Klarna-Werbung in New York: Die USA gelten als großer Wachstumsmarkt (Bild: imago images / Levine-Roberts)

„Buy now, pay later“ wird zum globalen Trend

Lange galt die Zahlungsmethode Rechnungskauf als langweilig. Mittlerweile haben Fintechs wie Klarna und Afterpay aus dem Prinzip „Buy now, pay later“ einen weltweiten Trend geschaffen. Was macht ihr Modell so attraktiv?

Den Grundstein für seinen Erfolg legte Nick Molnar aus der Not heraus. Schon zwei Jahre nach Gründung, im Jahr 2016, brachte er sein Startup an die Börse – es hätte sonst kein Investorengeld gegeben, erzählte der Gründer später in einem Forbes-Interview. Sein Heimatland Australien liegt tatsächlich eher außerhalb des Blickwinkels vieler Wagniskapitalgeber.

Aufgehalten hat es sein Fintech nicht. Das Unternehmen des heute 30-jährigen Gründers wird inzwischen an der Börse mit 21,6 Milliarden australischen Dollar bewertet (etwa 13,3 Milliarden Euro). Das ist mehr als die bekannten europäischen Finanz-Startups wie Revolut oder N26 erreichen, die allerdings auch noch nicht an der Börse sind. Gerade in den vergangenen Monaten schoss der Aktienkurs von Afterpay in die Höhe, Molnar ist angeblich der jüngste Selfmade-Milliardär seines Landes.

Afterpay ist eines von einer Handvoll aussichtsreicher Fintechs, die sich in einem bestimmten globalen Markt breitmachen wollen. Das schwedische Fintech Klarna – jüngst mit etwa neun Milliarden Euro bewertet – gehört ebenfalls dazu. Das Payment-Angebot der Firmen wird unter dem Überbegriff „Buy now, pay later“ zusammengefasst – in Deutschland auch als Rechnungskauf oder in Form von Konsumentenkrediten bekannt.

Schon vor Jahrzehnten führten große Händler wie Otto oder Quelle das Prinzip in Deutschland mit ihren Katalogen ein. Die Kunden konnten bestellen, anprobieren und zum Beispiel Kleidung oder Schuhe zurückschicken. Sie bezahlten nur das, was sie behalten wollten. Der Kauf auf Rechnung ist immer noch als Zahlungsmethode beliebt. Im Online-Modehandel zum Beispiel wird gut die Hälfte der Waren zurückgeschickt. „Gerade für den Anwendungsfall eignet sich der Rechnungskauf sehr gut“, sagt Payment-Experte Marcus Mosen. Ihm fällt auf: „Die in der Vergangenheit oft als langweilig geltende Zahlungsmethode ist plötzlich auch international im Trend.“ Warum? Die Anbieter können mittlerweile durch Datenerhebung die Bonität der Kunden besser bestimmen.

In Ländern mit vielen Kreditkarten war der Rechnungskauf in der Vergangenheit nicht so verbreitet, doch mittlerweile will eine junge Generation nicht mehr nur mit Karten bezahlen und setzt stärker auf die aufgeschobene Zahlung. Gerade bei Millennials sei das zu beobachten, heißt es in der Marktanalyse eines bekannten Wagniskapitalgebers. Die Analysten schreiben von einem Momentum für den „Buy now, pay later“-Markt (BNPL). Der internationale Investor ist bei einem der großen Payment-Anbieter eingestiegen.

Das starke Wachstum schlägt sich in den Zahlen der Anbieter nieder:

Afterpay erzielte im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr umgerechnet 318 Millionen Euro Umsatz – eine Steigerung um knapp 100 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 9,9 Millionen aktive Kunden hat das Unternehmen mittlerweile. Das Geschäftsjahr endete im Juni.
– Der schwedische Konkurrent Klarna kommt auf 677 Millionen Euro Umsatz für das vergangenen Jahr und ist damit deutlich größer als der Konkurrent aus Australien.
– Konkurrenten wie Zip Co oder Sezzle sind noch kleiner, aber beide schon an der Börse in Australien.

