Dr. Jekyll und Mr. Hosp – die dubiosen Fintech-Startups eines Krypto-Gurus
Hunderttausende verfolgen den Krypto-Influencer Julian Hosp und seine Anlageideen. Mit dem Defi-Startup Cake Defi strebt er an die Börse, während die deutsche Finanzaufsicht gegen das Unternehmen mit Sitz in Singapur ermittelt. Der Fall verdeutlicht die Probleme der aktuellen Krypto-Regulierung, kommentiert Wirecard-Aufklärer und Finanz-Experte Fabio De Masi.
Es sind harte Zeiten für Krypto-Influencer. Die Zentralbanken drehen an der Zinsschraube und schon geht vielen Krypto-Assets die Luft aus. Aber Julian Hosp, Mediziner, ehemaliger Profi-Kitesurfer und – wie der flüchtige Wirecard-Manager Jan Marsalek – ein „Serial Entrepeneur“ aus Österreich, ist eigentlich immer dick im Geschäft. Nur ist es meistens nicht das Geschäft, das er bis kürzlich noch bewarb. Er spielt Hase und Igel mit der Finanzaufsicht. Auch ich durfte mich bereits mit Hosp im Handelsblatt-Podcast über Bitcoin streiten.
Hosp wurde 2015 als Gesicht von TenX bekannt, einem Krypto-Startup aus Singapur. Die Firma mit der Krypto-Kreditkarte sammelte 2017 im Fieber der Initial Coin Offerings (ICO) in nur sieben Minuten 80 Millionen Dollar von 4.000 Investoren ein. Dann ging der Ärger los: Zunächst verlor 2018 der Kartenherausgeber Wavecrest aus Gibraltar seine Visa-Lizenz, bevor Anfang 2020 ausgerechnet die Wirecard Bank übernahm, deren Konzernmutter kurze Zeit später in die Insolvenz schlitterte.
Das Karussell dreht sich, solange genug „Stupid Money“ einsteigt
Die Person Hosp ist seit Jahren selbst in der Krypto-Szene umstritten. Der Gründer fiel kurz vor seinem Ausstieg bei TenX mit dem eiligen Verkauf von mehr als zwei Millionen TenX-Token auf und geriet in den Verdacht eines „Exit-Scams“, er bestreitet dies. Hosps früherer Geschäftspartner bei TenX, der österreichische Programmierer Toby Hoenisch, wird indessen bezichtigt, das Krypto-Projekt „The DAO“ gehackt und dabei 3,6 Millionen Ether-Token – im heutigen Gegenwert von mehreren Milliarden – entwendet zu haben. Ether ist der Token des zweitwichtigsten Krypto-Netzwerkes Ethereum. (Hosp sei in „keiner Weise an dem DAO-Hack beteiligt“ gewesen, heißt es von Cake Defi.)
Über TenX spricht Hosp heute genauso ungern wie über sein Engagement bei Lyoness – ein Multi-Level-Marketing-Vertrieb – den er auf seiner Homepage nicht erwähnt. (Ein Sprecher teilt dazu mit: „Julian war lediglich Angestellter und nicht in einer Führungsposition bei Lyoness. Rückblickend betrachtet er seine Anstellung nicht als die klügste Entscheidung seines Lebens und würde heute eine andere Entscheidung treffen.“)
Beim Multi-Level-Marketing wird man als Investor selbst zum Verkäufer eines Produkts. Es ist ein Schneeball- oder Pyramidensystem, wie wir es auch vom legendären US-Finanzier Bernie Madoff kennen. Das Karussell dreht sich weiter, solange genug neues „Stupid Money“ einsteigt. Bei Madoff investierten gierige Superreiche, weil er garantierte Traumrenditen versprach.
Hosps Startups erinnern an Straßenverkauf für Youtube-Kids. Auf der Videoplattform folgen ihm allein mehr als 200.000 Menschen. Sein aktuelles Projekt Cake Defi ist ein Anbieter von Decentralized Finance (Defi) oder Peer-to-Peer-Finanzdienstleistungen, der ohne Banken und ohne Papier-Verträge Kredit- oder Wertpapiergeschäfte ermöglicht – und sich dabei der klassischen Finanzmarktregulierung entzieht. Cake Defi wirbt mit hohen Zinsen von bis zu 46,2 Prozent und belohnt Nutzer mit Boni für neu eingeworbene Kunden. Hier setzt Hosp offenbar wieder auf die Anreize eines Schneeballsystems (das Unternehmen betont, es handle sich um ein Marketing-Instrument).
