe des Sommers mit einer Anzeige und dem Gang zum Anwalt gedroht. „Wir sehen diverse Pflichtverletzungen eurerseits in allen bisherigen Projektphasen“, schreibt ein Anleger dem Gründerteam. Er habe sich mit einigen Geldgebern besprochen. Weiter heißt es darin: „Das Projekt wurde von euch scheinbar nicht richtig gemanagt, schlecht kommuniziert und jetzt wollt ihr es auf die einfachste Art und Weise loswerden.“
Kiefer entgegnet im Gespräch mit Finance Forward, sie hätte sich etwas mehr Verständnis und Geduld für die Marktsituation erhofft. Ansonsten konzentriere sich Ride auf sein neues Geschäftsmodell, an dem es seit mehr als vier Jahren arbeite.
Das Fintech bietet nun vermögenden Menschen die Gründung vermögensverwaltender GmbHs an. Die nämlich versprechen steuerliche Vorteile auf Investments, die sonst privat gehalten werden müssten. Ride hilft bei der Gründung und danach bei Verwaltung und Jahresabschluss, inzwischen bietet es über Partner auch den Zugang zu einzelnen Assetklassen.
Auf dem Papier eine vielversprechende Unternehmung: Nach Informationen von Finance Forward sitzen die Kunden des Berliner Unternehmens inzwischen auf Vermögen im Volumen von insgesamt rund 760 Millionen Euro. Nach Informationen von Finance Forward machte allerdings ein einziger Kunde im vergangenen Sommer mehrere Hundert Millionen Euro davon aus. Einzelne Kunden wolle man nicht kommentieren, heißt es auf Anfrage von dem Unternehmen. Insgesamt führe es 2.300 Kunden auf der Plattform.
Im kommenden Jahr will Ride die beiden noch offenen Immobilienprojekte zum Abschluss bringen. Wie viel Rendite sie letztlich erzielen werden, wird sich zeigen.