Hacks und Streit unter Gründern: Was ist bei IOTA los?
IOTA gilt als eines der vielversprechendsten Blockchain-Projekte im deutschsprachigen Raum. Doch hinter den Kulissen brodelt es – zwei Mitgründer zoffen sich und das gesamte System muss nach einem Hack lahmgelegt werden. Was ist da gerade los?
David Sønstebø und Sergey Ivancheglo werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr. Sie kennen sich seit Jahren – 2014 gründeten sie zusammen Jinn Labs, aus dem später IOTA hervorging. Das machte sie zu Millionären, führte aber auch zu einem seit langem schwelenden Streit. Und der ist im Februar eskaliert.
Was anfangs nur eine Auseinandersetzung unter Geschäftspartnern war, hat inzwischen größere Auswirkungen. Denn IOTA hat eine große globale Community, in Deutschland sowieso. Hier haben namhafte Unternehmen wie Bosch in Token investiert, mit Volkswagen besteht eine Kooperation. Die Erwartungen sind groß. Aus dem Blockchain-Projekt soll ein ernsthafter Player in der realen Wirtschaft werden: die vorherrschende Währung im Internet der Dinge.
Doch am Fortschritt, an der Reife des Großprojekts mehren sich nun die Zweifel. Da ist zum einen der Streit zwischen den Gründern, der offenbar nicht zu befrieden ist, sondern zunehmend eskaliert – und damit zeigt, dass es bei IOTA ein Führungsproblem gibt. Und da ist seit vergangener Woche ein Hack, der IOTA zwang, das komplette System lahmzulegen – und zeigt, dass es offenbar große technologische Unzulänglichkeiten gibt.
Auf Anfrage nahm die IOTA-Stiftung dazu zunächst nicht Stellung. Nach Veröffentlichung des Artikels betonte ein Vertreter, man habe das System nicht offline nehmen müssen. Vielmehr habe IOTA sich nur dazu entschieden, Transaktionen zu stoppen. „Dazu bestand erstens keine technische Notwendigkeit (dies geschah, um die Nutzer zu schützen) und zweitens sind Datentransaktionen weiterhin problemlos möglich“, hieß es. Zudem gebe es keine „Schwachstelle im Kernprotokoll“, sondern „es wurde ein dritter Zahlungsanbieter (Moonpy) gehackt, welcher in die IOTA-Wallet integriert war“.
Klar ist: IOTA geht durch die schwerste Krise seines Bestehens. Die Frage ist: Gibt es einen Weg hinaus?
Ein Streit um 20 Millionen Dollar
Der in der Öffentlichkeit bekannteste IOTA-Vertreter ist der aus Südtirol stammende Dominik Schiener, der das Projekt heute von Berlin aus führt. Zum Gründerteam gehören Serguei Popov (heute in Brasilien ansässig), der Norweger David Sønstebø sowie dessen ehemaliger Kompagnon Sergey Ivancheglo, der den Vorstand 2019 verlassen hat, aber als Entwickler an Bord blieb.
Zwischen Sønstebø und Ivancheglo brodelt es seit langem. Vor wenigen Wochen kam es zum endgültigen Bruch. Ivancheglo, der sich Online „Come-from-Beyond“ nennt, teilte öffentlich mit, dass er nicht mehr mit Sønstebø zusammenarbeiten wolle und seine Anwälte beauftragen werde, um angeblich ihm zustehende IOTA-Token von dem Norweger zurückzubekommen. Sønstebø reagierte darauf mit einem eher unaufgeregten Blogpost, mahnte die Community zur Ruhe. Das zeigte Wirkung: Der IOTA-Kurs stieg an. Offenbar kam der endgültige Bruch mit Ivancheglo in der IOTA-Community gut an.
Gleichzeitig blieb die eigentliche Frage ungeklärt – ob Ivancheglo nämlich recht hat mit seinen Anschuldigungen. Die Token, um die es bei dem Streit geht, sind bei der Gründung von IOTA entstanden. Sie wurden zum ICO 2015 gegen Bitcoin verkauft, allerdings erst später generiert und 2016 ausgegeben. Damit wurde die gemeinnützige IOTA-Stiftung finanziert, die in Berlin sitzt.
