Ein Jahr gezeichnet von starkem Rückgang im Funding, Entlassungswellen und Insolvenzen endet mit einem Hoffnungsschimmer (Bild: Jr Korpa/Unsplash)

Das schwierige Fintech-Jahr 2023 endet mit einem Lichtblick

Nach einer längeren Durststrecke konnten sich europäische Fintechs im vierten Quartal wieder weitaus mehr Wagniskapital sichern. Insgesamt kommt 2023 allerdings nicht mal auf ein Drittel des Fundingvolumens vom Vorjahr, wie eine Auswertung von Blackfin für Finance Forward zeigt.

Der Bericht liest sich dramatisch: „Wir wussten nicht, wie es mit uns weitergehen sollte. Wir wussten nicht, was wir den Kunden sagen sollten, und doch rief uns jeder Kunde an, den wir kannten. Alle Überweisungen waren gestoppt. Niemand konnte Geld abheben. Wir waren an vorderster Front.“ Es sind die Schilderungen von Mitarbeitern der Silicon Valley Bank, die Insider protokolliert hat.

Der Crash der Hausbank der globalen Tech-Industrie im Frühjahr steht sinnbildlich für ein durchwachsenes Jahr der Fintech-Branche. Der Vorfall läutete endgültig eine Funding-Flaute für Startups ein, die sich schon mit dem Ende des Coronabooms abgezeichnet hatte. Das dritte Quartal zeigte dies besonders: Europäische Fintechs haben in dem Zeitraum so wenig Geld eingesammelt wie seit Jahren nicht mehr. Fintechs wie Fabit, Coindex, Ruuky, Xpay oder Cure Finance mussten Insolvenz anmelden. Besonders im Sommer entließ eine große Zahl an Fintechs Teile ihrer Belegschaft.

Auf der anderen Seite sorgte beispielsweise der rasante Anstieg des Leitzinses bei einigen Fintech-Startups für unverhoffte Erlöse. Vor allem Neobanken und -broker können davon profitieren. Das vierte Quartal gibt Grund zur Hoffnung: Zum ersten Mal seit Sommer vergangenen Jahres konnten europäische Fintechs wieder mehr als zwei Milliarden Euro einsammeln. Das zeigt eine Auswertung des französischen Geldgebers Blackfin Tech für Finance Forward.

Ein einschneidendes Fintech-Jahr

Allein im Vergleich zum dritten Quartal ist das mehr als eine Verdopplung. Kurz vor Ende des Jahres reißt das besonders das Mega-Funding für Sumup über 285 Millionen Euro raus. Es ist die einzige dreistellige Millionenrunde eines deutschen Fintechs im gesamten Jahr. Ansonsten machten hauptsächlich Raisin und Scalable Capital mit je 60 Millionen Euro auf sich aufmerksam.

Die aktuellen Fundingzahlen sind im Kontext des Coronabooms einzuordnen: Zwischen 2020 und 2022 gab es einen deutlichen Anstieg in allen Kategorien: Die Gesamtzahl der Deals stieg von 425 auf 815, das eingesammelte Kapital von 6,9 Milliarden auf 16,93 Milliarden Euro, und die durchschnittliche Dealgröße von 15,6 Millionen auf 22,9 Millionen Euro. Die zehn größten Deals stiegen im Volumen ebenfalls von 1,9 Milliarden auf 4,26 Milliarden Euro.

Jedoch zeigt das Jahr 2023 einen signifikanten Rückgang in allen Bereichen, mit 655 Deals befindet es sich zwar noch auf dem Niveau von vor zwei Jahren. Jedoch kommt das Jahr mit 5,81 Milliarden Euro Gesamtvolumen nur noch auf ein knappes Viertel der 21,8 Milliarden Euro von damals. „Es war eines der ersten Jahre, in dem Fintech als Investment-Vehicle an Popularität verloren hat – im Gegensatz zu AI und ClimateTech“, sagt Pile-Gründerin Jessica Holzbach. „Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass wir sehr spannende Zeiten im Fintech vor uns haben.“

Aktuell ist eine ganze Reihe an Fintechs wieder auf Kapitalsuche, wie Finance Forward berichtete. Darunter beispielsweise die Hamburger Öko-Neobank Tomorrow, das Schweizer Kredit-Startup Teylor oder Ecolytiq. Der Berliner Fintech-Spezialist Solaris und der Berliner Zahlungsdienstleister Billie hoffen jeweils auf satte 150 Millionen Euro.

London dominiert die europäische Fintech-Landschaft

Leicht haben es deutsche Anwärter nicht, bei den Funding-Millionen zum Zug zu kommen: Von den zehn Startups mit den größten Finanzierungsrunden kommen allein sieben aus Großbritannien – acht, wenn man das deutsch-britische Sumup dazurechnet (siehe Grafik).

Das waren die 10 größten Fintech-Deals in Europa in 2023 (Quelle: Blackfin)

Das Jahr 2023 markiert einen Wendepunkt in der Fintech-Landschaft. Der Rückgang im Funding, Entlassungswellen und die Insolvenzen einiger Unternehmen zeugen von den Herausforderungen, denen die Branche gegenübersteht. Die Fintech-Startups müssen nun effizienter arbeiten, schneller in die Profitabilitätszone kommen, wie es sich etwa N26 für das zweite Halbjahr 2024 vorgenommen hat. Das finnische Business-Banking-Startup Holvi hat es in diesem Jahr bereits geschafft, wie Finance Forward berichtete.

Das Wiederaufleben des Interesses an Fintechs im vierten Quartal gibt bereits Anzeichen dafür, dass die Branche resilient ist und sich anpassen kann.