Hosp ist ein deutsprachiger „Krypto-Influencer“
Die Finanzaufsicht von Singapur (MAS) verpflichtete Cake Defi kürzlich zu einer Risikowarnung bezüglich der unregulierten Finanzgeschäfte. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin nahm sogar Ermittlungen gegen die Cake Pte. Ltd. in Singapur auf. Allerdings erst nach einer Anfrage von Finance Forward. Der Vorwurf lautete, die Gesellschaft betreibe „unerlaubt Bankgeschäfte bzw. Finanzdienstleistungen in Deutschland“.
Denn Finanzanbieter außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums dürfen nicht mit Finanzdienstleistungen oder Bankgeschäften aktiv im deutschen Markt werben oder diese anbieten. Auf Facebook finden sich bis heute aber etliche Anzeigen, die gezielt an Nutzer in Deutschland ausgespielt wurden. Auch auf Google ist dies immer noch der Fall, wie ein Test zeigt.
(Das Unternehmen sagt dazu: „Jegliche Google-Werbung, die in Deutschland zu sehen ist, stammt nicht von Cake Defi.“ Und: „Cake Defi hat sich regelmäßig mit der Bafin ausgetauscht. Der letzte Austausch mit der Bafin fand im Mai 2022 statt – seitdem hat Cake Defi keine Antwort erhalten.“ Cake Defi behauptet es würde keine Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen in Deutschland betreiben, für die das Unternehmen eine Lizenz nach dem Kreditwesengesetz benötige.)
Da stellt sich die Frage, wieso Dritte und mit welchen (finanziellen) Interessen gratis für Cake Defi in Deutschland werben sollten? Und wer bezahlt die Werbung in Deutschland?
Hosp ist vor allem im deutschsprachigen Raum ein „Krypto-Influencer“, in seinen Videos spricht er vor allem Deutsch. Die potentiellen Nutzer von Cake Defi sitzen in Berlin oder Frankfurt. Mittlerweile gibt es die Homepage von Cake Defi nicht mehr auf Deutsch, auch das Anwerbeprogramm für Neukunden wurde hierzulande eingestellt. Jedoch hat Cake Defi kürzlich von Litauen die Lizenz erteilt bekommen, im Kundenauftrag Krypto Wallets zu verwalten. Mit der Kryptowerte-Verordnung (MiCA) der EU, die in den Mitgliedsstaaten unmittelbar Gültigkeit hat, dürfte es daher zukünftig schwerer werden, Cake Defi Finanzdienstleistungen in der EU zu untersagen. Die grenzüberschreitenden Geschäfte auf Defi-Plattformen stellen die Finanzmarktregulierung daher zukünftig vor enorme Herausforderungen.
Die Finanzaufsicht braucht mehr Instrumente
Wer das Publikum vor dubiosen Krypto-Gurus wie Julian Hosp schützen will, braucht daher mehr Instrumente für die heimische Finanzaufsicht. Es wird sich immer eine Finanzaufsicht finden, die einem Krypto-Scammer Unterschlupf bietet. Und selbst Werbeverbote lassen sich im grenzenlosen Internet schwer durchsetzen.
Entscheidend für die Finanzaufsicht 2.0. sollte daher weniger ein Herkunftslandprinzip sein. Denn solange Cake Defi den Briefkasten in Singapur hat, ist die dortige Finanzaufsicht zuständig. Grundsätzlich ließe sich die internationale Finanzaufsicht auch so ausrichten, dass zukünftig von Bedeutung ist, wo die Kunden oder Nutzer herkommen, beziehungsweise wo Anbieter ihre Umsätze verzeichnen.
Die EU wollte bereits zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung eine Meldepflicht für Krypto-Transaktionen einführen, die über sogenannte Unhosted oder Self-Custody-Wallets abgewickelt werden. Crypto-Asset-Service-Provider wären folglich verpflichtet, die Identität von Transaktionspartnern zu verifizieren.
Finanzminister Christian Lindner erteilte dem aber gerade eine Absage mit der Begründung, dann würden noch mehr zwielichtige Geschäfte über Schattenfinanzplätze abgewickelt. Ich halte dies für ein Totschlag-Argument: Die EU ist der größte Binnenmarkt der Erde und sollte kein Abenteuerspielplatz für Krypto-Scammer sein. Sie muss und kann Regeln durchsetzen, die für den Bankensektor selbstverständlich gelten. Wer dies nicht möchte, könnte dann zumindest nicht mit EU-Lizenz auch German Stupid Money einsammeln.
Bevor die Finanzmarktregulierung aber so weit ist oder die Finanzaufsicht einschreitet, könnten Dr. Jekyll und Mr. Hosp schon wieder am nächsten großen Ding basteln. Cake Defi ist dann wahrscheinlich längst geschmolzen wie Eis im Sommer.
Hinweis: Eine Aussage über die Regulatorik wurde im Nachhinein konkretisiert. Vorher hieß es: “Denn sind Finanzanbieter in anderen Ländern reguliert, dürfen sie nicht ohne Weiteres in Deutschland werben.”