Kommt der nächste große Neobroker aus Karlsruhe? (Bild: Mohamed Amine Ben Haj Slama/Unsplash)

„Wir wollen unter die Top Drei in Deutschland“ – Finanzen.net startet eigenen Neobroker

Exklusiv: Wenige Wochen nach der Übernahme von Gratisbroker integriert Axel Springers Finanzen.net das Angebot in die eigene App. Damit entsteht über Nacht eine ernstzunehmende Konkurrenz für Trade Republic und Scalable Capital. Was steckt dahinter?

Vorgemacht hat es Trade Republic. Der Neobroker mit mehr als einer Million Kunden konnte erst kürzlich sagenhafte 750 Millionen Dollar einsammeln, um seine starke Position zu festigen. Wer da künftig noch mithalten will, muss einiges an Funding mitbringen. Wettbewerber wie Scalable Capital oder Bitpanda sind in den vergangenen Monaten ebenfalls stark gewachsen – und besitzen eine gut gefüllte Kriegskasse. Die Marketingschlacht um die Kunden hat längst begonnen. Dabei ist entscheidend, wer es schafft, die Kunden möglichst günstig zu gewinnen.

Oder man besitzt die Kundenbeziehung bereits. Das ist der Fall bei dem Karlsruher Börsenportal Finanzen.net. Es geht jetzt mit einem Angreifer an den Start, der keinesfalls chancenlos ist.

Erst kürzlich schluckte der Anbieter das Startup Gratisbroker, dessen Angebot jetzt zu „Finanzen.net Zero“ umbenannt wird. Und die Macher haben damit große Pläne. Die Axel-Springer-Tochter will vor allem ihre Reichweite als Deutschlands größtes Börsenportal ausspielen, mit mehreren Millionen aktiven Nutzer, die bereits eine starke Bindung zur Marke aufgebaut haben.

Sieben Millionen Website-Besucher pro Monat

Bei Google steht Finanzen.net im Kampf gegen die deutschsprachige Konkurrenz gut da. Denn wer etwas zu Aktienkursen oder Währungsumrechnungen sucht, landet meistens ganz oben bei dem Anbieter. Auch viele Nutzer von Trade Republic und Co. verwenden Finanzen.net demnach bereits. Die beiden damaligen Studenten Peter Schille und Jens Ohr haben das Portal im Jahr 2000 gegründet, also zur Zeit der Dotcom-Blase. 2010 verkauften sie es an den Verlag Axel Springer, blieben aber bis vor wenigen Monaten in der Geschäftsführung.

Als Hauptgeschäft liefert das Unternehmen ein Informationsangebot zu Börsenkursen und Online-Seminaren, es hat zusätzlich eine eigene Redaktion aufgebaut. Mehr als eine halbe Millionen Menschen nutzen das Angebot täglich, sagt Ohr. Im Monat sind es insgesamt mehr als sieben Millionen einzelne Besucher.

Schon in den vergangenen Jahren hat sich die Finanzen.net von einer reinen Informationsplattform weiter entwickelt: Abgesehen vom Desktop-basierten Broker, der mit seinen rund 80.000 Kunden auf der Commerzbank-Tochter Onvista fußt, hat Finanzen.net 2019 seinen Robo-Advisor Oskar gestartet, der 70.000 Depots verwaltet. Allerdings in Kooperation mit Scalable Capital. Die Angebote bleiben beide bestehen, doch das Unternehmen will nun mit einer eigenen Broker-App stärker Fuß fassen.

Nachfolge-CEO Maximilian von Richthofen, der direkt von Axel Springer kam, soll das neue Projekt gemeinsam mit Schille und Ohr aufbauen, die sich jetzt in Vollzeit um das Projekt kümmern. „Wir sehen uns in drei Faktoren gegenüber der Konkurrenz im Vorteil: Wir liefern ein umfangreiches Informationsangebot, haben das attraktivere Preismodell und eine wesentlich bequemere Nutzererfahrung“, sagt Ohr im Gespräch mit Finance Forward.

