N26, Bunq und die schwierige Suche nach einem funktionierenden Preismodell
Fintechs versehen ihre Bankkonten mit immer komplexeren Gebührenmodellen. Warum tun sich die Startups so schwer damit, ein schlüssiges und gleichzeitig ertragreiches Preismodell zu entwickeln?
Es war ein Shitstorm, mit dem Bunq nicht gerechnet haben dürfte. Sowohl im Kundenforum des niederländischen Fintechs als auch auf Twitter machten Nutzer Anfang April ihrem Ärger Luft. „So schade, dass es Bunq gerade so richtig hart verkackt“, schrieb ein Kunde. Was Bunq sich geleistet hatte: Das 2017 in Deutschland gestartete Banking-Startup, bei Nutzern für seine Bemühungen um ein nachhaltiges und transparentes Produkt bekannt, hatte seine Preisliste drastisch verändert. Für die bislang kostenlosen Konten fiel nun eine monatlichen Gebühr von 7,99 Euro an, die restlichen Angebote wurden teurer gemacht.
Dabei waren Finanz-Startups wie Bunq einmal mit dem Versprechen von einfachen, günstigen und transparenten Preismodellen angetreten. „Wir wollen das Banking-Erlebnis revolutionieren und den Umgang mit Geld für jeden Nutzer vereinfachen“, ließ sich Bunq-Gründer Ali Niknam gerne zitieren. Das sollte eigentlich auch für die Frage gelten, wo und in welcher Höhe für Konten Gebühren verlangt werden. Das Fintech selbst sagt dazu, es halte das Geld seiner Kunden sauber, „anstatt es in dubiose und fragwürdige Geschäfte zu investieren. Für diese Dienstleistungen verlangen wir eine transparente Gebühr.“
Doch es zeigt sich: In den vergangenen Jahren haben sich die Banking-Startups in dieser Frage von ihren anfänglichen Idealen entfernt. Ihre Preislisten wachsen um immer neue Gebühren an – auch die der bekanntesten deutschen Smartphone-Bank, N26. Aus einer achtseitigen Preisliste von 2016 wurde ein mittlerweile 18-seitiges Dokument mit Sternchen, Querverweisen und Kleingedrucktem.
Auch N26 hat Shitstorm-Erfahrungen
Ähnliche Erfahrungen wie Bunq machte der deutsche Marktführer bereits vor vier Jahren. N26 erhob zu Beginn nur wenig Gebühren, selbst für das Geldabheben beim kostenlosen Konto gab es keine Limits – zu Beginn ein starker Kontrast zu vielen Angeboten traditioneller Banken. Doch offenbar wurde das Angebot von einigen Nutzern derart häufig genutzt, dass es schnell ziemlich teuer für das Startup wurde – jede Abhebung kostet N26 etwa zwei Euro. Also kündigte das Banking-Startup mehrere hundert Kunden, die zu häufig Geld abgehoben hatten, das Konto. Es folgte ein Shitstorm.
Das Fintech lenkte nach einigen Wochen ein – im Sommer 2016 führte es eine sogenannte Fair-Use-Policy ein: Fünf Abhebungen pro Monat sind seitdem kostenlos, danach wird eine Gebühr erhoben. Es war eine der ersten Fußnoten in der sonst übersichtlichen Preisliste.
Seither hat das Berliner Fintech an vielen kleinen Stellschrauben gedreht. Immer wenn ein Teil des Angebots für N26 zu teuer oder von einigen Nutzern zu stark genutzt wurde, kamen Ausnahmen, neue Gebühren oder geänderte Preise hinzu – so etwa für die Bestellung oder den Versand der Karte, Ein- und Auszahlungen, verschiedene Arten der Kontowechselhilfe, Bankauskunft oder Nachforschungsaufträge. Zuletzt wurde eine Gebühr von drei Prozent für Käufe bei Online-Kasinos eingeführt. Im Februar kündigte das Unternehmen zudem eine Verschärfung der Fair-Use-Policy an: Für manche Nutzer, die bislang fünf Mal pro Monat kostenlos abheben konnten, wird die Zahl auf drei reduziert. Für die Mehrheit sei es jedoch gleich geblieben, betont N26 in einer Stellungnahme. „Für unsere Metal-Kunden ist die Anzahl sogar gestiegen. Gleichzeitig haben wir die Anzahl der Cash26-Standorte in den vergangenen Monaten auf fast 15.000 erhöht.“
Das komplizierte Preismodell kam mit der Zeit
Und so wurde über die Jahre aus einem einfachen Preismodell ein relativ kompliziertes. In den ersten Interviews der N26-Gründer Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal sprachen die beiden davon, wie einfach und unkompliziert ihr Fintech im Vergleich zu traditionellen Banken sei. Ihre Vorbilder, so tönten sie, seien große Tech-Unternehmen wie Spotify oder Uber – nicht angestaubte Kreditinstitute.
