Tomorrow, Guudcard, Coolerfuture – wie stehen die Erfolgschancen für grüne Fintechs?
In den vergangenen Monaten sind mehrere grüne Investment-Apps und Banking-Anbieter gestartet. Sie wollen vom aktuellen Trend profitieren. Gerade ein komplett neues Fintech-Segment ist dabei aussichtsreich.
Das Rezept ist mittlerweile bekannt: Man nimmt ein erfolgreiches Geschäftsmodell – und ergänzt nachhaltige Features. Mit diesem Plan sind auch die Gründerinnen Alina Friedrichs und Susanna Mur in dieser Woche mit Guudcard gestartet.
Das Startup, das eine Mastercard anbietet, soll es in Deutschland mit Spendit oder Givve aufnehmen – zwei Anbieter, die steuerfreie Mitarbeiter-Benefits über ihre Karte vermitteln. Der Unterschied des Angreifers: Mit der Guudcard können die Mitarbeiter ihre sogenannten steuerfreien Sachbezüge nur bei Händlern und Restaurants ausgeben, die der Anbieter als nachhaltig ansieht. Los geht es mit Geschäften in München, weitere Städte sollen folgen.
Erfolg auf den Spuren von N26
Losgetreten hat den Trend in Deutschland maßgeblich die Tomorrow Bank aus Hamburg. Nach dem Erfolg von Neobanken wie N26 und Revolut starteten die drei Gründer 2018 ihr Vorhaben für eine grüne Variante der Smartphone-Banken. Knapp unter 100.000 Menschen verwenden die App bereits. Es gibt eine rege Community, die an den Plan glaubt: Bei einer Crowdfinanzierung steckten die Tomorrow-Fans innerhalb von wenigen Stunden drei Millionen Euro in die Firma. Auch der ehemalige N26-Technikchef Christian Rebernik ist an Tomorrow beteiligt.
Das Startup ist mit dem Ansatz nicht mehr allein. Die grüne Suchmaschine Ecosia startete vor wenigen Monaten eine eigene Kreditkarte aus Holz, mit deren Gewinnen Bäume gepflanzt werden sollen. Das Fintech will es laut der Gründer „mit Unternehmen wie Chime und Revolut“ aufnehmen. Dafür konnte es fünf Millionen Dollar von Geldgebern wie EQT Ventures oder Seedcamp einsammeln.
Weitere Beispiele sind die Investment-Apps Coolerfuture und Inyova oder der Robo-Advisor Vividam. Im Business-Banking ist etwa das Berliner Fintech Remagine angetreten, um Kredite an Startups zu vergeben, die nachweislich auf Nachhaltigkeit setzen. Dafür sieht es einen Markt: Bereits aus dem Stealth-Mode heraus habe die Firma bereits 20 Startups mit umsatz-basierten Finanzierungen versorgt, sagte Mitgründer Sebastian Dienst.
„Es gibt natürlich auch Gründer, die sich einfach grün anmalen“
Für den Investor Otto Birnbaum ist klar, das Fintechs aus allen Segmenten mittelfristig nicht an dem Thema Nachhaltigkeit vorbeikommen. „Wenn sich nur zehn Prozent der Deutschen wirklich für nachhaltige Finanzen interessieren, dann ist der adressierbare Markt für eine Tomorrow Bank in Deutschland fünf Millionen potenzielle Kunden“, sagt Birnbaum, der mit seinem Wagniskapitalgeber Revent ausschließlich auf nachhaltige Investments setzt, sein Fonds ist auch bei Tomorrow beteiligt.
Für Tomorrow könnte es zudem als positives Zeichen gewertet werden, dass bereits ein Nachahmer entstanden ist. In Frankreich ist mit Helios kürzlich ein Startup an den Start gegangen, dessen Geschäftsmodell und Design stark an den Hamburger Vorreiter erinnert. Ein erstes Signal dafür, dass der Markt bereits reift.
Doch Tomorrow ist noch weit von seinen Konkurrenten entfernt. Vivid Money, das nach dem grünen Fintech gestartet ist, kommt bereits auf mehr Kunden. Und der Markt ist für die anderen Spieler sehr viel größer. Außerdem haben die bestehenden großen Fintechs den Trend bereits erkannt. Viele Robo-Advisor haben bereits grüne Investment-Tarife aufgesetzt. Der Marktführer unter den Robo-Advisorn, Scalable Capital, wächst dabei besonders stark mit seinem sogenannten ESG-Angebot. Die Firmenkreditkarte von Pliant hat kürzlich einen Tarif gestartet, mit dem Flüge und Bahnfahrten sich automatisch kompensieren lassen. Es bleibt die Frage, ob die Daseinsberechtigung da ist – oder es sich lediglich um eigene Features handelt.
Neues Segment mit guten Erfolgschancen
Die Nachfrage auf der Investorenseite ist da: Der US-Investor General Atlantic hat beispielsweise einen Fonds über vier Milliarden Dollar aufgesetzt, der sich auf Technologien für den Klimaschutz konzentriert. In Deutschland gibt es abgesehen von Revent, neue Fonds wie Planet A. Ein Team mit mehreren Szeneköpfen soll zusätzlich an einem Geldtopf mit 300 Millionnen Euro planen.
„Es gibt natürlich auch Gründer, die sich einfach grün anmalen, weil sie wissen, das wollen Investoren gerade hören“, sagt Birnbaum. Allerdings: „Die meisten Gründer, die uns pitchen, meinen den Nachhaltigkeitsfokus ernst. Dass daraus auch ein lukratives Geschäftsmodell entstehen muss, ist dabei ja allen klar.“ Die Hoffnung hinter all den Startups: Frühzeitig auf ein Thema gesetzt zu haben, dass sich in den kommenden Jahren im Mainstream durchsetzt. Und dann gilt es, das als Wettbewerbsvorteil für sich zu nutzen. Wer seit Jahren in dem Markt unterwegs ist, besitzt mehr Glaubwürdigkeit.
Während in dem Segment viele Fragen offen sind, ist auch ein komplett neues Geschäftsmodell entstanden – mit guten Erfolgschancen. Gleich mehrere Anbieter schaffen Angebote für Firmen, ihre CO2-Bilanz zu tracken und zu verbessern, etwa Ecolytic, right. based on science, Planetly oder Sylvera. „Hier entsteht eine ganz neues Ökosystem an Unternehmen“, sagt Investor Birnbaum. „Eine gute CO2-Bilanz für Firmen ist auch ein wichtiger Hebel im Klimaschutz.“
Die Geschäftsmodelle dieser Startups könnten in den kommenden Jahren durch strengere CO2-Vorgaben und einem wachsenden gesellschaftlichen Druck befeuert werden, so die Hoffnung. Bislang gibt es keine Zeichen, dass die Forderungen nach Nachhaltigkeit leiser werden.