Hand statt Bankkarte: Bezahlen wir demnächst mit einem in den Körper implantierten Chip?
Sie sind etwa so groß wie ein Reiskorn und werden mit einer Nadel unter die Haut gestoßen: Mikrochip-Implantate, die per Funktechnologie (RFID/NFC) Türen öffnen oder Computer entsperren, sind mittlerweile weltweit ein Begriff. Wird diese Technik bald auch für Zahlungsvorgänge genutzt werden? Darüber hat FinanceFWD mit Patrick Kramer gesprochen, der mit seinem Unternehmen über einen Online-Shop Chips zur Selbst-Implantierung verkauft, und der selbst vier Chips im Körper hat.
Was für den Otto-Normal-Verbraucher noch nach Science Fiction klingen mag, ist in einigen Teilen der Welt schon Wirklichkeit: In Schweden bieten übereinstimmenden Medienberichten zufolge manche Unternehmen etwa ihren Mitarbeitern an, sich einen Chip implantieren zu lassen und damit teilweise den Mitarbeiterausweis zu ersetzen. Bahnfahrer können in Schweden ihre Fahrkarte ebenfalls auf einem Implantat im Körper speichern.
“Chief Cyborg Officer”
Doch die Vorstellung, den Körper zu verbessern, zu „hacken“, scheidet die Geister. Kritiker glauben, dass uns solche Implantate zu gläsernen Menschen machen würden, deren Daten leicht von Hackern kompromittiert werden könnten. Derweil betonen Befürworter der Chips, dass diese keinerlei Daten über den Körper und Nutzer sammeln würden und die Reichweite für eine Übermittlung sehr gering sei.
Patrick Kramer, Gründer und Geschäftsführer des Hamburger Unternehmens Digiwell (Slogan: “Upgrading humans”), hat selber vier Chips im Körper. Der selbst ernannte Chief Cyborg Officer hat darauf zum Beispiel seine Visitenkarte gespeichert. Was wäre mit einem solchen Implantat noch möglich; das Bezahlen für den Kaffee im Lokal zum Beispiel? FinanceFWD hat mit Kramer über die Möglichkeiten im Payment-Bereich gesprochen.
FinanceFWD: Herr Kramer, wofür werden die Implantate, die Sie verkaufen, am häufigsten von Ihren Kunden benutzt?
Kramer: Das ist schwer zu sagen, weil das Thema wahnsinnig individuell ist. Es gibt Kunden, die sind blind und nutzen es als Haustürschlüssel. Ein 14-jähriges Mädchen bekam ein Implantat in den Fuß, weil sie keine Arme hat und so nun bequem zuhause reinkommt. Zutrittsmöglichkeiten zu schaffen, ist also eine beliebte Anwendung. Genau wie Informationen darauf zu speichern, die man teilen möchte, wie Visitenkarten, medizinische Informationen oder Ehegelübde. Ich habe Kunden, die sind schwer krank und haben Angst, auf der Straße zusammenzubrechen. Sie schreiben ihre medizinischen Notfallinformationen auf das Implantat, vielleicht nur eine Telefonnummer. Ohne Passwörter zu leben und den PC zuhause oder auf der Arbeit zu entsperren, wird auch viel gemacht. Der Fantasie ist hier keine Grenze gesetzt.
FinanceFWD: Sind Ihnen Implantate bekannt, die als Bezahlmittel genutzt werden?
Kramer: Wir müssen hier differenzieren: Was ist bezahlen? Reden wir von der Supermarktkasse und dem Bezahlen mit oder ohne PIN? Oder reden wir vom Bezahlen in der Unternehmenskantine, wo ich sonst meinen Mitarbeiterausweis vorzeige? Das ist zwar auch eine Art von Bezahlen – aber eigentlich wird nur über meine Identität Guthaben von einem Unternehmenskonto abgebucht. Das hat mit aktivem Bezahlen im Supermarkt nichts zu tun. Ein anderes Beispiel: Man kann in Schweden mit einem Implantat als Ticket in der Bahn unterwegs sein. Journalisten schreiben dann gerne: Mit dem Implantat kann man jetzt seine Zugfahrt dort bezahlen. Nein, kann man nicht! Man kann sich im Zug identifizieren und zeigen, dass man vorher online bezahlt hat. Hier geht es wieder um Identifikation, das ist eine ganz einfache Verknüpfung. Richtiges Bezahlen geht aber nicht!
FinanceFWD: Warum ist das bisher nicht möglich?
