Pinterest hat eine halbe Milliarde Nutzer. (Bild: Fahim R. on Unsplash).

„Warum gerade Pinterest, verstehe ich nicht“ – offene Fragen bei Paypals Milliarden-Deal

Für 45 Milliarden Dollar will der Payment-Konzern Paypal das soziale Netzwerk Pinterest übernehmen – die eigenen Aktionäre sind wenig begeistert. Welche Motive gibt es für den Deal?

Es ist eine Ironie der eigenen Historie: Erst löste sich Paypal vom Marktplatz Ebay – und ging eigenständig an die Börse. Seitdem ist der Bezahldienst seiner ehemaligen Muttergesellschaft davongelaufen: Paypal ist 290 Milliarden Dollar wert, Ebay bringt es nur noch auf knapp 50 Milliarden Dollar. Der Plan der Emanzipation ging auf.

Nun sorgte diese Woche folgende Nachricht für Aufregung: Paypal schwenkt zurück und will wieder in den Online-Handel einsteigen. Wie der Nachrichtendienst „Bloomberg“ und andere Medien berichten, hat der Payment-Konzern sein Kaufinteresse am sozialen Netzwerk Pinterest bekundet – 45 Milliarden Dollar will Paypal auf den Tisch legen.

Deal verursacht Kopfschütteln

Der Deal reiht sich ein in den Kaufrausch der starken Fintech-Payment-Player: Square kaufte den „Buy now, pay later“-Anbieter Afterpay und den Streaming-Dienst Tidal. Paypal selbst verleibte sich ebenfalls ein „Buy now, pay later“-Fintech ein, für 2,7 Milliarden. Der Angreifer Klarna und der deutsch-britische Payment-Anbieter Sumup gingen zuletzt ebenfalls auf Shopping-Tour.

Nicht jede neue Paarung ist offensichtlich. Es stellte sich etwa die Frage, warum Square einen Streaming-Dienst vom Rapper Jay Z übernimmt? Und auch der anvisierte Paypal-Deal löst bei manchen Branchenkennern Kopfschütteln aus. Offenbar auch bei den eigenen Investoren, der Aktienkurs sank um rund acht Prozent, seit die Pläne publik wurden, knapp 30 Milliarden Dollar Firmenwert sind erst einmal vernichtet.

Dabei lässt sich durchaus eine Systematik hinter dem Deal erkennen. „Die hochbewerteten Fintech-Unternehmen werden E-Commerce-Firmen oder Marktplätze übernehmen, um sich auf diesem Wege Umsätze einzukaufen“, sagte Techaktien-Experte Philipp Klöckner schon vor einiger Zeit voraus. Die Umsätze sind ein Weg, um die hohen Bewertung zu rechtfertigen. „Außerdem können sie sich auf diesem Wege stärker in die Shopping-Experience integrieren.“

Der Bezahldienst verfolgt eine Super-App-Strategie

Pinterest ist nun ein prominenter Beleg für diese These. Der richtige Weg? „Warum gerade die Wahl auf Pinterest gefallen ist, verstehe ich nicht“, sagt Payment-Experte Jochen Siegert, der vor Jahren Strategie-Manager bei Paypal war. Er hätte eher Übernahme-Ziele im Finanzbereich gesehen, die zu der Super-App-Strategie des Konzerns passen. Seit einiger Zeit hat Paypal das Ziel ausgerufen, mehr und mehr Dienste in seine App einzubinden, etwa einen Kryptohandel – ein großer Erfolg für das Unternehmen. Auch Aktienhandel ist geplant.

Doch ein soziales Netzwerk, das vor allem aus Fotos besteht? Dort lassen sich zum Beispiel Halloween-Kostüme oder Do-it-yourself-Anleitungen finden. „Shopping findet heute im Feed statt“, sagt Siegert. Paypal könne sich mit dem sozialen Netzwerk stärker integrieren und von den Werbeumsätzen profitieren. „Aus meiner Sicht wäre Shopify passender gewesen“, sagt der Experte indes. Der E-Commerce-Anbieter stellt die Infrastruktur für viele kleine Shops, die zum Beispiel vor allem über Facebook und Instagram werben. „Das war aber wahrscheinlich zu teuer.“ Shopify ist mit 180 Milliarden Dollar bewertet. Auch das soziale Netzwerk Snap ist mehr als 100 Milliarden Dollar wert – und damit vermutlich zu groß.

In der Vergangenheit hat Paypal bei seinen Zukäufen nicht immer ein glückliches Händchen gehabt. Den Rabatt-Anbieter Honey übernahm das Unternehmen für vier Milliarden Dollar. Doch dieser blieb hinter den Erwartungen zurück: Im vergangenen Jahr spielte er 170 Millionen Dollar an Umsatz ein. Bereits 2018 hatte der Umsatz bei 100 Millionen Dollar gelegen, also für Startup-Verhältnisse ein bescheidener Zuwachs. Nach Finance-Forward-Informationen soll vor dem Verkauf an Paypal für das Jahr 2020 ein Umsatz von 450 Millionen Dollar anvisiert worden sein. Das berichteten damals Insider. Die Integration und Rollouts von gekauften Firmen würden nur langsam vonstatten gehen, heißt es aus der Branche.

Alles richtig machen

Dieses Mal ist der Erfolgsdruck größer, dass es tatsächlich Synergien zwischen den Firmen gibt. Wie passt Pinterest in die Super-App-Strategie? Und wie arbeiten die beiden Firmen künftig konkret zusammen? Lässt sich ein schneller Wandel vollziehen? Es sind Fragen, die offen sind. Keine der beiden Firmen hat sich bislang zu einem möglichen Deal geäußert. Eines zeigt sich schon bei der Anbahnung des außergewöhnlichen Deals. „Es ist spannend, dass Paypal im Payment offenbar keine Wachstumsmöglichkeiten mehr sieht“, sagt Siegert. Stattdessen wird jetzt in andere Felder expandiert.