Maximilian Lambsdorff hat Expresssteuer gegründet (Bild: PR)

„Insolvenz in der Insolvenz“: Bei Expresssteuer ist wohl nichts mehr zu holen

Das Insolvenzverfahren des Hamburger Steuer-Startups Expresssteuer droht mangels Insolvenzmasse zu scheitern. Welche Hoffnung gibt es für das angeschlagene Unternehmen noch – und welche für Kunden, die noch auf Geld warten?

Rund 30 Millionen Euro hatte das Steuer-Startup Expresssteuer über die Jahre eingesammelt – doch nun gibt es nicht einmal mehr genug Geld für das eigene Insolvenzverfahren. Das geht aus einer Meldung des Amtsgerichts Hamburg hervor. Demnach meldete Insolvenzverwalter Marc-André Borchert für das zahlungsunfähige Startup die sogenannte „Masseunzulänglichkeit“ an. Der sperrige Fachbegriff beschreibt eine Art „Insolvenz in der Insolvenz“. Konkret bedeutet das, dass die Insolvenzmasse des Unternehmens nicht mehr ausreicht, um die Verfahrenskosten – etwa Gerichts- oder Verwaltungskosten – zu decken.

Wie es nun für Expresssteuer weitergeht, bleibt weiterhin offen. Sollte sich die Liquiditätssituation des Unternehmens nicht ändern, droht die endgültige Geschäftsauflösung. So erging es kürzlich auch dem Finanzcoach-Startup Fabit, dessen Involvenzverfahren „mangels Masse“ scheiterte.

Laufen Gespräche mit Investoren?

Diesem Schicksal könnte Expresssteuer allerdings noch entgehen. Denn: Gelingt es dem Unternehmen, neue Geldmittel aufzutreiben, kann der Status der Masseunzulänglichkeit auch wieder aufgehoben und das Insolvenzverfahren weitergeführt werden. Gegenüber Finance Forward macht Insolvenzverwalter Borchert Hoffnung für dieses Szenario: „Im Fall von Expresssteuer halte ich eine Aufhebung der Masseunzulänglichkeit für realistisch“, sagt er.

Gestartet war Expressteuer 2019 mit einem Steuerportal. Im Gegensatz zu Taxfix oder Wundertax stellte der Hamburg Anbieter nicht die Software, sondern vermittelte die Steuererklärungen an Steuerberater. Von den Rückerstattungen behielt Expresssteuer einen Teil als Provision ein.

Woher genau das Startup nun noch Geld bekommen könnte, kann der Insolvenzverwalter allerdings nicht sagen. Denkbar wäre etwa, dass Expresssteuer doch noch zahlungswillige Investoren oder gar einen Käufer findet.

Für die vielen ehemaligen Kunden, die noch auf Steuerrückerstattungen warten, dürfte das allerdings kaum einen Unterschied machen. Denn ihr Geld wurde nicht durch die „ExpressGroup GmbH“, sondern eine dieser nahestehenden Firma namens „BB Steuergesellschaft mbH“ verwaltet. Auch diese befindet sich aktuell in einem separaten Insolvenzverfahren.

Der mit dem Fall betraute Insolvenzverwalter Hans-Joachim Berner teilt auf Anfrage mit, dass sich die Kundengelder auf einem Treuhandkonto befänden. „Ob diese zur Insolvenzmasse gehören oder nicht, ist Gegenstand aktueller rechtlicher Prüfungen“, heißt es weiter. „Von diesen Prüfungen hängt auch ab, ob die Erstattungen direkt an die Kunden erfolgen können oder die Kunden ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden müssen.“ Die Kunden des Steuerportals müssen also weiter um ihr Geld bangen.

25 Millionen in 18 Monaten verbrannt

Im Dezember berichtete Finance Forward noch über die Kapitalsuche von Expressteuer. 50 bis 150 Millionen Dollar wollte das Startup einsammeln, wie interne Unterlagen zeigten. Daraus wurde allerdings nichts: Kurz darauf meldete das Unternehmen Insolvenz an. Am ersten März eröffnete Borchert das entsprechende Insolvenzverfahren. Infolgedessen wurde der Geschäftsbetrieb eingestellt und der Großteil der 100-köpfigen Belegschaft entlassen. Mit einigen verbliebenen Mitarbeitern kümmert sich Borchert nun noch um „Abwicklungsaufgaben“, wie er Finance Forward erzählt. Diese würden noch mindestens für diesen Monat andauern.

Die Geldnöte des Startups kamen für viele überraschend. Immer wieder berichtete Gründer Maximilian Lambsdorff von imposanten Wachtsumszahlen – zwischenzeitlich soll das Unternehmen sogar kurz profitabel gewesen sein, wie er gegenüber dem Branchenmedium Deutsche Startups erzählte. Im OMR-Podcast sprach Lambsdorff für das Jahr 2022 außerdem von 35 Millionen Umsatz. Hinzu kam die gute Finanzierungssituation: Nach einer ersten kleinen Funding-Runde, sammelte das Unternehmen Anfang 2022 noch einmal rund 25 Millionen Euro ein. Gut anderthalb Jahre später scheint von dem Geld nichts mehr übrig zu sein.