Kramer: Man kann nicht einfach Daten von der Karte auf das Implantat kopieren. Da gäbe es gar keine Sicherheitsfeatures. Die Mikrochips auf den Bankkarten haben ganz hohe Sicherheitsprotokolle, da passiert technisch gesehen eine ganze Menge. Die jetzigen Mikrochipimplantate sind zu dieser Sicherheitsstufe nicht in der Lage, weil ihre Antennen nicht den Strom ziehen können, den sie brauchen, um diese komplexen Operationen durchführen zu können. Letztenendlich geht es nur darum: Je größer die Antenne, desto mehr Strom kann das Implantat bekommen. Und mit mehr Strom kann der Mikrochip besser arbeiten. Die Leute stellen sich das Bezahlen per Implantat so einfach vor, weil sie schon eine NFC-Karte haben. Aber NFC ist nicht gleich NFC. Bankkarten haben auch immer ein „Gültig bis“ – es wäre ein schlechtes Implant, wenn ich es nur zwei Jahre drin haben könnte.
FinanceFWD: Wie sähe ein solches Implantat aus?
Kramer: Dafür braucht es eine relativ große Antenne, weil der Mikrochip viel leisten muss. Karten sind ja nicht umsonst so groß; da ist eine riesige Antenne drauf, die über Induktion reichlich Strom kriegt. Aber wer möchte schon ein Implantat haben, das so groß ist wie eine jetzige Kreditkarte? Es wird niemals Implantate zum Bezahlen geben, die so groß sind wie ein Reiskorn.
FinanceFWD: Wie realistisch ist es, dass Implantate entwickelt werden, die wie Bankkarten agieren können, also die hohen Sicherheitsstandards übernehmen?
Kramer: Die Produktion eines Implantates, das fürs Bezahlen genutzt werden kann, ist weitaus komplexer und kostspieliger als bei einem anderen Implantat. Einfach nur ein Stück Hardware zu verkaufen, ist hier kein Business Case, der auch nur ansatzweise attraktiv ist. Wo ist hierbei also der Business Case für uns als Implantathersteller? Wo ist der finanizielle Anreiz? Das ganze Ökosystem müsste mitmachen, das ist eine große Herausforderung. Banken und Kreditgesellschaften müssten mitarbeiten; die richtigen Business Cases müssen im Hintergrund laufen und die Technologie muss den höchsten Sicherheitsstufen gerecht werden.
FinanceFWD: Bei digitalen Währungen sieht das jedoch anders aus.
Kramer: Bei digitalen Währungen wird es richtig spannend. Mit der jetzigen Generation an Implantat können Sie die Adresse für ihre Bitcoin-Wallet hinterlegen. Sie können auch hinterlegen, dass Sie Bitcoin übertragen möchten. Kleine Beträge um die fünf Euro könnten Sie automatisieren, sodass die Transaktion losgetriggert wird, wenn ein entsprechendes Handy an den Chip kommt und sich die Daten zieht. Sie können auch in Australien an einen Bitcoin-Automaten gehen und sich die Bitcoins über ihre Hand ziehen. Davon sind wir in Deutschland aber Lichtjahre entfernt; wir wissen hier noch nicht mal, was Bitcoin ist. Wir arbeiten an einem neuen Implantat namens Vivokey, mit dem es möglich sein wird, die abgesicherte und verschlüsselte Bitcoin-Wallet unter der Haut zu tragen – nicht nur einen Link zu der Webseite, wo man seine Wallet hat.
FinanceFWD: Arbeiten Sie an Anwendungsmöglichkeiten im Bereich Banken und Versicherungen?
Kramer: Ja, aber viel kann ich im Moment nicht mitteilen. Es geht vor allem in den Bereich Kryptowährung. Es ist heutzutage leider immer noch so, dass die Banken und Kreditkartenanbieter im Payment-Bereich mitziehen müssen. Wir haben hier viele Anläufe unternommen. Alle fanden uns ganz toll und spannend, aber letztendlich war keiner richtig zuständig und wir wurden immer wieder an Kollegen verwiesen. Wenn man dann mit 20 Leuten in einer Firma gesprochen hat, merkt man: Ok, die wollen nicht. Es hieß, sie wären gerade so beschäftigt mit der Einführung von Mobile Payment in Europa, mit Implant-Payment sollen wir in fünf oder zehn Jahren wiederkommen. Darauf warten wir aber nicht, sondern finden eigene Lösungsansätze.