Numbrs, Heymoney, Treefin: Der schwere Weg der Multibanking-Apps
Multibanking-Apps galten als Zukunft, per App ließen sich alle Bankkonten überblicken. Einige Jahre später zeigt sich, warum der große Erfolg bislang ausblieb.
Es war das Ideal, nach dem Banking-Vordenker und Fintech-Gründer gleichermaßen strebten: Eine App, die den Zugriff auf alle eigenen Bankkonten ermöglicht. Ein „Financial Home“, mit dem sich kontenübergreifend sämtliche Ein- und Ausgaben überblicken und die Daten analysieren lassen. „Ich will den ersten echten Internet-Konzern Europas gründen“, verkündete etwa der Multibanking-Pionier Martin Saidler, ein Mann mit schwarzem Steve-Jobs-Pulli, zu dessen Investoren Promis wie Josef Ackermann gehörten – und dessen Startup Numbrs vor einigen Jahren tatsächlich zum Unicorn aufstieg, nur um bald darauf krachend abzustürzen. Nach diversen Pivots kam die App zuletzt nur noch auf rund 1.000 Downloads pro Monat, zeigt das Analysetool Airnow.
Womöglich gab es gute Gründe für die Zurückhaltung. Denn: In diesen Wochen mehren sich die Indizien, dass sich Multibanking-Lösungen nicht wirklich durchsetzen – egal ob bei Banken, Fintech oder sonstigen Anbietern.
Ambitionierte Projekte schwenken um
Mitte Oktober: Schaltete der Vergleichsriese Check24 seine Multibanking-App „moneyTracker“ ab – die entsprechenden Funktionen gibt es seitdem nur noch als Feature innerhalb der hauseigenen C24-Bank. Mitte November: Schob der Check24-Rivale Verivox das Ende 2017 mit großen Hoffnungen erworbene Multibanking-Fintech „Outbank“ mitsamt der verbliebenen Entwickler an einen weithin unbekannten Passauer Finanzvertrieb ab.
Und nun? Mehren sich laut Recherchen von Finance Forward und Finanz-Szene die Indizien, dass auch das zuletzt ambitionierteste Multibanking-Projekt hierzulande, nämlich Heymoney von der Allianz, einen heimlichen Strategieschwenk hingelegt hat – weg vom Banking und hin zum Versicherungsvertrieb.
Doch selbst das ist noch nicht alles. Einem weiterer Multibanking-Pionier, nämlich Treefin, droht unseren Recherchen zufolge die schleichende Abwicklung. 2017 hatte der auf Bausparen und Versicherungen spezialisierte Finanzkonzern Wüstenrot & Württembergische das Multibanking-Fintech zunächst mehrheitlich und ein Jahr später sogar komplett übernommen. Damit konnte der W&W-Konzern den eigenen Kunden ein Tool an die Hand geben, mit dem sich die persönlichen Finanzen nahezu komplett managen ließen, vom Konto über das Depot bis zur Versicherungspolice.
Auch dieser Ansatz steht infrage. Die Treefin-App wird laut mehreren Quellen in den hauseigenen Digitalversicherer „Adam Riese“ integriert. Auf der Website findet sich bereits ein entsprechender Vermerk. Demnach sollen die Kunden mit dem Tool in Zukunft ihre verschiedenen Policen vergleichen können – die Kontofunktionen rücken wohl in den Hintergrund.
Probleme mit den neuen Schnittstellen
Was sind die Gründe, dass sich die Multibanking-Idee bislang nicht wirklich durchgesetzt hat?
Bei einigen frühen Anbietern spielten vergleichsweise profane Gründe eine Rolle. Ältere Konto-Aggregierer wie Smartmoney beispielsweise hatten und haben zwar ihre Fans – schafften den Übergang vom Desktop- ins Mobile-Zeitalter aber nicht wirklich. Figo wiederum pivotierte schon bald nach der Gründung von einem Endkundenangebot hin zu Geschäftskunden – ein Schritt, der Geld sparte, aber auch signalisierte: Ohne vorhandenen Kundenstamm ist Multibanking ein schwieriges Unterfangen. Das merkte auch Outbank. Die Münchner rutschten bald nach dem Start in die Insolvenz. Schließlich erbarmte sich Verivox.
Dann kam Finanzguru – doch Finanzguru (Firmenname: Dwins), gegründet 2015 in Frankfurt, ließ es erstaunlich gemächlich angehen. Erst mal bauen. Nicht zu viel Geld verbrennen. Und auf die PSD2 warten. Die kam 2019. Doch was zum ultimativen Booster für die Open-Banking-Idee werden sollte, entpuppte sich für manchen Anbieter eher als Hindernis. Bei Finanzguru konnten sich die Kunden nach der Umstellung von einem Tag auf den anderen nicht mehr in die App einloggen. Kein Zugang funktionierte, und statt sie zu gewinnen, verlor das Multibanking-Fintech binnen Tagen 100.000 Kunden.
Das Problem, das auch andere Open-Banking-Player ereilte: Die neuen Schnittstellen zwischen Banken und Drittdiensten funktionierten einfach nicht, sei es aus technischem Unvermögen oder weil Geldinstitute den Zugriff auf ihre Kundenkonten bewusst sabotierten. Erst nach wochenlangem Ruckeln funktionierten die Dinge wieder halbwegs. Was hingegen bis heute ein Problem ist: Das Multibanking unterliegt seit der PSD2-Umstellung der sogenannten Zwei-Faktor-Authentifizierung. Aus Sicherheitsperspektive mag das sinnvoll sein. Der Nutzerfreundlichkeit ist es abträglich. Bei der ING Diba zum Beispiel heißt es, mit PSD2-konformen Schnittstellen sei aktuell kein bequemer und umfänglicher Konto-Überblick möglich.
