Turbowachstum dank Zinswende: Holvi legt Jahresbericht vor
Das finnische Business-Banking-Startup Holvi hat einen beeindruckenden Turnaround hingelegt. Der Geschäftsbericht zeigt nun aber, dass vor allem der Zinsfaktor für das steile Wachstum verantwortlich ist. Ein Blick in die Zahlen.
„138 Prozent Wachstum“ liest sich wie eine Pressemeldung aus besten Boom-Jahren, als Startups noch auf Pump wachsen und scheinbar grenzenlos Geld verbrennen konnten. Im Falle der finnischen Geschäftsbank Holvi steckt allerdings eine ganz andere Geschichte dahinter: Ohne Fremdmittel – dafür durch einen rigiden Sparkurs und Preisanhebungen – hat das Fintech den Turnaround geschafft und trotz des steilen Wachstums 2023 profitabel gewirtschaftet. Ein Blick in die Geschäftszahlen offenbart nun aber, dass vor allem die neuen Zinseinnahmen dafür verantwortlich sind.
Holvi bietet Geschäftskonten, vor allem für kleine Unternehmen und Selbständige, in Finnland, Deutschland und Österreich an. Dazu gehören auch erweiterte Services, wie Kreditkarten, Buchhaltung und Rechnungslegung. Im deutschen Markt zählt das französische Qonto zur starken Konkurrenz.
Nach anstrengenden Jahren, in denen das Fintech nach dem Rückkauf des Gründers ohne externe Finanzierung überleben musste, hat Tuomas Toivonen sein Ziel nun erreicht: Aus knapp zwei Millionen Euro Minus im Vorjahr machte er mit seinem Team rund fünf Millionen Euro Gewinn im Geschäftsjahr 2023 und lief über alle Monate profitabel. Gleichzeitig hat sich der Umsatz von knapp acht Millionen auf mehr als 18 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Es klingt, als hätte das Unternehmen einen neuen Wachstums-Hack entdeckt.
Turbowachstum dank Zinswende
Doch nun zeigt der Geschäftsbericht: Ohne die Zinswende wäre der Coup wahrscheinlich gar nicht gelungen. Denn mehr als die Hälfte des Umsatzes generierte das Unternehmen im vergangenen Jahr durch Zinszahlungen. So konnte sich das Team in einem Bereich, der 2022 noch gar nicht in der Gewinnrechnung auftauchte, über Einkünfte von knapp zehn Millionen Euro freuen. Das eigentliche Kerngeschäft aus Gebühren- und Provisionseinnahmen wuchs dagegen nur um 14 Prozent.
Die Erfolgsgeschichte wurde also maßgeblich durch Kundeneinlagen mitfinanziert. Denn Holvi reicht die Zinseinnahmen aktuell nicht an seine Geschäftskunden weiter. Ähnlich macht es das Gros der Wettbewerber im Business-Banking-Markt, darunter Vidid, Kontist, Fyrst oder Qonto. Platzhirsch Qonto könnten nach Schätzungen des Tech-Portals Sifted im vergangenen Jahr Zusatzeinnahmen in Höhe von 100 Millionen Euro aus Zinsen eingefahren haben.
Zinszahlungen sind zwar im Endkunden-Bereich mittlerweile zum (Marketing-)Trend geworden – die Neobroker Trade Republic und Scalable Capital gehörten etwa zu den ersten Fintechs in Deutschland, die Zinseinnahmen an ihre Kunden weitergaben. Bei Angeboten für Geschäftskunden dagegen ist diese Praxis noch selten. Ob und wann Holvi ein Zinsangebot für seine Kunden ermöglicht, ist noch unklar. Aktuell prüfe man die Möglichkeiten dafür, heißt es vom Unternehmen. Gleichzeitig arbeite man an einem Sparprodukt, damit Kunden Zinsen auf überschüssige Liquidität erhalten können.
Es stellt sich allerdings die Frage, wie nachhaltig ein Geschäftsmodell sein kann, das so stark von der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank abhängt. Geschäftsführer Toivonen gibt sich gelassen: „Wir sind wieder in einem normalen Zinsumfeld angekommen“, sagt er im Gespräch mit Finance Forward. „Ich glaube niemand ist daran interessiert, das Nullzins-Experiment zu wiederholen.“ Vielmehr geht er davon aus, dass sich die Zinsraten langfristig um zwei Prozent einpendeln und entsprechende Einnahmen somit wieder zum normalen Teil des Geschäfts werden.
Kundenzahl leicht gesunken
Trotzdem will Holvi sich künftig Umsatz-seitig breiter aufstellen. Aktuell arbeite das Team dazu an verschiedenen Erweiterungen, etwa einem Kreditangebot mit Überziehungskrediten und Finanzierungsmöglichkeiten für Forderungen und Verbindlichkeiten. Daneben soll es Multi-Currency-Accounts mit den 24 wichtigsten Währungen, weitere Open-Banking-Integrationen und eine Lösung zur elektronischen Rechnungsstellung geben. All das soll auf ein diversifiziertes Umsatzmodell einzahlen.
Eine ähnliche Umsatzexplosion dürfte in diesem Jahr trotzdem außer Reichweite sein. Im Geschäftsbericht heißt es, das Finanzergebnis werde voraussichtlich „nahe dem Niveau von 2023“ liegen. Das Team werde sich auch weiterhin auf die Bestandsmärkte fokussieren, so Toivonen.
Neben den Produkterweiterungen liege der Fokus vor allem auf der Kundenakquise in Deutschland. Im Gegensatz zum finnischen Heimatmarkt waren die Kundenzahlen hier zuletzt rückläufig. Um insgesamt vier Prozent sank die Zahl aller Holvi-Kunden 2023 und liegt nun bei circa 33 Tausend. Dafür stiegen die Gebühren- und Provisionseinnahmen pro Kunde um 18 Prozent. Beides liegt laut Geschäftsbericht zum Teil an einer Preiserhöhung Anfang des vergangenen Jahres. Für dieses Jahr ist laut Toivonen keine weitere Preiserhöhung geplant.
„In Deutschland hatten wir noch signifikant weniger Premium-Nutzer als in Finnland“, erklärt der Gründer. „Daher hat sich der Preisanstieg dort auch stärker in den Kundenzahlen niedergeschlagen.“ Dies sei aber Teil der fortlaufenden Entwicklung, wertvollere Kunden zu generieren.
„Fundraising ist große Ablenkung“
Holvi will auch weiterhin finanziell unabhängig bleiben und sich aus dem eigenen Geschäft finanzieren. Auch wenn es laut Toivonen immer mal Anfragen gibt, stehe Fundraising aktuell nicht auf der Agenda. „Der Fundraising-Prozess ist eine große Ablenkung für das Management-Team“, sagt er. „Gleichzeitig ist es für die Beschäftigten sehr viel lohnender, nicht nur für das nächste Board-Meeting zu arbeiten oder den neuesten Growth-Hack zu jagen.“ Er beobachte vielmehr, dass die Unternehmenskultur sehr viel gesünder sei, seit das Unternehmen kein externes Funding mehr erhalte.