Das Gründerteam von Raisin: Michael Stephan, Tamaz Georgadze und Frank Freund (Bild: PR)

Raisin bläst mit neuem Core Banking zum Angriff auf Solarisbank

Raisin DS arbeitet an einem eigenen „Banking as a Service“-Angebot. Dafür arbeitet es neuerdings mit dem Fintech-Unicorn Mambu zusammen. Was steckt hinter den Plänen?

Das in erster Linie für sein Einlagen-Brokerage bekannte Berliner Fintech-Unicorn Raisin DS („Weltsparen“) bläst nun auch als „Banking as a Service“-Anbieter zum Großangriff. Zur Erinnerung: 2018 hatte Raisin seine eigene Transaktionsbank aufgekauft, nämlich die MHB Bank, und diese in „Raisin Bank“ unbenannt. Damals schien es, als wollte das Fintech durch die Übernahme vor allem seine Abhängigkeit von der MHB reduzieren.

Tatsächlich allerdings gewinnt die Raisin Bank inzwischen auch immer mehr externe Mandate. Was offenbar nicht nur mit Opportunitäten zu tun hat – sondern klare Strategie zu sein scheint. Denn: Laut Informationen von Finanz-Szene und Finance Forward hat die Raisin Bank nun sogar ihr komplettes Kernbanken-System ausgewechselt, um mit neuer Technologie künftig schneller skalieren zu können.

Als klarer Platzhirsch im hiesigen „Banking as a Service“-Geschäft hat sich über die zurückliegenden Jahre bekanntlich ein anderes Berliner Unicorn herauskristallisiert, nämlich die Solarisbank. Indes: Jenseits von Solaris hat sich das Feld der Whitelabel-Banken zuletzt auffällig gelichtet. Die Wirecard Bank? Gibt’s nicht mehr. Die Fidor Bank? Wurde zerschlagen. Die Frankfurter „Fintech Group“? Hat sich wieder in Flatex zurückbenannt und will sich erklärtermaßen aufs Aktien-Brokerage statt auf „Banking as a service“ fokussieren. Ansonsten? Gibt’s noch die wackere Hamburger Sutor Bank, die zum Beispiel als Whitelabel-Bank des jüngst auf Raisin verschmolzenen Hamburger Einlagen-Brokers „Zinspilot“ agiert. Und es gibt die zaghaften Versuche ausländischer Player wie der Modularbank, hierzulande Fuß zu fassen – was in lizenzrechtlicher Hinsicht aber nicht ganz unkompliziert ist.

Mit anderen Worten: Allein schon mangels Wettbewerb stehen die Chancen für die Raisin Bank nicht schlecht, sich hierzulande als Verfolger der (ungleich höher gefundeten und entsprechend aggressiveren) Solarisbank zu etablieren – und diese in Teildisziplinen sogar ernsthaft anzugreifen. Bestes Beispiel hierfür ist das sogenannte „Loan Fronting“. In diesem Konstrukt ermöglicht die „Fronting Bank“ (also die Raisin Bank oder die Solarisbank) anderen Fintechs wie Creditshelf oder Captiq, auch ohne die hierfür normalerweise nötige Bafin-Lizenz Kreditgeschäft zu betreiben.

Konkret: Plattformen wie Creditshelf vermitteln die Kreditnehmer an die Raisin Bank, welche die Kredite prüft und vergibt – diese werden von dort aber („bilanzschonend“, wie es in solchen Fällen gern heißt) an ein „Special Purpose Vehicle“ weitergereicht, hinter dem wiederum Refinanzierungspartner von Creditshelf stehen. Etliche solcher „Fronting-Partnerschaften“, auch im Bereich „Buy now, pay later“, unterhält die Raisin Bank mittlerweile, deutlich mehr sogar als die Solarisbank.

Auch in anderen Feldern fasst das – im Gegensatz zur Berliner Mutter – in Frankfurt beheimatete Institut allmählich Fuß. Zwar nicht im Neobanking (das ist weiterhin die B2B-Domäne der Solarisbank); auch nicht im Krypto-Geschäft; wohl aber überall dort, wo ein Kredit im Spiel ist. Das hochgewettete Berliner Kreditkarten-Fintech Moss beispielsweise? Setzt auf die Dienste der Raisin Bank (und nicht auf Solaris). Dasselbe gilt für das jüngst mit 100 Millionen Euro gefundete Berliner Factoring-Fintech Billie. Hier tritt die Raisin Bank als eine der kreditgebenden Banken auf und nimmt die kurzfristigen Forderungen gegenüber den Debitoren in diesem Fall sogar aufs eigene Buch – eine offenbar willkommene Absorption der kurzfristigen Liquidität, die der Raisin Bank als Kollateralgröße aus dem Einlagen-Brokerage von „Weltsparen“ erwächst.

