Krypto-Lending – wie riskant sind die hohen Zinsversprechen?
Wer Krypto-Coins verleiht, kann je nach Währung und Kreditplattform hohe Zinsen vereinnahmen. Nutzer sollten allerdings verstehen, wie Krypto-Lending funktioniert und welche Risiken es birgt.
Das Geld muss runter von dem Konto. Denn: Nach der Postbank und der Commerzbank verlangt nun auch die Direktbank ING in Deutschland Strafzinsen – ab 50.000 Euro kostet es sogar mehr als nur die Inflation, Geld auf dem Konto liegen zu haben. Auch für Tagesgeldangebote gibt es fast keine Zinsen mehr.
In der Krypto-Welt sieht es anders aus. Dort gibt es teils hohe Zinsen für Anleger, die ihre Coins verleihen. Mit Krypto-Lending lässt sich ein Zusatzeinkommen erzielen. Um die Risiken richtig einschätzen zu können, sind einige Dinge jedoch wichtig zu wissen.
In Deutschland noch wenig verbreitet
Das Berliner Fintech arbeitet bei seinem „Bitcoin Ertragskonto“ mit Celsius Network aus London zusammen. Das Unternehmen betreibt eine Lending-Plattform für Kryptowährungen und reicht Geld in Form besicherter Kredite weiter. Den Nutzern des Nuri-Kontos bringt diese Kooperation automatisch bis zu fünf Prozent Zinsen pro Jahr, ausgezahlt in Bitcoin und auf wöchentlicher Basis. Wer 0,12 Bitcoin auf dem Konto hat, momentan rund 3.400 Euro, könne bei einem jährlichen Zinssatz von 3,45 Prozent rund 117 Euro im Jahr dazuverdienen, rechnet Nuri vor.
Achtung: Die Höhe der Zinsen schwankt, weil sie sich nach der Kreditnachfrage richtet. Lending-Erträge sind also nicht planbar. Zudem sind vereinzelte Kreditausfälle trotz Besicherung nicht ausgeschlossen. Als Sicherheit dienen in der Regel andere Kryptowährungen, und deren Wert kann tiefer abstürzen als gedacht. Ein weiteres Risiko: Bei Guthaben auf Krypto-Konten greift, anders als bei regulären Girokonten, im Insolvenzfall nicht die gesetzliche Einlagensicherung. „Eine Zahlungsunfähigkeit von Celsius Network bedeutet für den Anleger einen Totalverlust seiner Investition sowie gegebenenfalls bereits verdienter und noch nicht ausgezahlter Erträge“, heißt es von Nuri.
Außerhalb Deutschlands gibt es viele weitere Plattformen, die Krypto-Lending anbieten und die auch deutschen Nutzern offen stehen, darunter etwa die weltgrößte Krypto-Börse Binance. Kunden haben dort mehrere Optionen: Sie können nicht nur Bitcoin verleihen, sondern unter anderem auch Ether und Tether, und können zwischen festen Einlagen und Sichteinlagen wählen. Coins werden also entweder für eine bestimmte Zeit zu einem bestimmten Zinssatz verliehen. Oder man kann jederzeit auf seine verliehenen Münzen zugreifen, bekommt dafür aber niedrigere Zinsen.
Im Schnitt liegen die Zinssätze beim Krypto-Lending je nach Währung und Plattform bei zirka drei bis vier Prozent. Manchmal gibt es sogar Zinsen im zweistelligen Bereich, vor allem für Stablecoins. „So lange das Ökosystem des Krypto-Lendings so dynamisch wächst, bleiben die Zinsen hoch“, sagt Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Center (FSBC) an der Frankfurt School of Finance. „Schwächt sich das Wachstum ab, dürften die Zinsen sinken. Das wird aber erst in einigen Jahren der Fall sein.“
Ein Lending ohne den Mittelsmann
Wer zentralisierten Kreditplattformen nicht vertraut, kann auch in der Welt der Decentralized Finance (DeFi) Coins verleihen und Zinsen vereinnahmen. DeFi-Akteure wie Aave, Compound oder MakerDAO bauen klassische Dienstleistungen von Banken und Brokern in der Blockchain nach, ohne zentrale Instanz. Das Kreditgeschäft funktioniert automatisch, Computer berechnen basierend auf Angebot und Nachfrage laufend die Konditionen für Kreditgeber und -nehmer. „Man kommuniziert und interagiert direkt mit dem Maschinenraum. Hier nimmt keine Bank oder Krypto-Börse eine Gateway-Funktion ein“, erklärt Sandner.
Krypto-Lending ist im DeFi-Bereich inzwischen eine der wichtigsten Säulen und gewinnt weiter an Bedeutung. „Es gibt sogar erste Versuche, DeFi an Baudarlehen anzuschließen“, sagt Sandner. Momentan ist nach Angaben des Portals DeFi Pulse der Krypto-Gegenwert von 15 Milliarden US-Dollar über dezentrale Protokolle verliehen, 37 Prozent davon über den Branchenprimus, das Londoner Unternehmen Aave.
Wie beim Lending über zentralisierte Plattformen ist auch im DeFi-Bereich Übersicherung Pflicht. Kreditnehmer müssen Sicherheiten hinterlegen, deren Wert deutlich über dem der Kreditsumme liegt. Dadurch sollen Kreditgeber vor Ausfällen geschützt sein, wenn eine Währung plötzlich rasant an Wert verliert. Trotzdem sei Krypto-Lending insbesondere über dezentrale Protokolle nur etwas für Anleger, die sich in der Krypto-Welt sicher fühlen und Erfahrung mit Cyberwährungen und bestenfalls auch mit der Ethereum-Blockchain haben, auf der die großen Lending-Protokolle basieren, sagt Sandner. „Ein Schreibfehler in der Wallet-Adresse genügt, und das Geld ist unwiederbringlich verloren“, warnt er. „Rookies können mit Krypto-Lending herum probieren, sollten aber auf keinen Fall größere Summen einsetzen.“