Revolut macht erstmals Gewinne – wie sieht der Vergleich zum Konkurrenten N26 aus?
Nach einer langen Hängepartie hat das britische Fintech Revolut seine Geschäftszahlen für das Jahr 2021 veröffentlicht. Trotz eines Wachstums gelang es, einen Gewinn einzufahren – doch das dürfte vor allem einen Grund haben.
Eigentlich sollte Revolut bis Ende September liefern. Dann bekam es Aufschub bis Ende 2022. Auch diese Deadline hat das britische Milliarden-Fintech verpasst. Jetzt, ein halbes Jahr später, gelang es Revolut, seinen Geschäftsbericht für Jahr 2021 vorzulegen. Der Verzug hatte sich in den vergangenen Monaten zum Politikum entwickelt. Denn das Fintech bemüht sich mehr als zwei Jahren um eine Lizenz der britischen Aufsichtsbehörde FCA. Die hatte im September die Prüfung der Bilanzen durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO allerdings zunächst als „unzureichend“ kritisiert, wie die Financial Times berichtete. Ein angekratztes Verhältnis, das dem Fintech mittelfristig schadet.
Die vorgelegten Zahlen sind nun auf den ersten Blick beeindruckend. Der Umsatz stieg um 185 Prozent von 223 Millionen Pfund (249 Millionen Euro) auf 636 Millionen Pfund (757 Millionen Euro). Gleichzeitig vermeldet das Unternehmen einen Gewinn von 26 Millionen britischen Pfund (umgerechnet 30 Millionen Euro). Damit zählt Revolut neben Bitpanda zu einem der wenigen profitablen europäischen Endkunden-Fintechs. Doch gleichzeitig ist fraglich, wie nachhaltig dieser Gewinn ist.
So steht es um Revolut
Das Kundenwachstum bei Revolut sieht erst einmal intakt aus: Anfang 2021 habe es elf Millionen Kundinnen und Kunden geführt, heißt es in dem Geschäftsbericht. Über das Jahr hinweg seien weitere fünf Millionen hinzugekommen. Inzwischen zähle das Fintech 25 Millionen Kundinnen und Kunden.
Damit einher geht das gesteigerte Kontoguthaben von 4,6 Milliarden Pfund 2020 auf 7,4 Milliarden Pfund Ende 2021. In einer Pressemitteilung schreibt das Unternehmen stolz von einer „Steigerung um 58 Prozent“. Indes: Gemessen an den jeweiligen Kundenzahlen konnte Revolut dabei das eingezahlte Guthaben lediglich von 418 Pfund auf 450 Pfund pro Kunde steigern.
Es zeigt, die Kunden nutzen das Konto nur für einen Teil ihrer Ausgaben, verfügen nicht über mehr Geld oder ein größerer Teil verwendet das Konto gar nicht. Wie viele der damals 16 Millionen Kundinnen und Kunden tatsächlich auch Erträge bringen – und keine Karteileichen sind, ist nicht bekannt.
Beim deutschen Konkurrenten N26 waren es Ende 2021 insgesamt acht Millionen Kundinnen und Kunden. Sie hatten dabei im Schnitt ein Guthaben von 762 Euro auf ihrem Konto liegen – deutlich mehr als bei Revolut. N26 macht dabei transparent, dass nur rund 3,7 Millionen der Kunden auch Erträge eingebracht haben.
Ohne Krypto sinkt die Differenz
Spannend wird ein genauerer Blick in die Revolut-Zahlen: Demnach verdiente Revolut knapp 350 Millionen Pfund unter anderem mit Geldtransfers in ausländischen Währungen und dem Kryptohandel. Das macht 55 Prozent am Gesamtumsatz aus – 761 Prozent mehr als im Vorjahr. Die anderen Geschäftsbereiche sind deutlich langsamer gewachsen.
N26 arbeitet bei den Auslandswährungen mit dem Partner Wise und führte erst kürzlich den Kryptohandel ein. Für die Bilanz des Jahres 2021 sieht das Geschäft entsprechend schlechter aus – mit einem Verlust von 172 Millionen Euro. Rechnet man das „Forex- und Krypto-Geschäft“ heraus, kommt Revolut auf rund 286 Millionen Pfund (340 Millionen Euro) und N26 auf gesamt 182 Millionen Euro (Bruttoerträge) – damit sinkt die Differenz stark.