Doch 65 Tera IOTA, aktuell etwa 20 Millionen Dollar wert, wurden bei der Ausgabe nicht mehr von den jeweiligen Investoren beansprucht, obwohl sie bezahlt waren. Statt die Token in die gemeinnützige Stiftung einzubringen oder sie einfach zu verbrennen, überlegten sich Sønstebø und Ivancheglo, sie bei Jinn Labs zu parken. Das geht aus internen Chats hervor. Wie die Anteile an Jinn Labs verteilt sind, ist nicht klar – Sønstebø hält jedoch offenbar die Kontrolle über die nicht beanspruchten Token. Und Ivancheglo forderte seinen Anteil.
Das Kompromissangebot von Sønstebø: Ivancheglo dürfe den Firmennamen Jinn Labs und die damit verbundenen Produkte beanspruchen, er selbst würde die Token behalten – diese haben einen Wert von etwa 20 Millionen Dollar. Ivancheglo lehnte ab (kein Wunder, schließlich gilt Jinn Labs in der Szene als weitgehend wertlos) und eskalierte den Streit – er kündigte öffentlich die Zusammenarbeit auf.
Der Streit um den Vorstand
Es ist nicht der erste große Streit bei IOTA. Bereits 2018 kam es zum Konflikt über Machtfragen. Chatprotokolle zeigen, dass innerhalb der IOTA-Führung damals ein starker Dissens herrschte. Ivancheglo forderte den Stiftungsvorsitzenden Dominik Schiener zum Rücktritt auf. In dem Streit ging es formal um die Verteilung von Vorstandssitzen: Die beiden Mitgründer Serguei Popov und Sergey Ivancheglo waren aus „Gründen des Timings und der Einfachheit“ nicht Vorstandsmitglieder der Stiftung, im Gegensatz zu Schiener, Sønstebø und Ralf Rottmann, der später hinzukam.
Das sollte sich ändern, doch Schiener versuchte offenbar, die Beförderung von Popov und Ivancheglo aufzuschieben – er befürchtete, dass die beiden ihr Stimmrecht auf Sønstebø übertragen könnten, und wollte eine Aufsichtsratssitzung abwarten, auf der eine Satzungsänderung beschlossen werden könnte, die eine Stimmrechtsübertragung verhindern würde. Doch Ivancheglo wollte nicht warten und machte entsprechend Druck. Die internen Chatprotokolle fanden ihren Weg an die Öffentlichkeit, wenige Tage später wurden Ivancheglo und Popov in den Vorstand befördert. Danach herrschte zunächst wieder Ruhe.
Eine Krise kommt selten allein
Davon kann nun keine Rede mehr sein. Anfang Februar eskalierte der Streit zwischen den Mitgründern. Und nebenbei muss sich IOTA mit ganz anderen Problemen herumschlagen.
Mitte vergangener Woche musste IOTA das eigene System lahmlegen, nach einem koordinierten Angriff waren Einlagen gestohlen worden. Die Entwickler versuchen mit diesem radikalen Schritt, das System zu sichern und den Einbruch zu unterbinden. Die Handelsaktivitäten sind derzeit ausgesetzt. Für viele Kritiker ist Hack der letzte Beweis, dass die IOTA-Technologie nicht so stark sei wie vielfach behauptet. Dass IOTA sein System einfach so abschalten kann, zeigt in jedem Fall, dass es nicht dezentralisiert ist.
IOTA-Zweifler monieren schon lange, dass das Projekt zwar große Visionen, aber kaum reale Anwendungen geliefert hat. Selbst mit den prominenten IOTA-Partnern Bosch und VW gibt es offenbar keine engeren Kooperationen, wie es aus Unternehmenskreisen heißt. Von beiden Konzernen heißt es, IOTA sei nur eine von mehreren Blockchain-Anwendungen, die man erprobe. IOTA habe nur „ein paar lose Partnerschaften und viel heiße Luft“ vorzuweisen, kritisiert ein Insider.
IOTA hat derzeit eine Marktkapitalisierung von etwa 750 Millionen Euro und liegt damit auf Platz 23 der größten Kryptowährungen der Welt. Auf der ganzen Welt arbeiten Menschen an IOTA-Lösungen. Es wäre also zu früh, das ganze Projekt abzuschreiben. Für IOTA spreche die starke Markenwahrnehmung und auch das große Ökosystem mit vielen Programmierern, sagt Philipp Sandner vom Blockchain Center der Frankfurt School of Finance im Gespräch mit Finance Forward. „Beides haben viele anderen Projekte nicht geschafft. Wenn IOTA nun die Governance der Stiftung und auch die Technik in den Griff bekommt, dann entsteht dadurch durchaus wieder viel Potential.“
Der Text wurde am 24. Februar 2020 um Stellungnahmen von IOTA-Verantwortlichen ergänzt.