Mitte 2020 übernahm Nina Pütz die Verantwortung bei Ratepay (Bild: PR)

Ratepay: Interessenten laufen sich für Milliarden-Deal warm

Exklusiv: Bei Ratepay bahnt sich ein Exit an. Der von Miriam Wohlfahrt gegründete Zahlungsdienstleister könnte damit eine Milliardenbewertung erhalten. Wer sind die potentiellen Käufer?

Im deutschen Payment-Markt deutet sich ein möglicher Milliarden-Deal an. So bringen sich Investoren nach Angaben von Insidern momentan für eine Übernahme des Berliner Zahlungsdienstleisters Ratepay in Stellung. Nach Informationen von Finance Forward und Finanz-Szene soll eine Investmentbank bei Private-Equity-Gesellschaften bereits deren Interesse abgefragt haben. Zwar sei unklar, ob das hinter Ratepay stehende italienisch-dänische Nexi/Nets-Konglomerat auch schon einen offiziellen Verkaufsprozess gestartet hat. Dass der Zahlungsgigant den Markt sondiert, gilt unter Insidern indes als ausgemacht. Ein Sprecher von Nexi/Nets wollte auf Nachfrage keinen Kommentar abgeben.

Ratepay ist ein Spezialist für Raten- und Rechnungskauf  im E-Commerce – offeriert also im Grunde jene Zahlungsart, die unter dem englischsprachigen Schlagwort „Buy now, pay later“ (BNPL) seit einiger Zeit einen regelrechten Hype erfährt. Tatsächlich lässt sich Ratepay mit dem schwedischen „BNPL“-Giganten Klarna vergleichen – allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Während Klarna vor einigen Jahren bewusst den Weg ins Endkunden-Geschäft wählte und auf diese Weise den Durchbruch zum Multi-Milliarden-Fintech schaffte, blieb Ratepay seinem B2B-Ansatz verhaftet. Heißt: Wer im Internet auf Rechnung kauft (zum Beispiel bei Otto), merkt oft gar nicht, dass hinter der entsprechenden Dienstleistung in Wirklichkeit Ratepay steht.

Dieses Geschäftsmodell funktioniert zwar – im Vergleich zu den ganz großen internationalen Payment-Fintechs ist Ratepay in den vergangenen Jahren aber doch zurückgeblieben. Während Klarna 2020 einen Umsatz von umgerechnet knapp eine Milliarde Euro (+40 Prozent) erwirtschaftete, musste sich Ratepay mit Provisionserträgen in Höhe von 56,5 Millionen Euro (+24 Prozent) begnügen. Für dieses Jahr peilt das Berliner Fintech, das öffentlich oft mit seiner omnipräsenten Gründerin Miriam Wohlfahrt verbunden wird, eine weitere Steigerung „im unteren zweistelligen Prozentbereich“ an. Als Ebitda wurde für 2021 ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag angestrebt.

Warum Ratepay mehr als eine Milliarde Euro wert sein könnte

Dass Ratepay zum Nexi/Nets-Verbund gehört, ist eher Zufall. Wohlfahrt hatte den 2009 gegründeten Payment-Spezialisten bald darauf an den Otto-Konzern verkauft. Der wiederum reichte Ratepay 2017 an die Finanzinvestoren Bain und Advent wieder, die das Unternehmen anschließend mit dem einstmals bankeneigenen Eschborner Zahlungsdienstleister Concardis zusammenfügte. Der wiederum ging Anfang 2019 in Nets auf, bevor der dänische Milliarden-Konzern Nets im vergangenen Jahr mit dem italienischen Milliarden-Konzern Nexi verschmolz.

Im Kern handelt es sich bei Nexi/Nets in der heutigen Aufstellung um einen länderübergreifenden Payment Service Provider – also um einen Dienstleister, dessen Aufgabe primär darin besteht, stationären und E-Commerce-Händlern bei der Einbindung unterschiedlicher Bezahlverfahren zu unterstützen. Dass mit Ratepay auch ein Anbieter eines solchen Bezahlverfahrens zum Portfolio gehört, ist zwar stimmig, sei aber keinesfalls zwingend, sagen Branchenkenner. Insbesondere in Mailand (also bei Nexi) werde das Asset als verzichtbar angesehen – sofern der Preis stimmen sollte.

