Wo gibt es noch Zinsen? (Bild: lucas Favre/Unsplash)

Diese Fintechs brechen den Niedrigzinspakt

46 deutsche Banken fordern bereits Negativzinsen von ihren Kunden, auch sonst gibt es kaum noch attraktive Angebote. Darin sehen digitale Angreifer zunehmend eine Chance, um Kunden anzulocken. Was haben sie vor?

Sebastian Siemiatkowski kommt in Interviews gerade an einem Thema nicht vorbei: sein Zinsangebot. Spiegel-Reporter fragten den Klarna-Chef kürzlich: „Sie bieten ein Prozent Zinsen auf Festgeld an. Ist Klarna in Geldnot? Brauchen Sie so dringend Einlagen?“ Das Angebot von Klarna – derzeit 0,9 Prozent für zwölf Monate Anlage – ist tatsächlich eine der besten Zinsofferten, die zurzeit für deutsche Sparer erhältlich sind.

Dabei ist das schwedische Milliarden-Fintech gar nicht für Zinsanlagen bekannt. Klarna ist eigentlich ein Payment-Unternehmen, das zum Beispiel Ratenkauf für Online-Shopper anbietet. In Zeiten von Minuszinsen wittert nun nicht nur Klarna eine Marktchance. Mehrere wichtige Digitalunternehmen werben um deutsche Sparer – mit höchst unterschiedlicher Motivation. Was treibt sie an?

Die Lage – wer ist von Minuszinsen betroffen?

Negativzinsen von Banken war ein Aufregerthema der vergangenen Monate. Insgesamt 46 deutsche Banken haben angekündigt, von ihren Kunden einen Minuszins von meist 0,5 Prozent pro Jahr zu berechnen, wie das Vergleichsportal Verivox aufgelistet hat. Das heißt, die Kunden verlieren Geld, wenn sie es auf dem Girokonto einfach liegen lassen. Allerdings betrifft dies bei den meisten Banken erst Guthaben ab 100.000 Euro oder mehr. Banken gehen diesen radikalen Weg, weil sie selbst Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie Geld bei der Zentralbank parken.

Fintechs haben dies als Chance ausgemacht, sich abzugrenzen. Gerade die Schlagzeilen über das Zinstief bringen Verbraucher dazu, ihr Anlageverhalten zu überdenken, wie bereits mehrere Fintech-Gründer berichteten. Auch der Chef der Smartphone-Bank N26, Valentin Stalf, nutzte letztes Jahr die Newslage für PR in eigener Sache:


Positive Zinsen bietet Stalf für seine fünf Millionen Bankkunden allerdings nicht an. Klarna geht dabei mit seinem Festgeldangebot einen anderen Weg.

Der Nutznießer – warum bietet Klarna Festgeld an?

Auf das Zinsangebot angesprochen, antwortete der Klarna-Chef dem Spiegel: „Aus der deutschen Perspektive mag ein Prozent viel erschienen. Aber für uns als global operierendes Unternehmen sind Deutschland und Schweden besonders attraktiv, um Geld aufzunehmen.“ Das Unternehmen, das eine Banklizenz hat, braucht die Einlagen, um beispielsweise den Ratenkauf zu ermöglichen.

Auffällig ist: Klarna geht mit seinem Zinsangebot keineswegs hausieren, potenziellen Sparern wird es nicht gerade einfach gemacht. Auf der Startseite ist es nicht zu finden, sondern nur über eine eigene Seite oder über das Vergleichsportal Verivox. Um das Geld einzuzahlen, muss man ein eigenes Konto eröffnen und einen Antrag ausdrucken und unterschrieben zurückschicken.

Das ist ungewöhnlich für ein Unternehmen, das sich sonst für seine reibungslosen („smoothen“) Abläufe rühmt. Auch lässt sich über das Konto der Klarna-Card nicht in das Festgeld investieren. Für den Paymentanbieter wird das Festgeld also nur ein Mittel zum Zweck sein. Es passt nicht so recht zur Strategie, die sich mit der App auf den Bezahlvorgang fokussiert. Wie hoch die Nachfrage ist, verrät Klarna nicht.

Der Marketing-Trick – was haben Wirecard und Openbank vor?

Einen anderen Ansatz fährt Wirecard, das große Hoffnung auf seine Banking-App Boon Planet setzt. „Das Projekt soll nicht nur in Europa an den Start gehen, sondern auf Dauer weltweit“, sagte CEO Markus Braun im November in einem Handelsblatt-Interview. Er könne sich vorstellen, bis 2025 „Hunderte Millionen Bankkunden“ zu gewinnen. Viele Szenebeobachter fragten sich, wie das gelingen soll.

Wenige Woche später kündigte das Unternehmen den ersten Marketing-Trick an: Ab Februar bietet die Banking-App auf dem Girokonto 0,75 Prozent Zinsen an, dies ist allerdings bei 10.000 Euro gedeckelt. Dafür kann man das Geld jederzeit wieder abheben.

Auch Openbank, die Digitaltochter des spanischen Bankriesen Santander, ist kürzlich in Deutschland mit einem Willkommensangebot von zwei Prozent Zinsen auf das Tagesgeldkonto gestartet – allerdings für maximal sechs Monate und höchstens 5.000 Euro. Auch dieses Angebot soll Neukunden anlocken, die nach Möglichkeit dadurch überzeugt werden, das Girokonto, die App und den Robo-Advisor von Openbank weiter zu nutzen. Zur bisherigen Resonanz im deutschen Markt gab es auf Anfrage bislang keine Aussage von Openbank.

Auch Wirecard will nichts Konkretes dazu sagen, ob das Zinsangebot einen Effekt bei der Kundennachfrage ausgelöst hat. Es schreibt von „großem Interesse im Markt“. Laut dem Download-Schätzungstool Priori Data kommt Boon Planet bislang auf etwa 35.000 App-Downloads. Die Banking-App N26 hat in einem vergleichbaren Zeitraum in Deutschland 78.000 Downloads erzielt. Boon ist also bei einem steilen Wachstum noch nicht angekommen. In den kommenden Monaten will der Dax-Konzern zusätzliche Kreditprodukte anbieten.

Das Geschäftsmodell – was bieten Zinsplattformen?

Die Zinsplattformen Weltsparen und Zinspilot haben aus dem Zinstief schon vor langer Zeit ein eigenes Geschäftsmodell gemacht. Sie vermitteln Anlagen an europäische Banken, bei denen es noch etwas höhere Zinsen gibt. Sie gehören zu den großen Hoffnungsträgern der deutschen Fintech-Szene. Gehen Banken pleite, soll die europäische Einlagensicherung einspringen.

Auch Vergleichsplattformen vermitteln Zinsangebote. Verivox hat für Finance Forward die derzeit attraktivsten Angebote ausgewertet: Unter den Topanbietern findet sich aktuell neben italienischen, maltesischen und portugiesischen Banken ein bekannter Name wieder: Klarna.