Im Gegensatz zu Neobanken wie N26 oder Revolut haben die Anbieter schon gezeigt, dass sie Profit machen können. Die Unternehmen verdienen – je nach Produkt – an Händlergebühren, Zinsen und Verspätungsgebühren. Klarna war seit der Gründung 2005 profitabel, bis es im vergangenen Jahr den Wachstumsturbo mit einer großen US-Expansion anschaltete und 85 Millionen Euro Verlust machte. „Die könnten jederzeit wieder umschalten und profitabel arbeiten“, sagt ein Kenner des Unternehmens. Auch beim deutschen Anbieter Ratepay sieht man, dass sich mit dem Geschäftsmodell auch bei starkem Wachstum Gewinne erwirtschaften lassen. Afterpay hingegen kam im abgelaufenen Geschäftsjahr auf einen Verlust von etwa 14 Millionen Euro. So lange die Wachstumsraten stimmen, verschmerzen das die Investoren gerne.

Klarna (Schweden) und Affirm (USA) konnten gerade große Finanzierungsrunden stemmen – sie verdeutlichen, wie heiß der Markt ist. Klarna verdoppelte seine Unternehmensbewertung auf etwa neun Milliarden Euro; Affirm, hinter dem Paypal-Gründer Max Levchin steht, sammelte 424 Millionen Euro ein – die neueste Bewertung ist nicht bekannt. Außerdem bereitet sich das Unternehmen auf einen Börsengang vor.

Die bereits gelisteten Anbieter haben in den vergangenen Monaten zugelegt. Die Bewertungen liegen so bei einem Vielfachen des Umsatzes – bei Afterpay ist es mehr als das 40-fache. „Bei einigen Anbietern frage ich mich schon, ob die Preise gerechtfertigt ist“, sagt ein Branchenkenner.

Die hohen Bewertungen führen zu neuen Wachstumsfantasien, die sich vor allem durch neue Märkte erreichen lassen. Denn bei den australischen Playern ist der Markt begrenzt, Afterpay drängt in die USA und nach Europa. Erst kürzlich hat es einen Anbieter in Spanien gekauft und will in Großbritannien stark wachsen. Bislang sehen die Zeichen nicht danach aus, als würde der Player nach Deutschland kommen. Eine Presseanfrage lässt das Unternehmen unbeantwortet. Hierzulande gehört die Marke Afterpay zur Bertelsmann-Tochter Arvato.

Vor allem der US-Markt gilt wie bei den Neobanken als großer Zukunftsmarkt. Klarna hat einen Großteil seiner Kräfte darauf fokussiert. Es zählt mittlerweile in den USA neun Millionen Kunden – von 90 Millionen insgesamt. Von einem „Verdrängungskampf“, schreiben Wagniskapitalgeber. Andere Branchenkenner berichten von einem Preiskampf – auch in Deutschland. Klarna betont: Die Preise seien seit ein paar Jahren stabil und „die Händler wählen uns nicht wegen des Preises“.

Von internationalen Investoren wird vor allem die Gesetzeslage für die junge Branche als Risiko wahrgenommen. Dem US-Anbieter Sezzle verboten die Behörden 2019 kurzerhand das Geschäft in Kalifornien, weil er gegen die Regeln verstoßen habe – der Börsenkurs krachte ein, auch bei anderen Anbietern. Klarna mache sich dabei keine Sorgen, weil es in Schweden eine eigene Banklizenz besitze und in den USA mit regulierten Partnern arbeite, heißt es.

Der Wachstumshebel führt dabei über die Online-Händler, die die Payment-Dienste einbinden. Im Gegensatz zu Smartphone-Banken müssen sie sich nicht so stark um das Marketing für Endkunden kümmern, oft eine teure Angelegenheit.

Nur Klarna ist diesen Weg gegangen und will mit viel Marketing, einer umfassenden App sowie einer Bankkarte auch die Kunden direkt erreichen. Aus der App heraus können die Kunden einkaufen, erhalten eigene Angebote oder sollen Inspiration für neue Produkte erhalten, sagt der Deutschland-Chef Robert Bueninck im Gespräch. Das Fintech wird durch seine Angebote immer stärker auch zum Banking-Anbieter. „Kredite für Autos oder Häuser wird man erst einmal nicht per Klarna finanzieren können, aber vielleicht eines Tages – wer weiß.“