Der finale EPI-Poker: Banken wollen Payment-Startup Payconiq einbringen
Exklusiv: Die europäischen Banken planen mit der European Payments Initiative, eine Konkurrenz zu Visa und Mastercard aufzubauen. Payconiq, die von der ING gestartete Bezahl-App, soll nun eine wichtige Rolle in dem Projekt spielen.
In den Diskussionen um die European Payments Initiative läuft alles auf einen letzten Showdown hinaus – auch wenn es nicht mehr um die große EPI-Lösung geht, sondern nur noch um die Rettung der kleinen. Das Funding für diese kleine Lösung hängt nach Informationen von Finanz-Szene an einem Unternehmen namens Payconiq. Um diese erstmal nicht ganz intuitive Verquickung zu erklären, müssen wir an dieser Stelle kurz ausholen:
Bei Payconiq handelt es sich um ein ursprünglich von der ING Groep gegründetes Payment-Startup, das sich vor ein paar Jahren (allerdings erfolglos) auch mal am deutschen Markt versuchte – und an dem inzwischen weitere, vor allem belgische Banken beteiligt sind, darunter die KBC, die Belfius sowie die BNP Paribas Fortis.
Funktional gesehen ist Payconiq eine Bezahl-App, mit der sich Nutzer per Peer-to-peer-Verfahren gegenseitig Geld zusenden können – also wie hierzulande mit „Kwitt“. Darüber hinaus lässt sich mit Payconiq mittels QR-Code auch an der Ladenkasse bezahlen. Das Verfahren: Der Kunde scannt den Code. Per Pin wird die Freigabe erteilt. Und fertig. Ein klassisches Terminal ist nicht mehr vonnöten. 2021 wurden so über Payconiq in den Benelux-Ländern 204 Millionen Transaktionen abgewickelt, davon 10,5 Millionen am Point of Sale. Das ist nicht ganz schlecht – aber auch nicht wirklich imposant, wenn man bedenkt, dass Transaktionszahlen bei größeren Payment-Schemes eher in Milliarden denn Millionen gerechnet werden.
Jedenfalls: Im Kontext der European Payments Initiative gibt es zu Payconiq eine Vorgeschichte. Zu Zeiten nämlich, als alle Beteiligten noch von der großen Lösung träumten, also von einem umfassenden europäischen Payment-Scheme in Konkurrenz zu Mastercard und Visa – da wurden die einzelnen Bausteine dieses Schemes vorsorglich schon mal ausgeschrieben. Für die Wallet-Funktion soll sich damals auch Payconiq beworben, im Auswahlprozess aber den Kürzeren gezogen haben. Nun allerdings, so zeigen unsere Recherchen, könnte das belgische Startup eine zweite Chance erhalten. Hintergrund: Die kleine EPI-Lösung soll ja im Kern nur noch aus einer digitalen Bezahl-Wallet bestehen. Um diese nun schneller bauen zu können, sollen einige der an Payconiq beteiligten Banken innerhalb des EPI-Konsortiums nun auf folgendes Junktim dringen: Das notwendige Funding für die kleine EPI-Lösung wird bereitgestellt – allerdings nur, wenn aus diesen Mitteln die Übernahme Payconiqs durch die European Payment Initiative gestemmt wird.
Gedankenspiele rund um das „holländische Giropay“
Das alles klingt kompliziert. Und ist es auch. Zumal es in den aktuellen Gesprächen nicht nur um Payconiq, sondern angeblich auch noch um ein zweites Asset aus dem Benelux-Raum gehen soll (siehe unten). Darum noch mal einen Schritt zurück: Das Scheitern der großen EPI-Lösung zu Beginn dieses Jahres ging ja einher mit dem Ausscheiden etlicher Mitgliedsinstitute. Aus Deutschland zogen sich die DZ Bank (und mit ihr der gesamte Genosektor), die Commerzbank und die Hypo-Vereinsbank zurück. Aus Spanien blieb nur die Santander übrig. Und die polnischen und finnischen Banken stiegen sogar komplett aus. Offiziell gehören dem EPI-Konsortium damit nur noch zwölf Mitglieder an – nämlich: hierzulande die Deutsche Bank und die Sparkassen sowie im Ausland die Banco Santander, die Crédit Mutuel, die BNP Paribas, die BPCE, die ING Groep, die KBC Bank, die Banque Postale, die Société Générale sowie die beiden großen europäischen Payment-Provider – also Worldline und Nets/Nexi.
Die Gemengelage scheint nun ganz grob folgende zu sein:
– Die Franzosen gelten weiterhin als entschiedenste Verfechter der European Payments Initiative (und hängen an ihrer Carte bancaire offenbar viel weniger als die deutschen Banken an der Girocard).
– Hierzulande sind die Deutsche Bank und die Sparkassen weiterhin willens, sich an EPI zu beteiligen – womöglich aber nicht mehr ganz so willens wie noch zu Zeiten der großen EPI-Lösung (zumal ja inzwischen auch die gesamtwirtschaftliche Situation eine andere ist).
– Einigermaßen diffus erscheint die Interessenlage der Benelux-Banken – zumal es hier diverse Verquickungen zu beachten gilt (etwa bei der belgischen Fortis, hinter der die französische BNP Paribas steht) und auch nicht ganz klar ist, ob hinter den Kulissen nicht womöglich auch noch andere Banken mitreden als die, die dem EPI-Konsortium offiziell angehören.
Jedenfalls: Fest steht, dass es im Benelux-Raum ein klares und so auch artikuliertes Interesse gibt, besagte Payconiq in EPI aufgehen zu lassen und zur technischen Grundlage der künftigen EPI-Wallet zu machen. Die Begeisterung der Franzosen und Deutschen hierüber soll sich zwar in Grenzen halten – abgeneigt ist man aber auch nicht. Eine der Fragen, um die es momentan geht: Welchen Preis würde EPI denn für Payconiq zahlen? Angesichts der (siehe oben) dann doch überschaubaren Performance von Payconiq sind Franzosen und Deutsche sicherlich nicht bereit, ein übertrieben gutes Angebot zu unterbreiten.
Nun gibt es aber, wie bereits angedeutet, ein weiteres Asset, das Teil der Verhandlungen ist oder zumindest werden könnte – nämlich iDeal. Dabei wiederum handelt es sich um das niederländische Pendant zum deutschen Online-Bezahlverfahren Giropay – freilich mit dem Unterschied, dass iDeal im Gegensatz zu Giropay ziemlich erfolgreich ist, mit 1,14 Milliarden Transaktionen 2021 (also rund fünfmal so viele wie Payconiq). Hinzu kommt: seit Jahresbeginn gibt es Payconiq nicht länger im niederländischen Markt – zu stark ist dort iDeal verankert.