Die Raisin Bank wachse um 50 Prozent pro Jahr, sagt der Chef

Während nun die Zahl der „Banking as a Service“-Anbieter also überschaubar ist, scheint die Nachfrage nach entsprechenden Dienstleistungen stark zu steigen. Schließlich brauchen nicht nur Fintechs wie Creditshelf oder Banken im Hintergrund, sondern auch klassische Nicht-Banken, die (aus welchen Motiven auch immer) plötzlich auf die Idee kommen, Bankdienstleistungen anzubieten.

Bestes Beispiel: Der Immobilienmakler Engel & Völkers, der jüngst ein eigenes Konto-Angebot an den Start gebracht hat, wie Finanz-Szene exklusiv berichtete. Weitere – zumindest potenzielle – „Banking as a Service“-Abnehmer sind ausländische Kreditplattformen, die nach Deutschland expandieren und dafür einen einheimischen Whitelabel-Partner brauchen. „Seit der Übernahme durch Raisin wachsen wir bei den Erträgen mit rund 50 Prozent pro Jahr“, sagt Raisin-Bank-CCO Andreas Wolf – und betont: „Von der Nachfrage her könnten wir sogar noch deutlich stärker wachsen. Allerdings wollen wir – gerade als reguliertes Unternehmen – die Dinge nicht überstrapazieren, sondern Organisation, Prozesse und Kultur nachhaltig weiterentwickeln.“

Angaben zur Ertragslage macht Wolf keine. 2019 allerdings (der entsprechende Geschäftsbericht ist öffentlich einsehbar) lagen die Erträge bei etwa 4,5 Millionen Euro. Das besagte Wachstum von rund 50 Prozent p.a. zugrunde legt, müsste die Raisin Bank in diesem Jahr dann bei rund zehn Millionen Euro stehen. Die Voraussetzungen, das Tempo zumindest beizubehalten, scheinen mittlerweile geschaffen. Die Mitarbeiterzahl hat sich in den vergangenen drei Jahren auf 60 mehr als verdoppelt, ein Viertel davon sind IT-Spezialisten (von denen es bei der alten MHB Bank nicht mal eine Handvoll gab). Was noch fehlte, sagt Bankchef Wolf, das sei ein zeitgemäßes, cloud-basiertes Core-Banking-System gewesen. Die alte Kernbank der MHB (dieser Hinweis findet sich in alten Geschäftsberichten) kam vom Aschaffenburger Technologiedienstleister Pass, auf den in den Anfangsjahren interessanterweise auch die Solarisbank setzte. Stattdessen hat sich die Raisin Bank nun für das ebenfalls in Berlin beheimatete Core-Banking-Unicorn Mambu entschieden.

Was hieran nun wiederum interessant ist – jedenfalls wenn wir richtig informiert sind (geschrieben haben wir es schon öfters, offizielle bestätigt sind die Informationen nur zum Teil): Die Raisin Bank tut es mit ihrer Entscheidung für Mambu drei anderen hiesigen Challenger-Banken gleich, nämlich der C24 Bank, N26 und wiederum: der Solarisbank. Es gebe allerdings Unterschiede zu beachten, sagen Brancheninsider:

– Das Integrationsniveau bei der Raisin Bank dürfte in etwa dem bei der C24 Bank (also der Bank des Vergleichsportals Check24) entsprechen. Sprich: Die eigentliche Kernbank kommt tatsächlich von Mambu, drumherum wurden aber auch die Module anderer Anbieter verwendet.

– Die Solarisbank setzt dem Vernehmen nach zwar auf Mambu – dürfte aber letztlich im Vergleich zur Raisin Bank mehr selbst gebaut haben, vielleicht auch, um auf Sicht nicht in Abhängigkeit von Mambu zu geraten (sondern um die Komponenten, die von Mambu kommen, im Fall der Fälle auch austauschen zu können).

– N26 wiederum (die Neobank war ursprünglich ja auf dem Rücken der Wirecard Bank gestartet), heißt es im Markt, habe tatsächlich ein mehr oder weniger proprietäre Kernbankensystem – also mehr noch als die Solarisbank. Hierfür habe das größte deutsche Fintech zwar einst Technologie-Komponenten von Mambu erworben, ansonsten aber bestehe zwischen den beiden Milliarden-Fintechs keine größere Verbindung mehr.