Am weitesten sind die Sparkassen
Entsprechend zurückhaltend behandeln etliche kundenstarke Banken das Thema weiterhin. Nicht nur, wenn anderen Banken und Drittanbieter auf ihre Konten zugreifen wollen. Sondern auch, wenn sie selber als Aggregator auftreten sollen. Am weitesten sind noch die Sparkassen. Deren App bietet seit Jahren Multibanking an, sogar für Nicht-Kunden. Zum Grundangebot gehört die Funktion auch bei der Commerzbank, wenngleich erst seit diesem Sommer. Die Deutsche Bank wiederum galt einst als Vorreiter im Multibanking, vor drei Jahren lag die Nutzerzahl im niedrig sechsstelligen Bereich, das Fremdkonto-Volumen bei gut 6 Milliarden Euro. Es war wohl bis heute der letzte Leistungsausweis, der öffentlich wurde.
Bei den beiden großen Direktbanken spielt Multibanking erstaunlicherweise keine Rolle. Die Features seien nur für wenige Kundengruppen interessant, sagt ein DKB-Sprecher, die ING Deutschland befindet sich derweil weiterhin in der Beobachterrolle. Die bis dato letzte bankenseitige Multibanking-Offensive hierzulande starteten vor zwei Jahren diverse Sparda-Banken. Einige gingen sogar so weit, die eigens entwickelte „TEO“-App zwangsweise einzuführen und die alte Sparda-App nicht länger zu unterstützen. Viele Kunden wanderten daraufhin ab. Die Nutzerbewertungen sind bis heute katastrophal.
Solange die Banken das Feld unbestellt lassen, müsste das eigentlich die Chance für andere Finanzplayer sein. Und so trat im Sommer 2019 die Allianz auf den Plan, um eine eigene Multibanking-App namens „Heymoney“ zu entwickeln. Der Ehrgeiz war groß, der Versicherungskonzern verpflichtete ein prominentes Team, darunter die Aboalarm-Macher Bernd Storm und Arnold Brunner, und stellte einen zweistelligen Millionen-Betrag bereit. „Wir werden eine Internet-Plattform bauen, die den Kunden 360-Grad-Analysen ihrer Finanzen ermöglicht“, sagte ein Allianz-Manager vor dem Start.
Über Monate werkelte das Team an der App, doch der große Knall blieb aus. Die hauseigenen Versicherungsvertreter sollten ihre Kunden in die App einladen – dies ist weiterhin der einzige Zugang zur App. Intern vollführte Heymoney bereits vor einigen Monaten einen Strategie-Schwenk hin. Der Fokus liegt jetzt viel stärker auf Versicherungen, die sich in der App organisieren lassen. Es habe Entlassungen geben, berichtete jüngst die Wirtschaftswoche. Außerdem verlor das Unternehmen einige Schlüsselpersonen, darunter den für Tech zuständigen Vice President Josef Auer, den Produktverantwortlicen Jens Riewe sowie den IT-Sicherheitsexperten Vincent Haupert.
Die Allianz sagt, sie wolle das Vorhaben weiter vorantreiben. Ein Sprecher betont, es handele sich bei Heymoney um „eine langfristige Investition, die auch weiterhin unterstützt wird“. Die Downloadzahlen sind indes niedrig.
Multibanking als Feature
Dass sich die Multibanking-Idee bislang nicht richtig durchsetzt, heißt freilich nicht, dass sie tot ist. Bei Check24 zum Beispiel heißt es, dass der Multibanking-Ansatz ein ganz entscheidendes Feature der C24 Bank sei. Und auch im Bankenlager wird der Ansatz teilweise weiterhin verfochten, viele Nutzer würden die Funktion seit Jahren schätzen, teilen die Sparkassen mit. Das passt zur Haltung von André Bajorat, dem Fintech-Vordenker, einstigen Figo-Chef und heutigen Deutschbanker, der neulich in seinem Fintech-Podcast sagte, Multibanking sei zwar kein eigenes Produkt, als Feature allerdings relevant.
Ist das die Linie, auf die es letzten Endes hinausläuft? Feature für bestimmte Kundengruppen ja. Produkt nein?
Eine spannende Wette, dass Multibanking auch als Produkt taugen könnte, gibt es weiterhin da draußen. Nämlich Finanzguru. Im Rückblick könnten sich die relativ späte Gründung und die gemächlichen Anfangsjahre sogar als Vorteil herausstellen. Während es nämlich beim lange Zeit ungleich wertvolleren Rivalen Numbrs so aussieht, als habe dieser große Teile seines Fundings verschossen, gilt Finanzguru weiterhin als Geheimtipp.
Im Vergleich zu den anderen Startups kann es immerhin eine relevante Nutzerbasis (schon im vergangenen Jahr war von mehr als 500.000 Kunden die Rede) vorweisen, es hat über die Jahre eine bekannte Marke aufgebaut. Allerdings muss das Fintech noch den Beweis antreten, dass sich mit dem Geschäftsmodell auch Geld verdienen lässt. Im vergangenen Jahr sollten die Erlöse bei grob eine Millionen Euro gelegen haben.