Doch beim Blick auf die Pricing-Strategie wird klar, dass N26 den Banken inzwischen eigentlich näher ist als den Digitalplayern: Spotify etwa hat genau ein Bezahlangebot – und es ist den Kunden auf den ersten Blick klar, was sie dafür bekommen. Bei Banking-Anbietern wie N26 ist das heute wesentlich unübersichtlicher.
Der ursprüngliche Plan von N26 bestand darin, mit einem schlichten Preismodell schnell zu wachsen. „Wann wir schwarze Zahlen schreiben, hängt davon ab, wie schnell und stark wir wachsen wollen“, sagte Valentin Stalf im Sommer 2014. „Unser Produkt ist komplett kostenlos – wir verrechnen dem Kunden keine Gebühren.“
Was das Wachstum angeht, hat sich N26 an den Plan gehalten. Das Unternehmen ist inzwischen in 25 Ländern vertreten und hat eigenen Angaben zufolge mehr als fünf Millionen Kunden. Und die vergangenen Jahren haben bereits gezeigt, dass die Bank mit seinen Premium-Angeboten und Gebühren auch Umsatz machen kann, 2018 kam das Unternehmen auf einen Erlös von 43,6 Millionen Euro. Pro Kunde verliere das Unternehmen kein Geld, betonte Valentin Stalf schon in der Vergangenheit, ohne weitere Details der Rechnung preiszugeben.
Doch der massive Expansionskurs von hochbewerteten Banking-Startups wie N26, Revolut, Chime oder Nubank muss weiter finanziert werden, zurzeit bezahlen das internationale Wagniskapitalgeber. Und die Investoren gehen davon aus, dass es in Zukunft gelingen wird, mit den Kunden mehr Geld zu verdienen. Irgendwann stellen sich dann zwangsläufig Fragen wie: Löst eine immer länger werdende Preisliste das Problem? Welche alternativen Ertragsquellen gibt es noch? Lässt sich ein Immobilienkredit per App verkaufen? Und an welchem Punkt verliert das Fintech genau an jener Coolness, die es von traditionellen Banken absetzt?
„Fintechs haben ein Geschäftsmodellproblem“
Dass ein einfaches Preismodell wie im Streaming nicht funktioniert, mussten die Banking-Startups bereits lernen. Über die Jahre führten sie Stück für Stück immer dort Gebühren ein, wo zu viel Geld verloren ging.
Doch selbst das wird nicht reichen, sagt Christoph Bornschein. Die Fintechs, so der Chef der Berliner Digitalagentur TLGG, hätten ein „Geschäftsmodellproblem“. Er glaube nicht, dass Unternehmen wie N26 mit der aktuellen Preisstrategie profitabel werden können. Denn: „Als reine Girobank kann keiner in der Niedrigzinsphase existieren“, sagt er im Gespräch mit Finance Forward. Mit sinkenden Notenbankzinsen kämpfen auch große Institute und traditionelle Banken, ihre Profitabilität leidet massiv.
Banken verdienen stattdessen an Kreditgeschäften, Baufinanzierungen oder ETF-Sparplänen. Das könne auch für Herausforderer wie N26 ein Weg in die Profitabilität sein – sei es durch eigene Produktentwicklung oder durch die Akquisition von Startups mit dem entsprechenden Geschäftsmodell, sagt Bornschein. Es sei bereits zu Zeiten der Niedrigzinsphase gegründet worden, heißt es von N26 dazu. „Daher entwickelten wir von Anfang an ein Geschäftsmodell, das weniger stark vom Zinsumfeld abhängig ist, als die Geschäftsmodelle der traditionellen Banken.“ Die größten Umsatztreiber seien die Interchange-Gebühr und Premium-Kontomodelle.
Die Challengerbanken haben erste kreative Versuche gestartet: Monzo experimentiert mit Datenanalysen, um seinen Kunden günstige Stromtarife zu verkaufen. Dafür würde das Unternehmen eine Vermittlungsprovision erhalten. Und N26 testet Promo-Partnerschaften, mit Rabatten für den E-Roller-Dienst Lime oder das Buchungsportal Booking. Es ist der Versuch, das Bankprodukt wieder weiter weg von den traditionellen Banken zu positionieren.
Die Produktpalette mit einfachen und fairen Finanzprodukten zu erweitern – ohne dass dabei Gebühren und Anzahl der Fußnoten explodieren –, das wird nach der großen VC-finanzierten Expansion die zentrale Herausforderung für die Smartphone-Banken. Nur eine gute Kommunikation mit den Kunden wird das ermöglichen. Wie es nicht geht, das hat zumindest Bunq jetzt schon einmal gelernt.
N26 wirbt damit, keine versteckten Gebühren zu erheben. (Bild: Screenshot-Blog)
Update: Dieser Artikel wurde nach Veröffentlichung um Statements von N26 und Bunq ergänzt.