Die drei Gesichter des neuen Neobrokers von Axel Springer: Peter Schille, Maximilian von Richthofen und Jens Ohr (Bild: PR)

Die Börsennews und Daten werden ab Samstag nur noch eine von insgesamt fünf Säulen in der App sein. Hinzu kommt das Trading, eine Übersichtsseite für alle Depots (später sollen auch externe Anlagen eingebunden werden können), Sparpläne und künftig auch Krypto-Trading. Auch damit hat Finanzen.net bereits Erfahrung: Seit März 2019 betreibt es gemeinsam mit der Börse Stuttgart und Axel Springer unter dem Namen BSDEX (Börse Stuttgart Digital Exchange) bereits eine Handelsplattform für Kryptowährungen.

Gleichzeitig launcht Finanzen.net Zero eine eigene App, die komplett auf das Broker-Angebot ausgelegt ist. „In den kommenden Monaten werden wir dann im Nutzungsverhalten sehen, ob unsere Kunden lieber über die alte Finanzen.net-App traden oder ob sie eine eigene App bevorzugen“, sagt Ohr. Darüber hinaus werde es ein Vorteil sein, das Depot und Trading neben den Apps auch über den Desktop managen zu können – ein Kundenwunsch, den kürzlich auch Neobanken wie N26 und Revolut entdeckt haben.

Günstiger als Trade Republic?

Während Trade Republic und Scalable Capital bereits mehrere Jahre Vorlauf hatte (und den Gamestop-Hype mitnehmen konnten), wird für den Aufbau von Finanzen.net Zero jetzt besonders wichtig, sich von den bestehenden Angeboten genug abzugrenzen. Ein Weg führt über Kampfpreise. Bei Finanzen.net Zero fallen keine Ordergebühren an, auch kein Euro pro Trade – wie etwa bei Trade Republic.

Den Handel wickelt der Broker, der wie der übernommene Gratisbroker mit der Baader Bank kooperiert, über den Handelsplatz Gettex ab. Für manche potentiellen Nutzer ist das ein Gegenargument. „Ich würde keinen Broker wählen, der mir keinen Zugang zu Xetra und anderen Standard-Börsen gewährt“, schreibt ein Nutzer im Wertpapier-Forum. Doch die Anbindung an weitere Handelsplätze stehe auf der Roadmap, versichert Ohr.

Im Gegenzug zum Kostenlos-Modell erhoffen sich die Macher ein höheres Volumen an Trades, sie verdienen lediglich an der Handelsplatz-Provision. Da sich das Geschäftsmodell erst bei höheren Beträgen rentiert, werden die Nutzer für ihre einzelnen Trades immer mindestens 500 Euro aufwenden müssen. Damit spricht das Unternehmen eher erfahrene Trader an, die nicht mit niedrigen Beträgen handeln. Vielleicht, so die Hoffnung, würden die Trade-Republic-Nutzer ja wechseln, wenn sie regelmäßig höhere Summen anlegen wollen. „Wir wollen unter die Top Drei in Deutschland“, sagt Ohr. Also neben Scalable Capital und Trade Republic. Weitere neue Anbieter heißen beispielsweise Smartbroker und Justtrade.

Wenn Finanzen.net es schafft, auch nur einen kleinen Teil seiner sieben Millionen aktiven Nutzer für das Broker-Angebot zu gewinnen, dann spielt es schon recht schnell in der oberen Liga mit. Dafür müsse das Unternehmen verhältnismäßig wenig ausgeben, heißt es. „Unsere Kundenakquisekosten werden sehr gering ausfallen, weil unsere Marke bereits Millionen von Börseninteressenten bedient“, sagt Ohr. Dafür müsse er dann auch nicht so viel Kapital aufnehmen, wie etwa Trade Republic. Wie viel die Firma investieren will, verrät Ohr nicht. Gleichzeitig müssen die Macher mit einem Trading-Produkt die Kunden trotzdem noch überzeugen, ein Selbstläufer ist es nicht. Vor allem bei einer Aufmachungen der Website, die etwas in die Jahre gekommen ist.