„Apples Vision Pro wird alles auf den Kopf stellen – auch die Finanzbranche“
An diesem Freitag geht Apples lange erwartete Computerbrille Vision Pro in den Verkauf. Der Berliner Perjan Duro hat eine der ersten Finanz-Apps für das Gerät entwickelt. Was erhofft er sich davon?
An den Moment, als Perjan Duro die futuristische Computerbrille von Apple zum ersten Mal aufsetzte, erinnert sich der 36-Jährige noch genau. Ein „unwirkliches Gefühl“ sei das gewesen. „Als ob man zum ersten Mal einen unentdeckten Kontinent betritt“, erzählt Duro. Dennoch habe er sich schnell zurechtgefunden. Das Gerät sei wie meist bei Apple sehr intuitiv aufgebaut, mit flüssigen Animationen wie auf dem iPhone, „nur eben dreidimensional und direkt vor dem Gesicht“. Kopfschmerzen habe er davon keine bekommen, nur etwas müde Augen vielleicht. „Aber das ist Gewöhnungssache“, glaubt Duro.
Der Berliner Unternehmer ist einer von nur wenigen, die das knapp 3.500 Dollar teure Gerät bereits Monate vor dem heutigen Verkaufsstart in den USA testen konnten. Nicht ohne Grund: Perjan Duro ist Entwickler und betreibt die App Moneycoach, eine Art digitales Haushaltsbuch. Nutzer können damit ihre Ein- und Ausgaben tracken, Budgets festlegen und, das betont Duro, ihre finanziellen Ziele so leichter erreichen. Schließlich habe er Moneycoach einst aus Eigenbedarf entwickelt. „Als ich vor 10 Jahren aus Albanien nach Deutschland gekommen bin, hatte ich 30.000 Euro Schulden. Die App hat mir beim Abstottern geholfen.“ Verfügbar ist die Anwendung seit 2016, mehr als drei Millionen Mal sei sie inzwischen heruntergeladen worden. Bislang gab es Moneycoach für iPhone, iPad und Macs.
Geholfen habe ihm auch ein spezielles Entwicklerprogramm von Apple, für das sich Duro zunächst bewerben musste. Die Zusage kam jedoch schnell, der Entwickler und der Konzern sind sich vertraut. Bereits mehrfach hat Apple die Moneycoach-App prominent im App Store beworben. Das Finanz-Tool ist modern gestaltet und bringt es auf durchschnittlich 4,1 von 5 Sternen bei mehr als 1000 Bewertungen. Das sehen die Mitarbeiter in Kalifornien gerne.
Strenge Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnet
Nach Hause geschickt bekam der Entwickler die Computerbrille deshalb aber nicht. „Das wäre schön gewesen“, sagt Duro und lacht. Er habe stattdessen mehrfach zu Apple nach München fahren müssen, um seine Entwicklungsfortschritte vor Ort an einem Testgerät zu begutachten. „Ich musste auch eine strenge Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben.“
Dies habe ihm die Entwicklungsarbeit nicht immer leicht gemacht. Dazu kam, dass Moneycoach bereits einige Jahre alt und technisch nicht mehr in allen Belangen auf dem neuesten Stand war. Viel Code habe er deshalb neu schreiben müssen, sagt Duro. Ein Problem, das jüngere Apps so wohl nicht hätten.
Dennoch gibt sich der Entwickler zufrieden – vor zwei Wochen habe Apple seine App durchgewunken, gerade noch rechtzeitig zum Verkaufsstart. „Moneycoach wird auf der Vision Pro noch einmal mehr Spaß machen“, erklärt Duro, „mit mehr Fenstern und der Möglichkeit, Rechnungen etwa aus dem E-Mail-Postfach per Fingergeste direkt in die App zu übertragen“.
Finanziell lohne sich das für ihn und seine Firma erst einmal nicht. Schätzungen zufolge dürften im ersten Jahr nur einige Hunderttausend Geräte im Umlauf sein. Doch um Geld geht es Duro zu Anfang auch nicht. Er hofft vielmehr, von der Aufmerksamkeit um Apples neues Wunder-Gadget zu profitieren. Wer Moneycoach auf der Vision Pro ausprobiere, tue das später vielleicht auch auf dem iPhone. Gegen Gebühr lassen sich dort zusätzliche Funktionen freischalten.
„Beim ersten iPhone hat auch jeder geglaubt, das braucht es nicht“
Doch braucht man die Brille wirklich? Reicht nicht das Smartphone oder einfach eine Excel-Tabelle, um ein Haushaltsbuch zu führen? Duro widerspricht. Als Steve Jobs 2007 das iPhone und später den App Store vorstellte, habe ja auch kaum jemand geglaubt, dass es das Gerät brauche. Inzwischen sei es im Alltag der Menschen omnipräsent.
So werde es auch bei der Vision Pro sein, glaubt Duro, wenn zunächst auch unter anderen Vorzeichen. Aufgrund des hohen Einstiegspreises von 3500 Dollar werde die Brille zunächst hauptsächlich für die Industrie interessant sein. „Sie wird jede Branche auf den Kopf stellen“, glaubt Duro – in erster Linie dort, wo viel mit Daten und 3D-Modellen gearbeitet werde, „in der Fahrzeugindustrie zum Beispiel oder im Immobilienbereich“. Auch für die Finanzbranche sieht der Entwickler durchaus Potenzial: etwa bei Banken, die das Gerät für Datenanalysen nutzen könnten. Insbesondere in Verbindung mit einem eigenem KI-Assistenten, vergleichbar mit ChatGPT, seien solche Anwendungsfälle spannend.
Bis sich die Vision Pro auch im Massenmarkt durchsetzt, wird es laut Duro zufolge aber noch einige Jahre dauern. Erst wenn der Preis deutlich sinke, sei das Gerät auch für Fintechs spannend, die sich häufig an Konsumenten richten. Bis Perjan Duro eine eigene Vision Pro zu Hause hat, wird es übrigens ebenfalls noch dauern. Weil das Gerät vorerst nur in den USA verkauft wird, muss sich der Entwickler noch gedulden. Er rechnet mit einem Verkaufsstart in Deutschland zum Ende dieses Jahres. Bis dahin muss er noch ein paar Mal nach München fahren.