Iwoca erhält 100 Millionen Euro für Kredite in Deutschland
Exklusiv: Das deutsch-britische Fintech Iwoca bekommt 100 Millionen Euro zur Finanzierung neuer Darlehen – und will das Geschäft in Deutschland damit massiv ausbauen. Es könnte der Test für ein viel größeres Investment sein.
Auf den ersten Blick sieht die Zahl ziemlich mickrig aus: Nur zwei Prozent des Kreditmarktes von kleinen und mittleren Unternehmen haben digitale Player 2018 besetzt. Die restlichen 98 Prozent dominieren immer noch die etablierten Finanzinstitute.
Auf den zweiten Blick zeigt sich in den Zahlen der vergangenen Jahre allerdings ein Trend: Jedes Jahr ist der Wert der Kredite stark gestiegen. 2018 waren es eine Milliarde Euro, ein Jahr später schon fast der doppelte Wert. Und es soll so weitergehen, prognostiziert eine Studie der Unternehmensberatung Barkow Consulting im Auftrag der Solarisbank.
Zu einem der wichtigsten Player in diesem Markt ist Iwoca avanciert. Das deutsch-britische Fintech hat seit seinem Start eine Milliarde Euro an Krediten vergeben, Wagniskapitalgeber haben zuletzt vor einem Jahr 20 Millionen Euro investiert und auch die Commerzbank glaubt an das Unternehmen.
Der globalen Vermögensverwalter Insight Investment steckt 100 Millionen Euro in die Kreditplattform. Das Geld ist speziell vorgesehen, um es an deutsche Unternehmen zu verleihen. Iwoca vergibt Kredite zwischen 1.000 und 100.000 Euro. Gerade dieses Segment an vergleichsweise kleinen Beträgen haben Banken in der Vergangenheit vernachlässigt. Ein Grund dafür ist die aufwändige Prüfung, ob ein Unternehmen auch kreditwürdig ist. Finanzinstitute haben daher ihren Fokus nicht auf kleinere Kredite gelegt und sehen ihr Geschäft eher bei Kunden mit größeren Darlehen – und höheren Erträgen. Digitale Anbieter wie Iwoca versuchen dagegen, mit einem automatischen Scoring und einer schnellen Kreditentscheidung zu punkten.
Iwoca setzt verstärkt auf den deutschen Markt
Wie viel Kredite Iwoca von der einen Milliarde bereits in Deutschland vergeben hat, will das Unternehmen nicht verraten. „In Großbritannien sind wir ja schon länger aktiv, deshalb ist hier das insgesamt ausgezahlte Volumen größer als in Deutschland“, heißt es vom Deutschlandchef Oliver Schmid. Das Unternehmen wurde 2011 gegründet und ist seit 2015 auf dem deutschen Markt unterwegs.
Eine 100-Millionen-Finanzierung ist in der Branche nicht ungewöhnlich. Erst vor einem Jahr steckten verschiedene Investoren mehr als 100 Millionen Euro in die Kredite von Iwoca. Die neue Finanzierung ist allerdings der größte Betrag von einem einzelnen institutionellen Geldgeber – und betont die Relevanz des deutschen Marktes. Gerade erst hat Iwoca angekündigt, sein Team in Frankfurt auf 100 Mitarbeiter zu verdoppeln. Der Großteil der etwa 320 Mitarbeiter sitzt bislang in London.
Das Investment könnte derweil auch ein Testballon von Insight sein. Denn insgesamt verwaltet das Unternehmen 780 Milliarden Euro – die 100 Millionen bei Iwoca sind für den Geldgeber ein vergleichsweise kleiner Betrag. Beide Unternehmen halten sich dazu bedeckt. „Über Iwocas Fintech-Kredite können wir (…) ein neues Segment in Deutschland erreichen“, lässt sich Shaheer Guirguis von Insight Investment in einer Mitteilung zitieren. Beim britischen KMU-Kreditgeber Thincats hatte Insight Ende 2018 mehr als 300 Millionen Euro investiert.
Ein Vorbild für einen solchen Test-Deal gäbe es: 2015 bekam Auxmoney 150 Millionen vom niederländischen Versicherer und Vermögensverwalter Aegon zur Verfügung gestellt. Der Test lief offenbar gut: Zwei Jahre später legte Aegon 1,5 Milliarden Euro nach und beteiligte sich mit 15 Millionen Euro direkt am Unternehmen. Auxmoney verleiht zwar hauptsächlich an Privatkunden, trotzdem ist eine solche Strategie auch im Unternehmens-Segment denkbar.
Seit Herbst ist October auf dem deutschen Markt
Iwoca sieht sich als selbst als deutschen Marktführer. Insgesamt 19 Startups vergeben mittlerweile KMU-Kredite, wie Barkow ermittelt hat. Dazu gehören etwa Anbieter wie Funding Circle, Creditshelf oder Teylor. Seit Herbst gibt es mit October einen weiteren Player. Der Europäische Investitionsfonds (EIF) hatte gemeinsam mit anderen Investoren dem Unternehmen ebenfalls 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Im Gegensatz zu Iwoca soll das Geld jedoch nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, Spanien, Italien und den Niederlanden verliehen werden. Kürzlich wurde der Fonds von October noch einmal um 15 Millionen Euro aufgestockt.
October-Deutschlandchef Thorsten Seeger kennt den Markt bereits gut, zuvor hatte er die gleiche Rolle bei Funding Circle. Das Unternehmen hat in Deutschland gerade die ersten Kredite vergeben, teilt er auf Anfrage mit. October will 2020 eine niedrige zweistellige Millionensumme verleihen, der Betrag soll sich in den Folgejahren jeweils verdoppeln oder verdreifachen. Damit setze das Fintech in Deutschland auf ein langsameres und nachhaltiges Wachstum, nicht zuletzt, um auch das Ausfallrisiko gering zu halten, sagt Seeger.
Was ist wichtiger, Wachstum oder geringe Ausfallrate?
Es ist ein Problem, das die jungen Fintechs eint: Sie müssen einerseits das Wachstum stetig aufrechterhalten. Dazu gehört, die Zahl der vergebenen Kredite stetig steigen zu lassen. Andererseits muss die Ausfallrate unter Kontrolle gehalten werden.
Da sie viele kleine Kredite vergeben, würde es für Iwoca kein Klumpenrisiko geben, sagt Deutschlandchef Oliver Schmid im Gespräch mit Finance Forward. Das gesamte Risiko sei aufgrund der kleinen Beträge und kurzen Laufzeiten besser steuerbar. Er sieht Iwoca auf einem guten Weg, die Mitte zwischen guten Kunden und gleichzeitig einem starkes Wachstum zu finden. Nur Zahlen will das Unternehmen nicht nennen.