„Das ist gerade alles Wilder Westen“ – woher kommt der NFT-Hype?
Das Auktionshaus Christie’s versteigert ein Gemälde für mehrere Millionen, eine Sammelkarte wird für knapp 60.0000 Dollar verkauft – doch beide Werke existieren nur auf der Blockchain. Ein neuer Krypto-Hype dreht sich um sogenannte NFTs. Was ist da los?
Der Künstler Fynn Kliemann experimentiert zurzeit mit der Blockchain. „Das ist gerade alles Wilder Westen“, sagt er zu OMR. „Du musst dir einen Colt umschnallen und loslaufen.“ Ab Freitag versteigert er 100 Musikjingles als sogenannte Non-Fungible Token (NFTs).
Denn eines ist sicher: Wenn man in etwas investieren kann, dann erlebt es derzeit einen Boom. Das gilt für Aktien und Immobilien genauso wie Kryptowährungen. Und jetzt erwischt es den digitalen Kunstmarkt. Vor wenigen Tagen wurde ein echtes Werk des Künstlers Banksy verbrannt – und als digitale Kopie wiederbelebt. Weitere käufliche Gegenstände sind virtuelle Panini-Alben, Musik und Internet-Memes.
Im Internet gibt es jetzt auch Eigentum
„Musik und NFTs werden ein großes Thema“, ist auch der deutsche Künstler Kliemann überzeugt. „Die Frage ist noch wie.“ Er versucht es über die NFT-Plattform Rarible, dort können einzelne Interessenten mit der Kryptowährung Ether die Rechte an seiner neuen Musik erwerben und gegebenenfalls auch weiterverkaufen. Kliemann bekommt dann immer zehn Prozent, auch beim Weiterverkauf.
Mit den NFTs soll etwas gelingen, was es im Internet bislang nicht gab: eine echte Verknappung digitaler Inhalte. Bei einem NFT verwandeln die Macher virtuelle Güter über die Ethereum-Blockchain in einzigartige und fälschungssichere Sammlerstücke. Das gibt ihnen einen Wert, den beliebig vervielfältigte Inhalte nicht haben können. Zudem lässt sich einsehen, wer die Rechte an den jeweiligen Inhalten besitzt. Und die Blockchain-Technologie verhindert, dass diese Informationen verfälscht werden. Jede Nutzung dieser Inhalte ist dann vom Besitzer kontrolliert.
Einige in der Krypto-Branche fühlen sich schon an den ICO-Hype von 2017 erinnert: Jeder kann ein Projekt starten, ihm einen Wert zuschreiben und hoffen, dass genügend potentielle Anleger aus FOMO („Fear of missing out“) anbeißen. In drei Kategorien hat sich dabei bereits ein florierender Markt entwickelt: sogenannte Collectibles (Sammelkarten), digitale Kunst und Computerspiele.
„Die Scheiße wird gerade richtig interessant“
Eines der aktuell heißdiskutierten Beispiele ist die Fantasy-Football-Plattform Sorare, die kürzlich von prominenten Startup-Investoren 40 Millionen Euro eingesammelt hat. Fußballstars wie André Schürrle und Gerard Piqué sind ebenfalls bei der französischen Firma eingestiegen. Die Plattform funktioniert wie ein Panini-Album, das es in die digitale Welt geschafft hat. Von den Karten zu den einzelnen Spielern gibt es jeweils nur eine begrenzte Anzahl, das steigert teilweise ihren Wert enorm.
Die bislang teuerste Karte, eine des Paris-St.-Germain-Spielers Mbappé, wechselte Ende 2020 für 57.000 Dollar den Besitzer. Da die Karten über die Blockchain authentifiziert werden, lassen sie sich nicht fälschen, reine Screenshots haben keinen Wert. Die Nutzer haben eigenes Wallet, über das sie die Karten halten. Um handeln zu können, brauchen sie dazu ein Krypto-Wallet, über das sie auf die Währung Ether zugreifen können.
Schon in den vergangenen Jahren haben physische Sammelkarten einen Hype erlebt, vor allem zu Baseball und Pokemon. Dies wird nun digital. Social-Media-Star Gary Vaynerchuk ist ebenfalls bei Sorare beteiligt, er kann sein Glück zum NFT-Trend nicht fassen. „Die Scheiße wird gerade richtig interessant“, twitterte er kürzlich. „Die Technologie findet immer einen Weg.“
Ihm und anderen Collectible-Enthusiasten folgen bereits Millionen Menschen, der Markt muss sich nicht mühselig eine Community aufbauen – es gibt sie bereits. Und der Digitalisierung ihres Hobbys fiebern sie entgegen. Laut nonfungible.com sind bereits 371 Millionen Dollar in den NFT-Markt geflossen.
Auch die Computerspielbranche versucht, diese Community für sich zu begeistern. In dem Blockchain-basierten Spiel Axie Infinity können Spieler digitale Kreaturen züchten, aufziehen, bekämpfen und handeln. Diese Kreaturen sind NFTs, umso mehr Erfahrung sie sammeln, umso wertvoller werden sie. Ein Spieler könne so rund 200 Dollar pro Woche verdienen, schreibt Coindesk. In den Philippinen habe das Menschen in der Coronakrise geholfen, es wurde zu ihrem Hauptjob. Kürzlich hat jemand in dem Spiel ein Stück Land für 1,5 Millionen Dollar gekauft.
Goldgräberstimmung auf NFT-Marktplätzen
Doch NFTs gehen noch über die Nische hinaus, und das mit großem finanziellen Erfolg. Ein in der Kryptobranche bekannter Künstler namens Beep hat kürzlich ein Kunstwerk für 6,6 Millionen Dollar auf dem NFT-Marktplatz Nifty Gateway verkauft, der den Winklevoss-Brüdern gehört. Aktuell versteigert Beep ein weiteres NFT-basiertes Werk über das renommierte Londoner Auktionshaus Christie’s. Das aktuell höchste Gebot liegt bei 3,5 Millionen Dollar.
Am bekanntesten sind die sogenannten CryptoPunks, die es bereits seit 2017 gibt. Es sind 10.000 kleine verpixelte Kunstwerke, die zum Teil für jeweils mehrere hunderttausend Dollar verkauft werden, eine Handvoll sogar für etwas mehr als eine Million Dollar. Insgesamt kommen sie mittlerweile auf ein Handelsvolumen von fast 100 Millionen Dollar.
Für jedes teure Kunstwerk finden sich auf den üblichen NFT-Marktplätzen wie Nifty Gateway, SuperRare, Foundation und Zora auch Tausende, die keine Käufer finden. Wie bei jedem anderen Hype auch, bei dem sich Geld verdienen lässt, gibt es viele Trittbrettfahrer. In der NFT-Branche herrscht Goldgräberstimmung, das zeigt auch das Experiment von Fynn Kliemann, über diesen Weg zusätzliches Geld zu verdienen.
Dabei ist er eigentlich genau die Zielgruppe: Es soll Künstlern dabei helfen, mit ihren Inhalten zuverlässig Geld zu verdienen. Es ist der Versuch, dem Internet das beizubringen, was es noch nicht kann, da jeder Nutzer bislang alle Bilder, Memes, Sound-Snippets und Videos kopieren und sich zu eigen machen kann.