Der Klarna-Produktchef über die neue Super-App: „Das ist unser Vorteil gegenüber Amazon“
Am Mittwoch hat Klarna die wohl umfangreichste Veränderung seines Angebots angekündigt: Der schwedische Payment-Star will zur Super-App werden. Was bedeutet das genau? Darüber haben wir mit Produktchef David Fock gesprochen.
Endlich soll nach Europa gebracht werden, was in Asien bereits mehr als eine Milliarde Menschen nutzen: Klarna erweitert sein Angebot zu einer Art Super-App. Es soll eine Mischung aus Shopping- und Banking-Anwendung werden, in die nach und nach immer mehr Funktionen aufgenommen werden (Finance Forward berichtete). Die Vorbilder aus dem Osten, also beispielsweise Wechat und Alipay, können etwa Taxis vermitteln und haben Investment-Produkte integriert.
David, Super-Apps sind in Asien groß geworden – mit Alipay und Wechat als die großen Vorbilder. Seitdem versuchen auch westliche Tech-Konzerne eigene Super-Apps zu bauen, zum Beispiel Paypal, Revolut und jetzt auch Klarna. Dabei ist das Nutzungsverhalten der Menschen in den USA und Europa anders, weil die Kunden hier für verschiedene Lebensbereiche bereits unterschiedliche Apps verwenden. Welche Chance hat da eine Super-App von Klarna?
Wir fokussieren uns mit der Super-App auf Funktionen rund um das Einkaufen und Banking – das ist ein unglaublich großes Geschäftsfeld mit vielen unterschiedlichen Funktionen, die für die Nutzer immer noch sehr komplex sind. Und obwohl sie sich für alle Dinge einzelne Apps herunterladen könnten, haben unsere Umfragen ergeben, dass 70 Prozent der Konsumenten eine einzige universelle App bevorzugen würden.
An welchen Momenten schafft Klarna es, die Nutzer zu überzeugen, von Banking-Apps wie Revolut und Shopping-Apps wie Amazon zu wechseln – und die Super-App zu verwenden?
Es gibt nicht notwendigerweise den einen Moment. Wir sind sicher, dass wir Nutzer, die wir haben – und das sind knapp 100 Millionen – mit der User-Experience für die App gewinnen können und ihnen ein besseres Shopping-Erlebnis an einem einzigen Ort bieten können. Unsere Nutzer haben darüber hinaus die Möglichkeit, ihre Einkäufe zu organisieren, Lieferungen zu verfolgen und Rücksendungen vorzunehmen.
Trotzdem muss es doch ein Argument geben, um die Kunden zu locken?
Zum ersten Mal haben die Kunden alle Einkäufe an einem Ort und können diese flexibel mit „Buy now, pay later“ bezahlen. Man kann außerdem seine Online-Einkäufe in einer App organisieren und sieht, wo sich die Ware befindet, kann sie zurücksenden und hält eine direkte Erstattung. In unseren Collections, in der Nutzer Produkte wie bei einer Wunschliste speichern, können sie außerdem den Preis überwachen, wenn der Preis runtergeht, erhalten sie eine Nachricht. Zusätzlich kann man sein Geld managen, sich ein Shopping-Budget einrichten oder die anderen Bankkonten verbinden, um ein komplettes Bild seiner Finanzen zu erhalten. Mit unserer sogenannten Einmalkarte können alle Kunden darüber hinaus jetzt in jedem Onlineshop einkaufen und alle Klarna-Vorteile nutzen – unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Partnerhändler handelt oder nicht.
Klarna will auch künftig stärker Sparprodukte anbieten. Wie werden diese aussehen?
In Schweden und in Deutschland bieten wir bereits Tages- und Festgeld an, das in Deutschland bald direkt in das Klarna-Bankkonto in der App integriert wird. Das Bankkonto soll darüber hinaus bald auch in andere Märkte kommen.
Aber es steht nicht auf dem Plan, bald Krypto- und Aktienhandel anzubieten?
Zurzeit steht es nicht auf unserer Roadmap. Dass wir kein Krypto anbieten, macht uns fast zu einem Außenseiter (lacht).
Shopping und Ausgaben gehören auf eine Art bereits zusammen, aber die asiatischen Modelle gehen weiter – man kann dort nicht nur seine Finanzen organisieren, sondern auch ein Taxi bestellen oder das Essen ordern. Gehört das zum langfristigen Plan, die App für alles zu sein?
Die ehrliche Antwort ist, dass wir es ausprobieren müssen und experimentieren. Aber wir denken, dass die Anwendungen immer eine Verbindung zu Shopping und Banking haben werden. Dieses Spektrum ist schon extrem groß und wir werden mit vielen Partnern ausprobieren, inwiefern sie in der Super-App funktionieren.
Die Ant Group gehört mit Alipay zu den großen Vorbildern einer Super-App – viele Millionen Chinesen verwenden den Dienst. Gleichzeitig ist Ant auch an Klarna beteiligt. Habt ihr euch Ratschläge von der Firma für die Super-App geholt?
Nein, das ist nicht passiert. Aber wir haben viele Mitarbeiter in China – und verbringen viel Zeit damit, den chinesischen Markt zu erkunden und zu verstehen.
