Index-Investorin Julia André sprach auf der Finance-Forward-Konferenz über Fintech-Funding (Bild: FFWD)

Fintech-Funding in der Krise: Warten auf das große Reinemachen

Über viele Jahre konnten sich Fintechs vor Geld kaum retten – auch in Deutschland. Mit dem Zinsanstieg hat sich der Markt für sie komplett gedreht. Wie geht es weiter?

Christian Hecker ist ein kontrollierter Typ, so schnell bringt ihn nichts aus der Ruhe. Auch nicht die Gefahr einer zukünftigen Abwertung seines Unternehmens Trade Republic, immerhin eines der erfolgreichsten deutschen Fintechs. „Ich sitze hier relativ entspannt“, sagte Hecker auf der diesjährigen Konferenz von Finance Forward in Hamburg. Sein Unternehmen habe in den vergangenen Jahren „so viel Geld eingesammelt“, dass ihm Korrekturen egal sein könnten.

Für Hecker mag das stimmen, für viele andere Fintechs hingegen könnten die nächsten Monate ziemlich prekär und heikel werden. Mit dem drastischen Anstieg der Leitzinsen seit dem vergangenen Jahr hat sich das Umfeld für junge Finanzunternehmen dramatisch verändert und die Stimmung unter Investoren ist gekippt. Kein Wunder also, dass das Finanzierungsumfeld für Fintechs – neben allen Innovationen, neuen Produkten und Dienstleistungen – das beherrschende Thema des großen Szenetreffens in Hamburg war. Im nächsten Jahr, raunte ein Szeneveteran bei einem Dinner am Vorabend der Konferenz, könnte ein beträchtlicher Teil der hier versammelten Unternehmen schon Geschichte sein.

Wer ausreichend Geld im Trockenen hat, kann die sinkenden Bewertungen allerdings relativ gelassen sehen. Der Tenor der meisten Konferenzteilnehmer und -teilnehmerinnen war: Die Bewertungen würden jetzt realistischer, die Gesamtentwicklung sei für die Branche gesund. „Ich nehme das eher als Normalisierung wahr“, sagte etwa Paul Morgenthaler von Commerzventures. Enrico Ohnemüller vom Fintech Bunch ergänzte: „Wie 2021 die Mitarbeiterzahlen von 0 auf 1.000 gingen, das war kein gesunder Markt.“

Kosteneffizienz statt Wachstum um jeden Preis

Doch auch für die durchfinanzierten Unternehmen wächst der Druck, das Geld sinnvoll einzusetzen und nicht mehr für jedes Gimmick. Anders als noch vor zwei Jahren gehe es Investoren nicht mehr um Wachstum um jeden Preis, sondern nun um Profitabilität und den Aufbau eines nachhaltigen Geschäfts, hieß es einhellig.

„Seit 2022 gibt es ein komplett anderes Mindset“, berichtete Jonas Tebbe vom Fintech Recap. „Von Expansion und neuen Produkten redet heute keiner mehr.“ Schnelles Wachstum sei zwar noch gefragt, sagte Paul Morgenthaler, müsse jetzt aber kosteneffizient erfolgen – eine große Veränderung sowohl für die Gründer als auch für die Investoren. Auch Christian Hecker berichtete, wie seine Kollegen und er inzwischen darauf achteten, dass jedes Produkt und jede Kundentransaktion am Ende profitabel sei.

Gerade Unternehmen wie N26 und Trade Republic, die im Endkundengeschäft arbeiten, haben es dabei schwer – was Investoren umso vorsichtiger macht. Julia André von Index Ventures sagte, sie halte Fintechs nach wie vor für eine attraktive Investmentmöglichkeit, in näherer Zukunft allerdings eher im B2B-Bereich.

Auch Fintech-Geschäftsmodelle von Zinsanstieg betroffen

Doch nicht nur die schwierige Investorensuche stellt Fintechs gerade vor Herausforderungen. Teilweise leiden ihre eigenen Geschäftsmodelle unter dem Zinsanstieg. So ist das Geschäft mit Immobilienkrediten in den vergangenen neun Monaten dramatisch eingebrochen, weil viele potenzielle Kunden die hohen Finanzierungskosten nicht mehr stemmen können. Davon berichteten etwa Julia Schaberts vom Immobilien-Start-up Heimkapital und Hypoport-Chef Ronald Slabke. Auch Für Ohnemüllers Start-up Bunch ist es schwieriger zu wachsen, weil es auch für andere Start-ups schwieriger ist – ihr Geschäft dreht sich darum, anderen Investoren zu helfen, sich zu organisieren.

Auch Fintech-Expertin Carolin Gabor gab die Prognose ab, dass einige der gefeierten Finanz-Start-ups dieses Jahr nicht überstehen könnten. Größere Wachstumsunternehmen würden gleichzeitig ihre Bewertungen kaum halten können.

Trade-Republic-Gründer Hecker zeigte sich davon unbeeindruckt. Was ihn motiviere, seien zwei andere Fragen, die weit über die aktuelle Situation hinauswiesen: „Sind wir in zehn Jahren noch da? Und was ist dann die Bewertung?“