In der Arnulfstraße befindet sich das Büro von Dock Financial (Bild: IMAGO / Ralph Peters)

Razzien bei Fintech Dock Financial

Exklusiv: Wegen Geldwäsche-Ermittlungen rückte die Polizei beim Finanz-Startup Dock Financial in München und Luxemburg ein. Seit Jahren schlägt sich das mittlerweile insolvente Unternehmen mit Altlasten herum, die Luxemburger Finanzaufsicht untersuchte die Fälle. Eigentlich war mit namhaftem Fintech-Personal und einem Millionen-Investment ein Neuanfang geplant.

Wenige Tage ist es her, dass die Polizei vor einem Bürogebäude in der Münchner Maxvorstadt vorfährt. Unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Dock Financial ist die Aufregung groß. „Mein Telefon glühte“, sagt jemand aus dem Unternehmen. Die Beamten fordern Informationen und verlassen erst nach mehreren Stunden die Büros des Finanz-Startups wieder. Parallel rücken Ermittler auch im Luxemburger Office der deutschen Firma ein. Ein bislang einmaliger Vorfall in der deutschen Fintech-Szene – bislang machte eher die Deutsche Bank mit Bürodurchsuchungen Schlagzeilen.

Die Staatsanwaltschaft aus Luxemburg bestätigt die Ermittlungen wegen Geldwäscheverdacht und einem „möglichen Verstoß gegen die Berufspflichten im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“. Die Behörde, die die beiden Razzien veranlasste, betont: Es gelte die Unschuldsvermutung. Aus dem Unternehmensumfeld heißt es, man habe umfänglich mit den Behörden kooperiert. Die Fälle drehten sich um Altlasten der Münchner Firma, es gehe dabei um Konten aus den Jahren 2019 und 2020, heißt es von mehreren Insidern.

Hoffnungsvoller Start

Damit holt das Fintech eine Vergangenheit ein, die es eigentlich längst hinter sich lassen wollte. Anfang 2022 legte Dock Financial einen hoffnungsvollen Neustart hin, mit einem neuen Führungsteam um den Solarisbank-Gründer Marko Wenthin sollte eine Embedded-Banking-Plattform aufgebaut werden. Das Fintech gewann prominente Großkunden wie die Reiseplattformen Booking.com und Lanes & Planes. In der Szene bekannte Manager wie Timo Weber (ehemals Solaris) und René Albert (ehemals Fintecsystems) stießen zum Team. Investoren pumpten einen Millionenbetrag in das Projekt. Dabei ähnelt das Geschäftsmodell dem von Solaris: Das Fintech wollte großen Firmen ein digitales Bankkonto mit Karte verkaufen. In Luxemburg besitzt die Firma eine entsprechende Banklizenz als E-Geld-Institut.


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Doch parallel existiert weiterhin ein alter Teil der Firma, der früher unter dem Namen Crosscard lief. Dieses Geschäft gehörte zum britischen Zahlungsdienstleister PPRO und umfasste eine Prepaid-Karte für Endkunden (Viabuy) und Crosscard, das sich an Geschäftskunden richtet. PPRO entschied sich dieses Bankgeschäft abzustoßen. Der ehemalige Solaris-Mann Wenthin und der PPRO-Macher Philipp Nieland kauften das Geschäft und wollten es neu aufstellen. Das Altgeschäft war durchaus umfangreich: Zehn Millionen Euro sollen so jedes Jahr eingenommen worden sein, heißt es aus dem Umfeld der Firma. Crosscard war mit seiner Banklizenz nach dem Brexit nach Luxemburg umgezogen. In dem Zuge habe die Luxemburger Aufsicht CSSF eine Untersuchung gestartet, heißt es. Die Behörde selbst wollte die Information nicht kommentieren.

Kritische Fälle haben Zeit gekostet

Vor dem Neustart mit Lizenz in Luxemburg seien die Identifizierungs-Standards (Know your customer) in der ganzen Branche nicht so hoch gewesen, heißt es entschuldigend aus dem Firmenumfeld. Die Gefahr dabei: Karten könnten für kriminelle Zwecke eingesetzt werden, weil die Personalien nicht genau genug geprüft wurden. Möglich ist, dass etwa betrügerische Online-Shops die Banken als Zahungspartner verwenden. Ähnlich gelagerte Fälle könnten sich hinter den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft verbergen. Die Ermittler dürften dann prüfen, ob ein Institut auch bei den Fällen involviert ist und was zu den Kunden bekannt ist. Auf die konkreten Fälle geht die Behörde jedoch nicht ein, spricht nur allgemein von einem Geldwäscheverdacht und Verstoß gegen die Berufspflicht.

Das Team habe mit Hochdruck daran gearbeitet, die Mängel bei den eigenen Kunden zu beseitigen. Als Standardprozess seien die Geldwäsche-Verdachtsfälle innerhalb der Luxemburger Ämter auch an die Staatsanwaltschaft weiter gegeben worden, heißt es. Die verdächtigen Fälle habe das Unternehmen bereits mit der Finanzaufsicht besprochen. Die Behörden wollen sich nicht zu Details äußern. Mit dem Neugeschäft von Dock Financial hätten die Untersuchungen nichts zu tun, betonen mehrere Beteiligte. Die Aufräumarbeiten hatten für das Fintech auch Auswirkungen auf das Geschäft: Sie hätten mehr Kraft und Arbeitszeit gekostet als ursprünglich erwartet, heißt es.

Konflikt unter Investoren

Die Probleme mit den alten Konten spielen auch in einen Konflikt zwischen den Investoren hinein. Bei der Insolvenzanmeldung vor einigen Monaten wurde bekannt, dass die Geldgeber sich nicht mehr über den Kurs der Firma einig geworden seien (Finanz-Szene berichtete), dabei spielte die Untersuchung allerdings nur eine untergeordnete Rolle.

Doch die Altlasten waren ein Diskussionsthema bei der Frage nach der Strategie der Firma. Eine Fraktion wollte demnach das Altgeschäft, das noch zehn Millionen umsetze, einstellen – denn es würde zu stark von dem neuen Geschäft ablenken, lautete die Argumentation. Andere Geldgeber wollten das aus ihrer Sicht lukrative Business hingegen nicht abschaffen. Die Insolvenzanmeldung sei sehr überraschend gekommen, heißt es von Insidern. Bis zuletzt hatte man noch auf eine einvernehmliche Lösung gehofft – und auf das rettende Investment.

Die Käufersuche für die Technologie, die Lizenz in Luxemburg und die zugekaufte Tochter Compeon laufe noch, sagt ein Insider. Gerade für die Technologie gebe es gute Chancen. Dock Financial wollte sich auf Nachfrage nicht äußern.