Was den betrifft, sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Infolge des Payment-Booms werden Unternehmenswerte in der Branche längst nicht mehr am Ergebnis bemessen, sondern am Umsatz – zumal, wenn es um „Buy now, pay later“-Spezialisten geht. Wenn Klarna bei einem 2020er-Umsatz von rund 1,1 Milliarden Dollar von seinen Investoren zuletzt mit 46 Milliarden Dollar bewertet wurde – dann ergibt das einen Multiple von  mehr als 40. Dazu passen die Kennziffern des US-amerikanischen Klarna-Pendants Affirm, das für 2020 einen Umsatz von 510 Millionen Dollar auswies und an der New Yorker Börse momentan mit rund 27 Milliarden Dollar bewertet wird. Ein Multiple von mehr als 50.

Nun mag man bei Ratepay wegen seiner B2B-Ausrichtung und der Abhängigkeit von großen Kunden wie Otto oder Ebay eine etwas geringere Fantasie unterstellen. Aber selbst bei einem Multiple von 20 käme man bezogen auf die Provisionserträge auf eine Taxierung von gut einer Milliarde Euro; bei einem Multiple von 30 wären es sogar mehr als 1,5 Milliarden Euro.

Wer als Käufer für Ratepay infrage käme

Jenseits aller strategischen Erwägungen könnte in Mailand also auch schlicht die Opportunität eine Rolle spielen. Wenn man Ratepay nicht jetzt, also auf dem gefühlten Höhepunkt des „Buy now, pay later“-Hypes zum Verkauf stellt – wann dann? An potenziellen Käufern herrscht jedenfalls kein Mangel. Private-Equity-Fonds haben nach Payment-Assets in den letzten Jahren regelrecht gegiert. KKR könnte ein Kandidat sein, also die Beteiligungsfirma hinter dem Heidelberger Zahlungsdienstleister Unzer. Andere Namen, die kursieren, sind zum Beispiel EQT, Warburg, Nordiq oder CVC.

Daneben ist auch der Verkauf an einen strategischen Investor denkbar. Vielleicht nicht unbedingt an Klarna – schließlich sind die Schweden hierzulande längst vertreten, auch, weil sie vor Jahren schon ein anderes Berliner Rechnungskauf-Fintech erworben hatten, nämlich das Rocket-Internet-Geschöpf Billpay. Wer dagegen infrage käme, das wäre (siehe weiter oben) Affirm. Sollten die Amerikaner nach Europa schielen, wäre Ratepay ein guter Brückenkopf – zumal nicht ausgeschlossen ist, dass sich das Berliner Fintech nach dem Klarna-Vorbild auch in Richtung B2C drehen ließe.

Ein weiterer möglicher Bewerber könnte Afterpay sein, also der neben Klarna und Affirm dritte große BNPL-Player in der westlichen Welt. Vor einem Jahr hatten sich die Australier mit der Übernahme des spanischen Zahlungsdienstleisters Pagantis erstmals nach Europa gewagt. Ein weiterer Vorstoßen nach Deutschland würde zu dieser Strategie passen – auch wenn abzuwarten bleibt, ob Afterpay nicht erst einmal die eigene, immer noch nicht finalisierte Übernahme durch den US-Giganten Square verkraften muss.

Und noch ein Name kommt in den Sinn: Ein noch junger, wiewohl ebenfalls ambitionierter „Buy now, pay later“-Spezialist ist Scalapay. Zwar besitzen die Italiener nicht die finanzielle Feuerkraft, um Ratepay auf eigene Rechnung zu übernehmen. Aber das irgendeine PE-Gesellschaft versuchen könnte, sowohl Scalapay als auch Ratepay unter ihre Kontrolle zu bringen, ist zumindest kein absurdes Szenario.