In der Digitalwelt ist es üblich, dass Plattformen selbst zu Anbietern werden. Amazon betreibt beispielsweise den Marketplace mit fremden Händlern, aber verkauft auch selbst Güter. Plant Klarna in der Super-App selbst zum Shop zu werden?
Nein, da sind wir sehr strikt. Die Händler sind unsere Partner, wir wollen ihre Abläufe nicht beeinflussen, sondern mit der Super-App in ihre Shops Funktionen hinzufügen. Die Händler müssen das Gefühl haben, dass ihr Geschäft sicher ist und wir ihnen dabei helfen, mehr Produkte zu verkaufen. Es unser großer Vorteil gegenüber Amazon: Sie können über die App Produkte über ihre eigene Seite verkaufen. Bei Amazon haben sie diesen Kundenzugang nicht, dort kontrollieren sie die Markenwahrnehmung nicht. Wir haben keine Pläne, ein Online-Händler zu werden.
Aber auch in diesem Szenario spielt ihr eine wichtige Rolle für die Händler, eure Marke steht im Vordergrund. Das war früher nicht der Fall, als Klarna nur ein Zahlungsdienstleister im Hintergrund war. Nun könntet ihr zum Gatekeeper werden. Irgendwann erinnert man sich nicht mehr, ob man es von Nike Online-Shop oder Zalando bestellt – sondern es kommt einfach von Klarna. Gibt es da Kritik von den Händlern?
Nein, das Zentrum der App ist ein Shopping-Browser, es ist ähnlich, als würde ich im Chrome-Browser bei Nike einkaufen, das bleibt für den Kunden klar.
Doch macht Klarna als dominante Marke nicht trotzdem einigen Händlern Angst?
Wir haben mehr als 250.000 Händler und natürlich gibt es da unterschiedliche Meinungen, aber wir sehen auch einige Händler, die viel in ihre eigenen Apps investiert haben. Das sehen wir nicht als Problem. Wir stellen unsere Technologie auch anderen Apps zur Verfügung, die die Klarna-Abläufe stark bei sich integrieren. H&M macht es beispielsweise auf diese Weise.
Wenn Klarna dann einen Preisvergleich anbietet, werden doch die Händler auch gegeneinander ausgespielt.
Unsere Ansicht ist, dass es sich um einen Produktvergleich handelt. Bei der Kaufentscheidung ist der Preis nur ein Faktor. Andere Fragen sind, ob das Produkt vorrätig ist, wie man bezahlen kann und wie schnell es geliefert wird. Mit diesen Informationen helfen wir Nutzern – und Händlern, die ein gutes Sortiment und gute Prozesse haben.
Um es zusammenzufassen, Klarna wird in der Zukunft auch zu einer Art Werbenetzwerk.
Ja, Wir verstehen uns als Wachstumspartner und bringen Händlern einen Nutzerstrom, der ihnen mehr Geschäft bringt.
Live-Shopping soll auch in der App integriert werden. Ebenfalls ein Trend aus Asien. Wie wird das aussehen?
Wir haben kürzlich das Unternehmen Hero übernommen, das unsere Angebote im Bereich Live-Shopping optimal ergänzt. Dieses Angebot wird zukünftig auch in der App verfügbar sein.
Ein großes Thema für Klarna ist ja, dass die Leute nur das kaufen sollten, was sie sich auch leisten können – und sich nicht überschulden. Eure Argumentation ist, dass ihr mit Features die Menschen dazu bringt, verantwortungsvoll mit ihrem Geld umzugehen. Wie sieht das genau aus?
Man kann sich Ausgaben-Limits setzen und erhält einen kompletten Überblick über seine Ausgaben. Man sollte bei der Gelegenheit sagen, dass die Hälfte unserer Kunden sofort bezahlt. Es wird nicht nur eine App für Ratenkauf, sondern für alle Payment-Methoden.
Die Verknüpfung von Daten gilt als großer Vorteil einer Super-App. Gleichzeitig sehen viele die Datennutzung kritisch. Wo zieht ihr die Grenzen?
Das schauen wir uns im Detail an. Wir teilen auf jeden Fall keine Daten ohne eine explizite Zustimmung der Nutzer. Wir werden immer fragen: Willst du die Daten teilen? Das sind die Vorteile für dich bei einer Datennutzung. So arbeiten wir mit Partnern bei diesem Thema. Alles ist DSGVO-konform.
Aber ihr könnt ja selbst, wichtige Informationen daraus ziehen. Beispielsweise wenn jemand bei Nike eingekauft hat, schickt ihr ihm einen Promo-Code von Adidas.
Wir werden niemals Händler gegeneinander ausspielen. Unsere mehr als 250.000 Händler sind sich jedoch bewusst, dass sie, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Loyalität der Kunden zu gewinnen, das gesamte Einkaufserlebnis im Blick haben müssen und nicht nur die reine Transaktion. Die Klarna-App wird jeden Monat von mehr als 18 Millionen Menschen weltweit genutzt und wächst darüber hinaus stetig. Diese Nutzerbasis schafft für unsere Partnerhändler einen großen Mehrwert.