Für das Jahr 2022 hat Revolut auch keine Zahlen zum Gewinn oder Verlust öffentlich gemacht. Man sei weiter gewachsen, heißt es. Der Umsatz liege nun bei 850 Millionen Pfund, also etwas mehr als eine Milliarde Euro.
Die Zinserträge fallen bei Revolut dürftig aus. Sie liegen bei 1,7 Millionen Pfund. Das war allerdings auch noch die Zeit vor der Zinswende. Erst im kommenden Jahr zeigt sich, wer sein Geld besser anlegt und das Kreditgeschäft beherrscht. Beachtlich ist außerdem, dass Revolut außerhalb von Europa und Großbritannien praktisch keine Rolle spielt. Und das trotz unzähliger Expansions-Meldungen überall auf der Welt, beispielsweise in die USA oder Südamerika. Nur rund sieben Millionen Pfund erwirtschaftet Revolut dort.
Brandherde
Wie der deutsche Konkurrent N26 hat Revolut zurzeit Diskussionen mit den Aufsichtsbehörden. Allein die Entstehung des Geschäftsberichts hat sich über viele Monate gezogen. Die britische Aufsicht FCA wies im September auf erhebliche Mängel hin, darunter ein „unannehmbar hohes“ Risiko „wesentlicher falscher Angaben“. Das berichtete die Financial Times. Bis Ende September hätte das behoben werden sollen, seitdem hatte Revolut den Jahresabschluss wiederholt für „demnächst“ angekündigt. Verzögerungen bei der Einreichung von Abschlüssen würden zwar selten bestraft, können aber nach britischem Recht zur strafrechtlichen Verfolgung der Unternehmensleiter, zu denen auch Revolut-Chef Nikolay Storonsky gehört, und zu zivilrechtlichen Strafen gegen das Unternehmen selbst führen, schreibt die Zeitung.
Schon vor einiger Zeit wurde bekannt, dass die Finanzaufsicht 2016 gegen Revolut ermittelt hatte, nachdem ein Insider behauptet hatte, das Unternehmen führe Geldwäscheprüfungen nicht angemessen durch. Ein ehemaliger Mitarbeiter erzählte der BBC, dass „der Geschäftsführer sich weigere, auf das Compliance-Team zu hören“. Das habe ihn wichtige Mitarbeiter gekostet, darunter den Chief Risk Officer und den Geldwäsche-Meldebeauftragten.
Bereits seit mehreren Jahren steht es in Großbritannien wegen seiner Unternehmenskultur in der Kritik. In vielen Berichten ist von einer hohen Fluktuation, auch im Management die Rede. Seitdem das auch Thema bei der britischen Aufsichtsbehörde ist, von der sich Revolut die Lizenz erhofft, geht es die Problematik offenbar konkreter an. Anfang des Jahres richtete das Unternehmen eine eigene Abteilung ein, um ein „menschlicheres“ Arbeitsumfeld zu schaffen, wie der Guardian berichtete. Das Team besteht demnach aus Experten für Psychologie und Verhaltenswissenschaften.
In den kommenden Monaten wird sich zeigen, ob sich das Verhältnis zwischen Revolut und dem britischen Finanzaufsicht verbessert. Dass seinem Startup ausgerechnet im Heimatmarkt die Lizenz fehlt, dürfte Gründer Storonsky ärgern. Nun muss Revolut weiter wachsen – in erster Linie bei den genutzten Produkten pro Kunde und dem damit einhergehenden Kontoguthaben pro Kunde. Auch 2023, acht Jahre nach dem Start von Revolut und N26, sind Neobanken noch den Beweis schuldig, dass sie für ihre Kundinnen und Kunden mehr als nur ein Reise- oder Testkonto sein können.
Für einen erfolgreichen Börsengang brauche es „mindestens ein paar Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr“, hatte Gründer Nikolay Storonsky in einem Interview gesagt. Die erste davon hat er, wenn man der Pressemitteilung Glauben schenken darf, geschafft. Nun muss das weitere Wachstum gelingen – auch in einem Kryptowinter.